„Talia!", rief Jake mir hinterher. Aber ich hörte nicht auf ihn. Ich wusste, dass das was ich gerade tat, naiv war.
Es musste nicht Adrien sein. Viele Leute hatten blaue Augen.
Trotzdem war ich mir sicher, dass er es war. Viel zu lange hatte mein Herz sich vor Sehnsucht nach ihm verzerrt. Außerdem würde ich diese blauen Augen überall wieder erkennen.
„Adrien!", rief ich und beschleunigte. Der Regen prasselte auf mich nieder und ich rutschte ein paar Mal auf dem aufgeweichten Boden aus.
Doch nichts davon war von Bedeutung.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich ihn wirklich sah. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, als er mich sah.
„Talia!", sagte er und seine dunkle Stimme übertönte sogar das Rauschen des Windes.
Er lief mir entgegen. Und dann krachten wir zusammen. Seine großen Arme fingen mich auf und ich ließ mich in sie fallen.
„Ich hab dich so vermisst.", flüsterte ich und schlang meine Arme um seinen Nacken. „Tu mir das nie wieder an!"
„Meine kleine tapfere Talia.", seufzte er und drückte mich an sich. „Es ist nicht eine Sekunde vergangen in der ich nicht an dich gedacht habe."
Ich vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge und atmete tief ein. Er war wieder da! Ich hatte meinen Adrien endlich wieder!
Wir lösten uns ein wenig voneinander und blickten uns in die Augen. Keiner von uns konnte glauben, dass er den anderen wirklich im Arm hielt.
„Lass mich nie wieder alleine!", bat ich und ertrank in dem ozeanblau seiner Iris.
„Nie wieder!", versprach er und griff nach meinen Händen. Dann bemerkte er offenbar etwas und sah hinab.
„Du... Du trägst den Ring.", stellte er fest und sein Blick zuckte zwischen dem Schmuckstück und meinem Gesicht hin und her.
„Heißt das...?" Er konnte nicht einmal aussprechen, da nickte ich schon wild.
„Ja! Ich will!", sagte ich und Tränen der Freude liefen mir aus den Augen. „Ich will!"
Adrien brauchte keine Sekunde um den Abstand zwischen uns zu überwinden und dann drückte er seine Lippen auf meine. Seine Hände schlossen sich um mein Gesicht und ich zog ihn noch näher zu mir.
Ich erwiderte den Kuss mindestens genauso stürmisch wie er. All die Sorgen, die Ängste der letzten Tage verschmolzen in diesem Moment zu unendlicher Erleichterung.
Adrien hob mich hoch und ich schlang meine Beine um seine Mitte.
Atemlos trennten wir uns.
Er ließ mich wieder runter, ich lehnte meinen Kopf an seine Brust und lauschte dem Schlagen seines Herzens.
Mein eigenes Herz kochte über vor Freude und Glück. Ich war einfach nur... sorglos.
Alles würde gut werden, dass wusste ich.
Solange Adrien und ich zusammen waren, könnte uns nichts trennen. Nicht einmal Nassim. Dieser Gedanke spendete mir Mut. Wir konnten es schaffen, ihn zu besiegen.
„Talia DeManincor. Klingt gut.", meinte Adrien irgendwann und küsste mich auf die nasse Stirn.
Ich lachte und streckte den Kopf zum Himmel. Adrien hob mich in die Höhe und drehte mich ein paar Mal lachend umher, während er immer wieder „Sie hat ja gesagt!" schrie.
Ich war mir sicher, dass Chris uns sah oder hörte, aber daran verschenkte ich keinen Gedanken. Es war mir schlicht und einfach egal.
Danach küsste er mich erneut. Sanfter dieses Mal. Gott, hatte ich ihn vermisst.
Als es donnerte, zuckte ich zusammen.
Kritisch sah Adrien mich an. „Alles okay?"
„Ich ertrinke im Glück und weit und breit ist kein Ufer zu sehen, aber sonst ist alles mehr als okay.", erklärte ich und grinste verliebt.
Er lachte und ich seufzte. Ich hatte all das vermisst. Seine Blicke. Sein Lachen. Seine Berührungen. Seine Küsse. Alles!
