14. Kapitel

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Der Gang nach Hause fiel mir an diesem Tag wesentlich schwerer, als an jedem anderen. Dabei störten mich weniger meine Knie, die erst auf sich aufmerksam gemacht haben, als ich neben Alec auf dem Boden saß und das Adrenalin in meinem Körper abgeflaut war, sodass sie nun mehr schmerzten, als ich es beschreiben könnte, sondern eher die Tatsache dass ich zum einen unbemerkt an Paps vorbeikommen musste, damit er die Wunden nicht sah, und zum anderen, dass ich Lucas früher oder später unter die Augen treten musste.

Kaum bog ich in meine Straße ein, zwang ich meinen Körper mit dem Humpeln aufzuhören. Die ganze Zeit hatte ich Alec gesagt, er solle sich nicht so anstellen, dann würde ich es auch schaffen stark zu bleiben. Zwar waren die roten Flecken auf meiner Jeans unverkennbar, aber vielleicht achtete Paps nicht darauf.

Als ich das Haus betrat war Lucas der Erste der mir begegnete. Er stand auf der Treppe und wirkte mindestens genauso überrascht mich zu sehen, wie ich ihn. Er wohnte zwar hier, aber trotzdem hatte ich bis zur letzten Sekunde gehofft ihm aus dem Weg gehen zu können. In der Schule hatte es schließlich auch geklappt, was hauptsächlich daran lag, dass ich den Rest meines Unterrichts geschwänzt und den Tag in dem leeren Klassenzimmer auf dem Boden sitzend verbracht hatte. „Paps ist nicht da, ich bin aber auch gerade erst gekommen.", informierte mich mein Bruder knapp. Ich konnte die Kälte zwischen uns noch nie deutlicher als in diesem Moment spüren – ich hatte Alec geholfen und nicht ihm.

Da Paps nicht da war, schaffte ich es tatsächlich unbemerkt ins Badezimmer und konnte mich endlich aus meiner Hose befreien. Meine Knie hatten beinahe Augenblicklich nach meinem Treffen mit dem Boden angefangen zu bluten und somit eine offene Wunde hinterlassen, die von rotem Blut, Asphalt und den Resten des Jeansstoffes getränkt war.

Ich biss stark auf meine Lippen, um nicht los zu schreien, als ich anfing die Wunden mit Wasser und Jod zu säubern, damit sich nichts entzündete. Wieso war ich nur so blöd gewesen und hatte die Jungs ihre Angelegenheiten nicht alleine regeln lassen können? Jetzt hatte ich den Salat.

Sobald meine Wunden gesäubert und mit einem riesigen Pflaster jeweils von der Außenwelt geschützt waren, machte ich mich auf den Weg in die Küche. Durch den ganzen Stress des Vormittags hatte ich vollkommen vergessen etwas zu mir zu nehmen. Auch auf die Gefahr hin, wieder mit Lucas zusammen zu stoßen, kämpfte ich mich die Treppenstufen herunter und ertrug den Schmerz wie ein Löwe.

„Da bist du ja!", rief Paps laut aus, als er mich an der Türschwelle sah. Wann waren er und Elias denn wieder zurück gekommen? Ich hatte weder die Tür, noch ihre Stimmen wahrgenommen. Paps brauchte nur einen Augenblick lang genauer hin zu sehen und schon wusste er, dass etwas nicht in Ordnung war. „Was ist los?", fragte er und mir war klar, dass ich nun schon wieder anfangen musste ihm eine Lüge vorzuspielen. „Du siehst irgendwie blass aus und trägst sonst nie so früh eine Jogginghose." Sprach da wirklich Paps oder doch ein Ermittler vom FBI? Ich sah an mir herunter und hoffte, dass er nicht allzu genau nachfragen würde. Die Hose hatte ich angezogen, weil alle meine Jeans direkt auf den Knien lagen und das wollte ich meinem Körper nicht auch noch antun.

„Mir geht es nur nicht so gut. Keine Sorge, vermutlich habe ich mir nur einen leichten Virus eingefangen.", murmelte ich und bahnte mir mutig den Weg zum Kühlschrank. Paps wich zur Seite, doch war keinesfalls gewillt, diese Unterhaltung zu stoppen.

„Vielleicht sollte ich Hannes anrufen.", spekulierte er und ich fing an mich zu fragen, wie Lucas die ganze Sache verheimlichen wollte. Er hatte unübersehbare Blessuren im Gesicht, wie würde Paps nur darauf reagieren? Er wollte mich schon jetzt ins Krankenhaus bringen – eine Reaktion, die so überfürsorglich wirkte, dass ich mich ernsthaft Fragte, ob er jemals wieder ruhig schlafen können würde, wenn er wüsste, dass sein Sohn heimliche Aggressionen in sich trug, die er, seinem können nach zu urteilen, wohl schon oft ausgelebt hatte.

Wer nicht kämpft, hat schon verlorenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt