Wahrheit

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Als sie gerade den Gang zum Labor entlang ging, hallten ihr die leisen Stimmen eines Gesprächs entgegen.
Ein Frau redete eindringlich auf jemanden ein, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte.
Ein eiskalter Schauer jagte über ihren Rücken als sie die Stimme erkannte, und die Härchen an ihren Armen stellten sich auf.
Was zum Teufel machte Maria Hill bei Bruce Banners Labor?
Hier lief irgendetwas hinter ihrem Rücken.
So leise es ging schlich sie näher entlang und schaffte es, sich in einer Nische fast direkt vor den beiden zu verstecken.
Laut und deutlich hörte sie das Gespräch von Hill und der anderen Person, die verdeckt für Rebecca gegenüber von Hill stand.
"Wie das bei Rogers möglich war wissen wir. Aber sie?
Bruce, du hast gesagt sie hat kein Serum im Blut, lag nicht konserviert im Eis und ist trotzdem hier!
Wie kann das sein?"
Sie unterhielt sich mit Banner, der gerade zu einer Antwort ansetzte. Und eine dunkle Vorahnung sagte Rebecca, dass es hier um sie ging.
"Ich habe auch nur eine Theorie, Maria. Ich habe Kontakte zu Professor Xaviers Schule, bis auf ihre Behausung gibt es keinen Hinweis darauf dass sie im Wald ihre Fähigkeiten eingesetzt hat. Ich glaube sie hat sich selbst... zurückgehalten."
Banner schien nach dem richtigen Ausdruck zu suchen.
"Du meinst sie hat sich selbst in so etwas wie einen Energiesparmodus geschalten?"
Dee Hulk schnipste.
"Genau, das trifft es."
"Aber wenn sie im Sparmodus war, was passiert dann wenn sie ihre Fähigkeiten jetzt voll einsetzt?"
Einen Moment lang herrschte schweigen.
"Entweder sie wird immer stärker..."
"Oder sie könnte jeden Moment zusammenbrechen."
Fassungslos stolperte Rebecca aus ihrer Deckung hervor.
Ihr Blick traf sich mit Hills.
War das Mitleid in ihren Augen?
Wortlos hastete Rebecca davon.
Keinem von beiden, weder Bruce noch Maria, kam in den Sinn ihr nachzulaufen und ihr das Gespräch zu erklären.
Wenn ihr niemand richtige Antworten gab musste sie sich die wohl selbst beschaffen.
Ohne anzuklopfen stürzte sie in Furys Büro.
Fury, der am Schreibtisch saß und gerade etwas am Computer erledigte, blickte sie erschrocken an.
"Fierce, was zum...?"
Rebecca stützte sich am Tisch ab und lehnte sich so nah an Fury nur irgend möglich.
"Ist Fierce mein richtiger Nachname oder haben sie das auch abgeändert? Ihnen scheint es ja herzlich recht zu kommen dass ich keine Erinnerungen habe. Heiße ich überhaupt Rebecca?
Na los, sagen sie es mir!"
Sie war ziemlich laut geworden, aber das war ihr egal.
Sollten doch die anderen Agenten erfahren was für ein verlogener Mistkerl ihr Boss war.
"Beruhigen sie sich, Rebecca."
"Beruhigen? Ich soll mich beruhigen, währen Banner mit Hill darüber redet dass ich jederzeit zusammenklappen könnte? Was soll das, warum belügen sie mich, hm?
Wissen sie eigentlich wie viel Mühe ich mir hier bei S.H.I.E.L.D gebe? Ich trainiere neun Stunden am Tag und habe das Gebäude seit meiner Ankunft nicht verlassen! Sie danken mir für meine Mühen mit Lügen?
War ich überhaupt jemals in diesem Wald oder haben sie mich auf kranke art und Weise irgendwie manipuliert?"
"Sie waren 92 Jahre lang in diesem Wald!"
Brüllte Fury plötzlich.
Er stand auf und kam ihr bedrohlich nahe, sodass ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter trennten.
