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Als Rebecca das Arbeitszimmer des Professors betrat, war sie überrascht.
Sie hatte ihn sich von mächtigerem Aussehen vorgestellt.
Doch vor ihr saß ein glatzköpfiger Mann mit einem freundlichen Lächeln, der in einem motorisierten Rollstuhl saß.
Sergej, ihr Tiger, drängte sich an die Wand und setzte sich eingeschüchtert hin.
Seine Wut über Rebeccas Entscheidung war plötzlich verflogen,
Trotzdem hatte diese noch Angst, ihre kleine Auseinandersetzung hätte ihn zu sehr verärgert.
Sergej war ihre einzige Familie, und ihre einzige Erinnerung.
Der erste Tag, an den sie sich erinnern konnte, war der, an dem sie den Tiger aus seinem Käfig im Zirkus befreit hatte. Alles anderen Erinnerungen verblassten im Grau ihrer Gedanken, selbst wieso oder mit wem sie in diesem Zirkus gewesen war wusste sie nicht mehr.
Und dann war sie in den Wald geflohen, vor was oder weshalb wusste sie auch nicht.
Dieser Verlust ihrer Erinnerungen machte sie wütend, und erst als ihre Fingernägel ihr in die Hand drückten, weil sie die Faust so fest ballte, kehrte sie zurück ins Diesseits.
"Hallo Rebecca. Es freut mich, dich hier begrüßen zu können."
Sie nickte und versuchte zu lächeln, was ihr aber etwas schwerfiel.
Sie hatte gerade Hals über Kopf ihr Zuhause verlassen, der einzige Platz an dem sie sich sicher gefühlt hatte.
Dabei warf sie dem Tiger einen Blick zu.
Der stand plötzlich auf und ließ sich vom Professor kraulen.
"Die Gedanken deines Freundes sind so stark, dass ich sie wahrnehmen und fühlen kann. Wirklich außergewöhnlich... Ein wirklich außergewöhnliches Exemplar von einem Tiger."
Rebecca blickte verwirrt zwischen Sergej und dem Professor hin und her.
Insgesamt verwirrte sie ihre ganze Situation.
Seit Jahren hatte sie keinen Menschen mehr gesehen, und jetzt plötzlich stand sie in einem Haus voll von ihnen.
Auf dem Weg in das Arbeitszimmer des Professors waren sie einen bevölkerten Gang entlang gekommen.
Und normal sahen die meisten Menschen Rebeccas Meinung nach nicht aus, vielleicht irrte sie sich ja aber auch.
Der Professor klärte sie über die Abläufe in der Schule auf, zeigte ihr persönlich ihr Zimmer, das sie mit zwei anderen Mädchen teilen würde, eine Tatsache, die sie nervös machte.
Als sie gerade den Speisesaal besichtigten, wagte Rebecca es wieder Sergej anzusprechen.
Sprechen konnte man ihre Art mit Tieren jeglicher Art zu kommunizieren eigentlich nicht nennen.
Das hatte sie schon immer gekonnt,
Glaubte sie.
Es war ein Gedankenaustausch, sie fühlte was die Tiere meinten und ihr mitteilen wollten, und sie wusste zu antworten.

War es wirklich eine so schlechte Idee hierher mitzukommen?

Die Frage stellte sie zwar ihrem Freund, gleichzeitig aber auch sich selbst.

Naja. Ich werde den Wald vermissen, aber ich spüre wie es dir guttut unter deinesgleichen zu sein.

Ihr fiel ein Stein vom Herzen.

Ich hätte mir natürlich gewünscht im Wald zu bleiben, aber du bist kein Tier, wie ich und die anderen.
Es wurde Zeit für dich da raus zu kommen.

