Alles?

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In den ersten beiden Runden verlor Rebecca knapp gegen den Simulator.
Sie hatte Natasha die zweithöchste Stufe einschalten lassen, und für einen Anfänger schlug sie sich keineswegs schlecht.
Trotzdem merkte sie, wie der Ehrgeiz in ihr  brodelte, sie wollte sich endlich einmal beweisen.
Schließlich kam ihr eine Idee: Um ihren Hals hing wie immer die Kette mit den Eicheln.
Bevor sie Romanoff das Signal zum Starten der nächsten Runde gab schraubte sie zwei der Eicheln aus ihren Halterungen und nahm je eine in eine Hand.
Lächelnd fühlte sie das schlummernde Leben in den Früchten und ließ die Eicheln langsam sprießen, bis die Sprösslinge etwa zwanzig Zentimeter hoch waren.
Jetzt kam der harte Teil.
Leben brauchte Wasser, und in ihren Händen konnten Pflanzen nur wachsen wenn sie Kontakt mit Rebeccas wichtigsten Körpersaft hatten: Ihrem Blut.
Je größer eine Pflanze in ihren Händen wuchs, je größer wurden die Wurzeln und je tiefer drangen sie durch ihre Haut.
Es tat nicht weh, sie heilte fast so schnell wie Wolverine, war aber trotzdem jedes mal ein merkwürdiges Gefühl.
Eine Art Kribbeln, das sich über den ganzen Körper verteilte.
Grimmig nickte sie Natasha zu.
Sie wusste was sie zu tun hatte.
Je länger sie kämpfte, desto mehr Agents versammelten sich um den Glaskasten und sahen mit teils offenen Mündern dem Schauspiel zu, das sich ihnen darbot.
Wie ein Berserker kämpfte Rebecca gegen die Holographischen Soldaten.
Teilweise erledigte sie sie mit einfachen Faust- und Fußhieben, größtenteils aber mit den Ästen, die aus ihrer Hand zu wachsen schienen und wild um sie herum peitschten.
Die Hologrammsoldaten lösten sich im Sekundentakt auf, durchbohrt von Ästen oder geschlagen mit Händen und Füßen.
Während des Kampfes überkam Rebecca eine unheimliche Ruhe. Ihre Sinne schienen wacher als sonst, und ihr Geist befand sich in einer schon fast meditativen Art der Konzentration.
In ihrem Kopf, durch den Sonst tausende Gedanken wehten, wurde es ruhig, und das gefiel Rebecca.
Erst nach der fünften Runde, Natasha hatte einfach immer weitergeschalten, kam sie wieder zu sich.
Schwer atmend stand sie in der Mitte des großen Glaskastens, und die Schaulustigen Agents entschwanden, teils miteinander murmelnd.
Als sie sich sicher war, dass niemand ihr unbekanntes zusah, ließ sie die Äste schweren Herzens vertrocknen und zog die kleinen Wurzeln vorsichtig aus ihrer Haut.
Als sie aufblickte sah sie zufällig, wie sich Captain Rogers entgeistert abwandte und die Trainingshalle verließ.
Sie konnte nicht anders als hinter seinem Rücken eine kindische Grimasse zu ziehen.
Sie verließ den Simulator und merkte erst im gehen wie sehr sie sich verausgabt hatte.
Sie lief zum Schaltpult, schnappte sich ihre Wasserflasche, die dort stand, und leerte diese in einem Zug.
Natasha blickte sie ungläubig an und griff dann nach ihren Armen, an denen sich die kleinen Wunden von den Pflanzen gerade schlossen.
"Wie- das ist unglaublich."
Andächtig strich sie über die Stellen an ihren Armen, an denen gerade eben noch Löcher in der Haut gewesen waren.
"Jaja, ich weiß, großartig und so, aber wenn du mich entschuldigst, ich muss ins Bett."
Irgendwie schaffte es Rebecca sogar in ihr Appartement, in dem sie halb ohnmächtig, noch in voller Trainingsmontur, auf ihr Bett fiel und einschlief.
Am nächsten Morgen, sie hatte da Abendessen verschlafen, wachte sie verwirrt auf und brauchte einen Moment, um sich zu erinnern warum sie ihre Kleidung noch anhatte.
Währenddessen sprang Sergej zu ihr aufs Bett.

