Inzwischen war es dunkel draußen und das Essen so gut wie beendet. Meine Gesangsvorführung, wie ich es nannte, kam Gott sei Dank, nicht mehr zur Sprache. Beide Jungs waren der Meinung, ich hätte echt Talent, aber ich fand ich war ziemlich aus der Übung.
"So meine Lieben.", verkündete Jake nun. "Der letzte Gang für heute Abend." Und mit diesen Worten servierte er uns den wohl leckersten Nachtisch, den ich in meinem Leben jemals gegessen haben sollte.
"Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst.", stellte ich überrascht fest und war froh, dass ich so ein weites T-Shirt angezogen hatte. Alles andere wäre sonst wohlmöglich schon geplatzt. Jake war ein hervorragender Koch. Das musste man wirklich so sagen.
Ich hatte heute Abend das beste BBQ seit Ewigkeiten gegessen.
"Tja, du weißt einiges nicht." Er zwinkerte mir zu, während ich einen weiteren Schluck aus meiner Bierflasche nahm.
"Oh bitte.", lachte ich. "Verschon mich mit Details."
Chris stimmte in mein Lachen mit ein und trank ebenfalls.
"Dann guten Appetit.", wünschte Jake und ich machte mich über die Süßspeise her. Ich konnte gar nicht sagen, was genau ich da gerade aß. Nur das es lecker war. Okay das war untertrieben. Es war ein absoluter Geschmacksorgasmus. So wie eigentlich alles an diesem Abend. Wie hatte er das nur so schnell und dann so gut vorbereiten können?
"Das war mehr als perfekt.", schwärmte Chris als wir alles abgeräumt hatten und nun alle auf den Gartenmöbeln saßen und den Geräuschen der Nacht lauschten.
"Oh ja, das war es.", pflichtete ich ihm bei und ich konnte Jake zufrieden grinsen sehen.
"Ein großes Lob an den Koch.", sagte Chris und ich stimmte ihm erneut zu.
Natürlich war mir nicht entgangen, dass er mir den ganzen Abend schon schöne Augen machte und ja, er gefiel mir auch. Allerdings nicht so sehr wie Adrien.
Würde ich Adrien nicht kennen, hätte ich mich schon längst auf Chris gestürzt. Aber mein Herz und Jake sorgen dafür, dass ich nicht vergaß wem ich bereits "gehörte".
"Also eins müsst ihr mir noch erklären.", bat Chris und nippte an seiner Flasche. "Ihr seid nicht verwandt. Keine Geschwister, Cousins oder so etwas?", fragte er und Jake und ich schüttelten synchron den Kopf.
"Das heißt ihr seid zusammen, oder?", riet er weiter und man sah die Enttäuschung in seinen Augen aufblitzen.
Die alte Talia klatschte begeistert. Ihr gefiel das Spiel mit dem attraktiven Mann neben ihr.
Aber dieser Mensch war ich nicht mehr. Warum sollte ich also so sein wie er?
"Um Gottes Willen, nein.", lachte ich und auch Jake gluckste belustigt vor sich hin.
Chris atmete erleichtert auf. "Gut." Er grinste mich an. Offenbar dachte er, er hätte eine Chance bei mir. Aber ich musste ihn leider enttäuschen. Ich war schon vergeben, falls man eine Beziehung mit einem Wesen der Nacht, von dem man nicht einmal wusste ob es noch lebte, so nennen konnte.
Doch das konnte der Arme alles natürlich nicht wissen. Das ging weit über seine Vorstellungskraft heraus.
"Und wie steht ihr dann zu einander?" Ein wenig Verzweiflung, gemischt mit Hoffnung schwang in seiner Stimme.
Jake und ich wechselten einen Blick. Ich deutete ihm, dass er das ruhig erklären sollte. Ich wusste nicht, wie weit ich was sagen sollte und was lieber nicht. Am Ende verriet ich noch etwas ganz geheimes und wir mussten wieder fort von diesem Ort.
"Talia ist die kleine Schwester, die ich immer haben wollte.", begann Jake schließlich. "Kennengelernt haben wir uns über einen gemeinsamen Freund. Tja und seit dem sind wir eigentlich unzertrennlich." Besser hätte ich es nicht sagen können. Es entsprach der Wahrheit. In gewisser Weise
Chris sah uns nacheinander an. "Okay. Das klingt ja spannend. Ich hätte wetten können, ihr seid ein Paar. So liebevoll wie ihr mit einander umgeht."
Jake lächelte. "So macht man das in einer Familie eben." Seine Worte zauberten mir ein Lächeln auf die Lippen.
"Und Eltern sind bei euch beiden wohl Fehlanzeige.", stellte unser Nachbar fest und grinste.
"Meine sind verunglückt als ich noch recht jung war.", erklärte Jake und deutete mir meine Geschichte über die verschwundenen Eltern zu erzählen.
"Ich bin von zu Hause abgehauen. Meinen Vater kenne ich nicht und meine Mutter hat sich nicht für mich interessiert. Wenn du mit Ablehnung aufwächst, weißt du wann es Zeit ist zu gehen." Ich war überrascht wie locker mir diese Lüge über die Lippe kam. Auch wenn es zu einem kleinen Teil der Wahrheit entsprach.
"Oha.", machte Chris nur. "Aber das heißt ja, dass ich noch die Chance habe dich zu einem Date einzuladen.", hauchte er mir dann ins Ohr und lächelte so ein typisches Bad-Boy-Lächeln. Und was tat ich? Ich schmolz dahin. Tja, ich war irgendwo auch nur eine Frau.
Bevor ich etwas antworten konnte, fuhr Jake dazwischen.
"Nein, mein Freund. Da muss ich dich enttäuschen.", lachte er. "Sie ist bereits vergeben."