„Wenn es darum geht, sollten wir wohl niemals das Ufer erreichen.", stellte Adrien fest und das Leuchten seiner Augen zeigte mir, dass ich mich richtig entschieden hatte.
„Sehe ich ganz genau so.", pflichtete ich ihm bei und lächelte ihn an.
„Gut, dann lass uns jetzt mal das Haus ansteuern.", entschied er und nahm meine Hand. Er lächelte nochmal als das Silber meines Rings seine Haut berührte. Sanft zog er meine Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf die Innenfläche.
Wohlig seufzte ich auf.
„Warum müssen wir schon wieder rein?", fragte ich leise und dachte an all die Sachen die wir hier draußen jetzt noch machen könnten.
„Weil dir kalt ist.", erklärte Adrien. Und da war er wieder: Mein großer starker Beschützer.
Aber er hatte Recht. Ich zitterte am ganzen Körper.
„Normalerweise würde ich dir jetzt widersprechen...", begann ich, kam allerdings nicht weiter, denn da hatte Adrien mich schon geschnappt und über seine Schulter geworfen.
Lachend protestierte ich und trommelte sanft auf seinen Rücken.
Aber eigentlich wollte ich gar nicht, dass er mich runterließ. Von hier hatte ich einen ausgesprochen guten Ausblick auf seinen Hintern.
„Warum sind wir denn plötzlich so schweigsam, junge Dame?", fragte er.
„Ich habe etwas zum Anschmachten gefunden.", erklärte ich und lachte.
„Oh, ich denke, dass auch ich einen guten Ausblick habe.", behauptete er und gab mir einen liebevollen Klaps auf den Hintern.
Empört kniff ich ihn in seinen Po.
„Autsch.", rief er und setzte mich wieder ab.
Wir waren im Haus angekommen und Jake stand neben uns.
„Danke.", sagte Adrien zu Jake.
„Für was?" Jake schien verwirrt.
„Dass du sie nicht aus den Augen gelassen hast. Sie ist alles was ich noch habe.", sagte Adrien und gab Jake eine brüderliche Umarmung.
„Hab ich gerne gemacht.", wehrte Jake ab und sah mich mit leicht schief gelegtem Kopf an. „Auch wenn sie manchmal ein ziemliches Biest war.", ergänzte er.
Ich zog in meiner „Das-ist-jetzt-nicht-dein-Ernst"-Manier meine linke Augenbraue hoch und sah ihn an.
„Ich hab dich auch lieb.", versicherte ich und warf ihm eine Kusshand zu.
„Oh ich sehe schon, dass es keine ernsthaften Probleme gab.", lachte Adrien. Doch dann wurde sein Blick ernst und ich wusste, dass war mein Moment.
„Ich lass euch dann mal alleine. Ihr müsst bestimmt noch eine Lagebesprechung halten.", warf ich in den Raum und wandte mich zum Gehen. Eine heiße Dusche wäre jetzt schön. Und trockene Kleidung.
Danach ein gutes Buch und meinen Tee. Oh und Adrien neben mir im Bett wäre auch nicht schlecht, zählte ich in Gedanken meinen Plan auf.
Letzterer nickte mir zu. „Lass dir Zeit, kleine Frostbeule.", neckte er mich.
„Pfft. Wir können ja nun mal nicht alle so heiß sein, wie du.", gab ich zurück und lachte.
„Stimmt genau.", meinte er selbstverliebt und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, als ich an ihm vorbeigehen wollte.
„Bilde dir da ja nichts drauf ein, DeManincor.", sagte ich noch und lief dann die Treppen hoch.
"Würde mir niemals in den Sinn kommen.", hörte ich ihn lachen, während ich den Flur zu meinem Zimmer entlangging.
Ich ertappte mich wenige Minuten später wie ich den Spiegel im Bad verträumt angrinste. Schnell schüttelte ich den Kopf und entledigte mich meiner nassen Kleidung.
Adrien war wieder bei mir! Noch konnte ich mein Glück kaum fassen. Das Schicksal meinte es ausnahmsweise wohl einmal gut mit mir.
Mit einem zufriedenen Zug auf den Lippen stieg ich unter die Dusche und ließ warmes Wasser auf meinen Körper fallen.
Die Erinnerung an Adriens ersten Kuss im Regen eben, ließ mich erröten. Er war so unglaublich leidenschaftlich gewesen.