Zur Info, ganz S.H.I.E.L.D ist in Aufruhr. Alle reden über dich.

Gerade fiel es ihr wieder ein.
Ganz in Gedanken strich sie Sergej durch das wunderschöne, weiße Fell mit den schwarzen Streifen.

Meinst du Fury will mich nach der Aktion im Simulator gestern noch hier haben?

Der Tiger rollte auf den Rücken und begann das zu tun, was man bei ihm Lachen nennen konnte.

Jap. Du bist mächtig, talentiert und gewillt gutes zu tun. Bestimmt wirft er dich raus.

Rebecca zog ihrem Freund eine Grimasse und kletterte über ihm hinweg aus dem Bett.
Zuerst ging sie duschen, dann zog sie sich an und ging Frühstücken. Sie war froh nicht auf die S.H.I.E.L.D -Kantine angewiesen zu sein, wo sie alle jetzt bestimmt angestarrt hätten.
Nach dem Frühstück wurde sie von Fury gerufen.

Ich hab doch gesagt er wirft mich raus.

Sergej legte ihr beruhigend eine Pfote auf ihren Arm.

Bestimmt geht's um was anderes.

Und was sollte etwas anderes sein?

Nun selbst etwas entmutigt folgte Sergej Rebecca einfach in Furys Büro.
Dort war jedoch nicht nur der Director anwesend, sondern auch Maria Hill.

"Sie haben mich rufen lassen?"
Fury nickte und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber.
"Setzen sie sich doch."
Die Szene erinnerte sie unangenehm an den Tag, an dem Rogers sie in der Schule abgeholt hatte.
"Ich stehe lieber."
"Auch gut. Wie sie bestimmt wissen habe ich Nachforschungen über sie anstellen lassen, geleitet von Mrs. Hill."
Hill nickte Rebecca zu.
"Ja. Was ist damit? Haben sie etwas herausgefunden?"
Ängstlich blickte sie zu Sergej und setzte sich dann doch auf den Angebotenen Stuhl.
"Ja. Und das wird ihnen nicht gefallen."
"Sagen sie schon."
Fury setzte nur zögerlich zur Antwort an.
"Nach langem stöbern konnten wir Ihre Geburtsurkunde finden. Hill, könnten sie bitte?"
Maria nickte und redete weiter.
"Ihr Name ist Rebecca Fierce, sie sind 1992 nahe Paris geboren worden, als Tochter eines Armenarztes und einer englischen Adligen.
Mit vier Jahren sind sie in die Nähe von Boston aufs Land gezogen.
Ihr Vater starb ein Jahr später, ein weiteres Jahr später brachte sich ihre Mutter um.
Sie kamen in ein Waisenhaus, und als sie sieben Jahre alt waren sind sie bei einem Zoobesuch spurlos verschwunden.
An diesem Tag ist auch ein Tigerjunges aus dem Zoo verschwunden.
Den Rest wissen sie ja selbst."
Rebecca sank ein wenig in ihrem Stuhl zusammen, war aber nicht so geschockt, dass sie das komische Verhalten Hills nicht merkte.
Immer wieder blickte sie sie Schuldbewusst zu Fury, als suche sie bestätigung, und sie wirkte auf Rebecca auch nicht so als wäre das schon alles gewesen.
"War das alles? Sonst haben sie nichts gefunden?"
Maria nickte.
"Ich... Danke ihnen."
Ohne ein Wort stand Rebecca auf und verließ Furys Arbeitszimmer.
Irgendwie spürte sie, dass etwas an diesen Informationen nicht stimmte.
Etwas wesentliches wurde ihr verschwiegen.
Sie erzählte jedoch niemandem, auch Sergej nicht, von ihrer Vermutung, sondern streifte einfach ziellos durch das Gebäude, das sie seit ihrer Ankunft nicht mehr verlassen hatte.
Irgendwann, über New York dämmerte es bereits, machte sie sich auf den Weg in Banners Labor.
Sie brauchte Ablenkung, und vielleicht hatte Bruce schon ihre Blutwerte.

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