Verwirrt sah Chris ihn an.
"Ich habe dir doch von dem Freund erzählt, über den wir uns kennengelernt haben.", erinnerte Jake ihn.
"Ja und?", fragte Chris und trank sein Bier.
"Nun ja. Das ist ihr Verlobter.", erklärte Jake.
Chris prustete sein Bier durch die Gegend, während ich ihn fassungslos ansah.
"WAS?", schrieen wir beide. Chris überrascht. Ich entgeistert.
Das war mir aber neu. Wie konnte ich mit jemandem verlobt sein, von dem ich noch nicht einmal wusste, ob er überhaupt noch lebte?
Jake sah erst Chris an, danach mich. Dann rollte er mit den Augen.
"Ja eigentlich war es eine Überraschung aber...", meinte er und zuckte mit den Achseln.
Wütend starrte ich ihn an.
"Sie ist 19!", warf Chris überrascht ein und starrte Jake an, als hätte er ihm eben gesagt, dass unser Planet von Aliens überfallen wird.
"Ja und? Wenn sie sich lieben.", meinte Jake achselzuckend, während ich nur entrüstet schnaufte.
"Das glaube ich nicht!" Ich schüttelte den Kopf. Der Adrien-Fanclub in meinem Herzen schrie begeistert auf und fiel in Ohnmacht. Mein Verstand jedoch schickte mir Wellen der Übelkeit und des Unglauben.
Ich konnte nicht glauben, dass der Mann - den ich irgendwo tatsächlich liebte - mir einen Antrag machte, ohne dabei anwesend zu sein!? Oh nicht zu vergessen, dass es ein "Antrag" war, denn ich wahrscheinlich nicht einmal ablehnen konnte, so wie ich Adrien kannte...
"Ich habe damit nichts zu tun.", verteidigte Jake sich und hob ergeben die Hände. Aber ich wusste ganz genau, dass er in diese Aktion involviert war. Mehr als er zugeben wollte sogar!
"Ich bring ihn um.", schwor ich und blickte böse in die Nacht.
"Ich glaube es ist besser, wenn ich jetzt gehe.", entschied Chris und kam wankend auf die Füße. Offensichtlich hatte er ein Bier zu viel.
"Tut mir leid.", sagte ich uns stand ebenfalls auf. "Soll ich dich noch rüber bringen oder schaffst du es alleine?"
Er schüttelte den Kopf. "Ich nehm einfach das Gartentor. Aber danke."
Keine Minute später wankte er durch den Garten. Als er auf seiner Seite ankam, winkte er nochmal. "Danke für den tollen Abend. Das nächste Mal ist bei mir.", rief er und war kurz darauf von der Dunkelheit verschluckt.
Sobald ich mir sicher war, dass Chris nicht mehr in der Nähe war, fuhr ich zu Jake herum.
"Was sollte das?", giftete ich ihn an. "Warum erzählst du ihm so etwas?"
Jake sammelte seelenruhig alle Flaschen ein und stellte sie in den Kasten, der neben dem Grill stand. Mit jedem Schritt den er machte und mir nicht antwortete, wurde ich wütender. Der Alkohol war wohl auch nicht ganz unschuldig...
"Weil es wahr ist.", entgegnete er dann endlich und stellte sich mir gegenüber.
"Du nimmst mich auf den Arm.", lachte ich und HOFFTE, dass das nicht sein Ernst war.
"Nein. Ganz im Gegenteil." Er verschwand im Haus und war wenige Sekunden später zurück. In der Hand hielt er eine kleine blaue Box und einen Brief.
"Adrien gab mir die Sachen bevor wir geflohen sind. Er wollte sie dir irgendwann selber geben. Er hat mir gesagt, dass ich es dir geben soll, wenn ich für richtig halte. Er hatte sie im Keller versteckt. Ich habs geholt bevor Cam mich überwältigt hat. Ich glaube du solltest es jetzt kriegen. Bevor du dich unserem Nachbarn noch auf dem Silbertablett präsentierst.", erzählte er und hielt es mir hin.
Ich schüttelte den Kopf. "Das kann ich nicht nehmen."
"Es ist deine Wahl. Aber ich denke, wir wissen beide wie du dich entscheidest. Du liebst ihn genauso, wie er dich.", behauptete er und drückte mir beides in die Hand.
"Du musst dich nicht jetzt entscheiden. Geh ins Bett. Schlaf eine Nacht drüber und lies dann erst den Brief.", schlug er vor.
Ich sah auf die beiden Dinge in meiner Hand und wusste nicht was ich sagen sollte. Kurz: Ich war ziemlich überfordert.
"Geh schlafen.", meinte Jake wieder und schob mich ins Haus.
"Ich denke, das ist das beste.", sagte ich wie in Trance und drehte mich um.
Jake schlang von hinten seine Arme um mich und drückte mich kurz.
"Gute Nacht."
Langsam tapste ich die Treppe hinauf und starrte wie eine Besessene auf das kleine Kästchen. Doch ich traute mich nicht es zu öffnen.
Behutsam legte ich es auf meinen Nachttisch und verschwand ins Bad.
Als ich wiederkam, fiel ich mehr schlafend als wach ins Bett und zog mir die Decke bis unters Kinn. Mit dem Blick auf dem blauen Kästchen schlief ich kurz darauf ein.

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Schwingen der Nacht
FantasíaTalia ist ein 19-jähriges Mädchen, dass ihr Leben in vollen Zügen genießt. An das Gerücht, dass in ihrer Stadt rumgeht glaubt sie nicht wirklich. Darin heißt es, dass jeden Vollmond ein geflügeltes Wesen von unmenschlicher Schönheit in ihrer Stadt...