"Rebecca?"
Sie löste die Verbindung mit dem Tiger und versuchte herauszufinden, was sie verpasst hatte.
Im Wald hatte niemand ihre Gespräche gestört.
"Hast du noch Fragen?"
Es war der Professor der sie unterbrochen hatte.
"Alles in Ordnung."
Winkte sie ab.
Sie brannte darauf das große Gebäude, wohl oder übel ihr neues Zuhause, auf eigene Faust zu erkunden.
"Na dann lassen wir dich mal alleine. Denk dran, Morgen früh um neun Uhr beginnt der Unterricht, und solltest du noch fragen haben, du weißt ja wo du mich findest."
Sie nickte dankbar und verabschiedete sich.

Was macht man denn eigentlich im Unterricht? Muss ich da mit?

Rebecca musste Lachen. Sie wusste selbst nicht, was man hier lernen sollte.

Wäre zu freundlich wenn du mitkommst.

Ich überleg's mir.

Mädchen und Tiger verbrachten den Rest des Tages damit, das Gelände zu erkunden.
Die Schule war inmitten weiter Wiesen und Wälder gebaut, was die beiden fröhlich stimmte.
Sie wussten nicht, ob sie es ganz ohne Natur in der Umgebung geschafft hätten.
Auf dem Weg hierher mit einem kleinen Flugzeug, oder einem Jet, wie Logan ihr erklärt hatte, waren sie über zwei gigantische Städte geflogen, und sie hatten schon Angst gehabt die Schule läge in einer dieser Städte.
Das Gebäude der Schule war riesig, noch einmal größer als es von außen schien.
Sie hatten sich einmal mit dem Aufzug verfahren und plötzlich in einem langen, unterirdischen Gang gestanden.
Keiner der beiden wussten, ob sie sich dort aufhalten durften, und sie fühlten sich vom Professor beobachtet, also fuhren sie schleunigst wieder hinauf in die belebten Gänge.
Keiner der Schüler hatte sie schon richtig bemerkt, wahrscheinlich kamen ständig neue Schüler.
Nur Sergej wurde hin und wieder verwundert betrachtet, aber niemand fragte weiter nach.
Als Rebecca Abends das erste mal auf ihre Zimmergenossinnen traf, war schnell klar dass zwischen den Mädchen keine Freundschaft entstehen würde.
Rebecca fand sie zu eingebildet, und den Mädchen war sie unheimlich.
Auch in der nächsten Woche fand sie keinen Anschluss.
Zu wenig an Gesellschaft gewohnt war sie der Meinung der anderen Schüler nach.
Sie redete wenig, verstand die meisten Scherze nicht und war oft unabsichtlich unfreundlich.
Niemand schien so richtig zu verstehen wie es war, jahrelang ohne Menschen zu leben, niemand schien sie zu verstehen.
Rebecca war sich sicher, dass sie es ohne Sergej bestimmt nicht auf dieser Schule ausgehalten hätte. So aber schlugen beide gemeinsam sich durch.
Liebend gerne hätte Rebecca, wie die meisten anderen Menschen, am Kampftraining teilgenommen, doch stattdessen bekam sie Einzelunterricht in Schreiben, Lesen und Rechnen.
Das alles musste sie von Grund auf lernen, woher hätte sie es denn auch können sollen?
Während den ersten Monaten wurde es zu ihrem Hobby, das Schulgebäude zu erkunden.
Und so stieß sie auch irgendwann wieder auf das unterirdische Gängesystem.
Sie sprach Wolverine, der Mann der sie mit abgeholt hatte und einer ihrer Lehrer war, darauf an.
Er erklärte ihr jedoch dass er ihr nichts sagen durfte.

Sobald sie Lesen und Schreiben konnte, fing ihr die Schule an Spaß zu machen.
Sie schrieb Bestnoten in allen Fächern,
Herausragend war sie aber vor allem in Geschichte, Geographie und in den Sprachen.
Woher auch immer, sie verstand jede Sprache und konnte sie sofort fließend sprechen.
So verging die erste Zeit an Professor Xaviers Schule für beschenkte Jugendliche, und schon bald würde Rebecca's erstes Training sein.

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