Bis zum Samstag verlief meine Zeit ungewöhnlich gut, es kam mir beinahe so vor, als würde Marie sich überhaupt nicht mehr für mich interessieren. Vielleicht hatte Robin ihr tatsächlich ins Gewissen geredet und Marie hatte eingesehen, dass sie nicht nett gewesen war. Jedoch hatte ich in den letzten Jahren gelernt, die Dinge nicht allzu hoffnungsvoll zu betrachten und war mir deshalb fast sicher, dass sich nicht alles so plötzlich geändert hatte. Vielleicht bereitete Marie sich auch schon auf ihren nächsten großen Anschlag vor und ihre stille war so etwas, wie die letzte Ruhe vor dem großen Sturm.
Ich traf mich aber inzwischen so oft mit Robin, dass ich kaum noch die Zeit fand, meinen paranoiden Gedanken nachzugeben. Wir redeten die meisten Zeit und er war wirklich ein erstaunlich guter Zuhörer, außerdem fühlte ich mich bei ihm einfach geborgen. Wir hatten angefangen uns über alte Geschichten zu unterhalten, hatten so viel Spaß dabei, in die Vergangenheit abzutauchen, dass ich für einen Moment sogar vergessen konnte, was sich in den letzten Jahren alles geändert hatte. Wenn ich mit Robin zusammen war, ging es mir einfach gut und ich fühlte mich lebendig.
Am Freitag, als wir nebeneinander im Kino saßen und uns einen Film ansahen, den er unbedingt mit mir zusammen sehen wollte, griff der Braunhaarige langsam nach meiner Hand. Zuerst spürte ich nur, wie sich unsere kleinen Finger auf der Lehne berührten, traute mich aber nicht, hinzusehen. Es war dunkel genug im Raum, sodass es niemandem möglich war, die röte in meinem Gesicht zu erkennen und ich mich ganz meinen Empfindungen hingeben konnte. Als sich meine Hand auf einmal von Seiner umschlossen fühlte, wurde mir ganz warm. Ich erwiderte den Griff natürlich und genoss es, als er die Distanz zwischen uns zum schwinden brachte und seinen Kopf zu mir herunter beugte.
Der Film lief währenddessen ununterbrochen weiter, doch ich nahm die weibliche Stimme, die in diesem Moment hysterisch nach ihrem Ehemann rief, kaum noch wahr, denn meine Sinne konzentrierten sich nur noch auf diese eine Sache: Die Lippen von Robin, die meinen immer näher kamen! Ich schloss automatisch meine Augen und wartete sehnsüchtig auf den Druck, den Robin auf meinen Lippen auslöste. Das Gefühl war unbeschreiblich schön, es war besser als ich es mir vorgestellt hatte. Als seine Lippen meine berührten, schien ein Stromschlag durch meinen Körper zu treiben, der meinen ganzen Körper ausfüllte. Ich fühlte mich mehr als lebendig, ich fühlte mich aufgeregt und berauscht und einfach nur glücklich!
Leider nahm der Abend ein abruptes Ende als sich Robin von mir löste, doch ich hatte sowieso eine Menge über das ich nachdenken musste. Er hatte mich tatsächlich geküsst! Wenn ich vorher schon ein leichtes kribbeln gespürt hatte, war es nichts im Gegensatz zu dem, was ich in dem Augenblick fühlte.
Erst ein paar Stunden später, als ich wach in meinem Bett lag und mich immer wieder von der einer Seite auf die Andere drehte, kamen mir Zweifel. Wieso war er direkt nach dem Film abgehauen? War ich so schlecht im küssen? Hatte er gemerkt, dass ich noch keine Erfahrungen gemacht hatte? Hatte es ihn abgeschreckt oder womöglich sogar vertrieben? Dabei hatte er doch den Rest des Films darauf bestanden meine Hand zu halten, selbst als ich sie kurz loslassen wollte, um etwas zu trinken, hatte Robin es nicht zugelassen. Es schien ihm auch gefallen zu haben – hoffte ich zumindest.
Am Samstag war es dann so weit. Ich befand mich völlig erschöpft von der schlaflosen Nacht bei Paps in der Küche und wurde genötigt, ihm bei den Vorbereitungen zu helfen. Ich wollte keinen Besuch bekommen, erst recht nicht von Alec, ich wollte viel lieber den Tag in meinem Zimmer verbringen und über die Reaktion von Robin grübeln. Als wir einmal kleiner waren und zu dritt in unserem Garten gespielt haben, sind er und mein Bruder auf einen der Bäume geklettert. Ich hatte jedoch weder die Kraft, noch das nötige Geschick um überhaupt den ersten Ast zu erreichen. Lucas war trotzdem immer weiter geklettert – Robin war derjenige, der mir die Hand gereicht hatte und mir bei den ersten Schritten half.
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Wer nicht kämpft, hat schon verloren
Teen FictionSamantha kann eine Sache besonders gut: Ihre Gefühle verstecken. Wie soll sie auch sonst mit den Schikanen in der Schule fertig werden? Doch das ändert nichts daran, dass sie alleine ist und niemanden hat, an den sie sich wenden kann. Irgendwann tri...