Mit dem Zeigefinger fuhr ich mir über das Gesicht in der Hoffnung, den Gedanken daran abzuschütteln. Wirklich gelingen wollte es mir jedoch nicht.
So verließ ich einige Zeit später, nur mit einem Handtuch um den Körper, das Bad wieder und tapste leise in mein Zimmer.
Der Raum war dunkel und ich nicht gewollt, das Licht einzuschalten. Es gab keinen Grund sich vor den Schatten zu fürchten, solange Adrien im selben Haus wie ich war.
Ich musste nur an seinen Namen denken und mein Herz begann wilde Bahnen zu ziehen. Es war unglaublich, was dieser Mann mit mir innerhalb kürzester Zeit anstellte.
Und auf der einen Seite wollte ich ihn dafür erwürgen. Wahrscheinlich hätte ich diesen Plan sogar in die Tat umgesetzt, wenn Adrien mir nicht so viel bedeuten würde.
Das rutschende Handtuch riss mich aus meinen Gedanken und so zog ich es schnell fester, bevor es sich komplett verabschieden würde.
Danach schlüpfte ich in meine Jogginghose und zog einen BH an. Als ich feststellte, dass mein Lieblingstop nicht an der Stelle lag, an der ich es zurückgelassen hatte, stemmte ich verwirrt die Hände auf die Hüfte und ließ meinen Blick nachdenklich über den Kleiderschrank gleiten.
"Suchst du das hier?", ertönte auf einmal eine dunkle Stimme hinter mir.
Erschreckt drehte ich mich um und entdeckte Adrien, der mit einem dunklen Stoffballen über dem Arm an der Wand mir gegenüber lehnte.
"Wie lange stehst du schon hier?", fragte ich entsetzt und versuchte meinen
"Lange genug.", antwortete er nur und lächelte verwegen.
"Ist das da mein Oberteil?" Ich deutete auf den schwarzen Knäul in seiner Hand.
Adrien neigte den Kopf und blickte auf den Stoff in seiner Hand. "Ich weiß nicht."
Ich erkannte selbst von meinem Platz aus, dass es sich dabei um mein T-Shirt handelte.
"Gibs her!", forderte ich und streckte meine Hand in seine Richtung. "Es passt dir eh nicht!"
"Nein.", sagte er bloss und grinste mich herausfordernd an.
"Dann behalt es!" Ich zuckte mit den Schultern und drehte mich zu meinem Kleiderschrank um.
"So war das aber nicht geplant.", erklang Adriens Stimmte plötzlich hinter mir.
Erschreckt zuckte ich zusammen und fuhr zu ihm herum.
"Bist du wahnsinnig?!", fuhr ich ihn an.
Er kam noch einen Schritt näher. Das Oberteil flog unbeachtet in irgendeine Richtung. Es war mir egal. Mein Blick war gefangen in dem von Adrien.
Ich ließ zu, dass seine Hände sich um meine Taille legten und mich zu ihm zogen.
Seine Lippen waren nur wenige Zentimeter von den meinen entfernt und dieses Mal war ich die Person die die Distanz als erste überbrückte.
"Ich hab dich so vermisst.", gestand Adrien als wir uns kurz voneinander lösten um Luft zu holen.
Ich lächelte. "Dann geh nicht wieder fort."
"Nie wieder!", versprach er und zog mir das Top über den Kopf, dass ich erst vor wenigen Minuten angezogen hatte.
In seinen Augen sah ich das Begehren und könnte schwören, dass meine genauso funkelten.
Ich sprang Adrien beinahe an, als er das nächste Mal meine Lippen mit seinen versiegelte.
"Bist du sicher?", fragte Adrien leise und hielt mich ein wenig von sich fort.
"Ganz sicher.", meinte ich selbstbewusst und lächelte ihn an.
DU LIEST GERADE
Schwingen der Nacht
FantasyTalia ist ein 19-jähriges Mädchen, dass ihr Leben in vollen Zügen genießt. An das Gerücht, dass in ihrer Stadt rumgeht glaubt sie nicht wirklich. Darin heißt es, dass jeden Vollmond ein geflügeltes Wesen von unmenschlicher Schönheit in ihrer Stadt...