Entgeistert fuhr Rebecca zurück.
"Zweiundneunzig..."
Flüsterte sie geschockt.
"Wie, wie kann das sein? Wann, wie?"
"Wir wollten ihnen nichts sagen bis wir näheres über ihren Zustand wissen. Sie haben ja anscheinend gehört, was Banner erklärt hat. Also haben wir ihr Geburtsdatum geändert."
"Wann wurde ich wirklich geboren? Und was ist mit dem Rest?"
"Der Rest entspricht den Informationen, die wir ihrer Geburtsurkunde entnehmen konnten."
"Kann... Kann ich sie sehen?"
Ihre Stimme war nur noch ein hauchen.
Fury nickte und holte aus einer Schublade neben sich eine Akte.
"Wir haben nicht viel, ich schwöre ihnen, das ist alles was wir über sie wissen."
Nick Fury bemühte sich, beruhigend zu klingen.
Dabei machte ihm die Tatsache, eine Art zweiten Steve Rogers in den Reihen zu haben, Angst.
Viel zu oft hatte er sich schon auf die gute, alte Sterblichkeit verlassen müssen.
Rebecca schnappte sich Wortlos die Akte und verließ das Büro mit einem Türknallen.
Neben der Tür brauchte sie einen Moment zum verschnaufen.
Verzweifelt lehnte sie sich gegen die kühle Wand und Atmete tief durch.
Ein paar Agents warfen ihn im vorbeigehen teils anerkennende, teils misstrauische Blicke zu.
Zwei trauten sich sogar zu tuscheln.
"WAS?"
Rief Rebecca ihnen hinterher.
Ängstlich drückte sie ihre Akte an sich, dann rannte sie los.
Wohin auch immer, sie brauchte einen ruhigen, ungestörten Ort um ihre Akte zu lesen.
Sie fand einen stillen, abgelegenen Gang, in dem sie sich an der Wand neben einer der Türen hinabsinken ließ.
Eine unheimliche Ruhe überkam sie, während sie die Akte durchging.
Es gab eine Geburtsurkunde, ein paar Informationen zu ihrem Geburtstag, und ein paar Informationen über ihre Mutter.
Aufgrund ihres Adels gab es Stammbäume und ein paar Fotografien, alles in der Akte.
Über ihren Vater gab es hingegen weniger, er war nur ein normaler Bürger Frankreichs gewesen.
Auf einmal ergab auch der Umzug nach Amerika mit vier Jahren Sinn- 1915 hatte in ganz Europa Krieg geherrscht.
Anscheinend hatte sie bis zum Tod ihrer Eltern im Landsitz einer entfernten Verwandten ihrer Mutter gewohnt.
Diese hatte sie schließlich auch ins Waisenhaus gesteckt.
Erst als sie die Photos ihrer Mutter und das eine ihrer Eltern, zusammen mit ihr sah, begann sie zu schluchzen.
Dieser Wald hatte ihr alles genommen, und zwar war es unsinnig die Schuld auf ein Stück Land zu schieben, aber es tat gut wenigstens irgendetwas die Schuld zu geben.
Zwar war ihr das schon irgendwie klar gewesen, dass sie niemanden aus Sergej mehr hatte, aber nun hatte sie die Gewissheit, das jeder, der sie vor dem Wald gekannt hatte tot war.
Sergej musste wohl gespürt haben, dass sie alleine sein wollte, denn er suchte nicht nach ihr.
Entfernungen spielten bei ihrer Kommunikation keine Rolle.
Während sie den Tränen freien Lauf ließ, störte eine ganz andere Person die Ruhe des Ganges.
Steve Rogers wollte eigentlich nur in seine Wohnung, neben derer Tür saß jedoch jemand mit unverwechselbaren schwarz- weißen Haaren.
Sie hatte die Knie eng an den Körper gedrückt, mit den Armen umschlungen und die Stirn auf den Knien abgelegt.
Wenn man genau hinhörte, konnte man sie leise schluchzen hören.
"Was willst du?"

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