Als ich Lucas und Marie entdeckte wurde mir bewusst, wie dumm ich mich eigentlich benahm. Der Kuss der beiden zeigte doch, wie bescheuert Liebe oder Ähnliches sein konnte, wieso nahm ich denn gleich alles so persönlich? Wenn die Anziehungskraft ausgerechnet meinen Bruder mit Marie zusammen gebracht hatte, dann konnte sie doch offenbar nicht klar denken, ergo es lag nicht an mir, dass alles mit Robin den Bach runter gegangen war.
„Die sollen sich endlich ein Zimmer suchen, oder ich kotze Marie gleich Höchstpersönlich auf ihr Kleid!", zischte ich auf dem Sofa zu Becks, die ebenfalls den kurzen Stofffetzen beäugte, den Marie als Kleid bezeichnen wollte. Ihre Absichten waren damit komplett offen gelegt und Lucas schien voll darauf herein zu fallen.
„Das ist eine gute Idee, ich bin dabei! Ob unser Mageninhalt aus dem bisschen Stoff raus geht?", fragte sie nachdenklich und sah Marie genauer an, um dann noch hinzu zu fügen: „Zumindest wird sie nicht viel zum Ausziehen haben." Ich lachte und nahm den wirklich letzten Schluck an diesem Abend – eine Lüge, die ich mir schon seit einer Stunde einreden wollte, doch irgendwie machte das süße Zeug süchtig.
„Mir ist schlecht.", murmelte ich mit dem Glas in meiner Hand und meinte damit nicht nur die Knutschorgie in der mein Bruder verwickelt war – ich hatte eindeutig zu viel Getrunken. Das Zimmer drehte sich schon längst und ich sah mich nicht mehr im Stande von der gemütlichen Couch auf zu stehen, das kam einem Marathon gleich.
„Setzt diese Brille auf und ihr wisst, wie sich betrunkene Leute fühlen.", sagte der Mann in der Polizeiuniform und reichte einem nach dem anderen die Zauberbrille, die uns vor der Gefahr von Alkohol warnen sollte. Ich hatte noch nie Alkohol probiert und hatte es auch eigentlich nicht vor, doch neugierig war ich schon.
„Gleich bin ich dran!", rief Lucas freudig. Wir waren gerade mal in der fünften Klasse und das war seit langem das interessanteste, das in der neuen Schule bis jetzt passiert war. Wann bekam man auch schon mal die Chance sich betrunken zu fühlen, ohne den ekligen Alkohol zu trinken?
„Ich bin mal gespannt.", antwortete ich leise und sah auf die Kinder, die inzwischen schon einen Blick durch die Zauberbrille werfen durften – sie unterhielten sich alle begeistert und lachend miteinander.
Als ich an der Reihe war und mir der Beamte die Brille über den Kopf zog, konnte ich kaum fassen, was sich vor meinen Augen tat. Alles verschwamm und erinnerte mich an den Ausblick, den ich bekam, wenn ich beim Tauchen meine Augen öffnete. Als ich dann auch noch einen Schlüssel vom Boden aufheben sollte, wusste ich nicht welcher der Drei der Richtige war und griff daher ein paar Mal ins Leere. Das war eine Erfahrung die ich nicht einschätzen konnte und trotzdem musste ich lachen – ich hatte es ja nicht einmal geschafft, diesen blöden Schlüssel auf zu heben, wieso taten sich die Erwachsenen so etwas freiwillig an?
Nun hatte ich eine Antwort auf die Frage, denn sie taten sich das an, weil ihre Kindheit vorbei war und sie nun einen Ausweg aus ihren Problemen gefunden hatten. Traurig und melancholisch nahm ich den nächsten Schluck.
„Ich denke wir sollten vielleicht aufhören zu trinken.", sagte Becks und kicherte dabei, nahm jedoch einen weiteren Schluck. „Wir hatten beide schließlich genug. Außerdem bin ich schon zwanzig und sollte daher verantwortungsbewusst handeln.", äffte sie vermutlich ihre Eltern nach und lachte dabei noch mehr – ich tat es ihr gleich.
Als ich am nächsten Morgen wach wurde und die Sonnenstrahlen auf meiner Nase tanzten, brauchte ich ein wenig um die Realität zu verstehen, denn Becks lag neben mir im Bett und mein Kopf schmerzte so stark, dass ich schwören konnte, er würde jeden Augenblick explodieren.
„Vielleicht hätten wir doch ein, zwei Gläser weniger trinken sollen.", murmelte Becks in mein Kissen und vergrub ihr Gesicht so unter der Decke, dass nur noch ihre pinken Haare heraus schauten. Ich stimmte ihr zu und wollte meinen Kopf ebenfalls vor der Sonneneinstrahlung schützen, doch mein Vorhaben wurde von einem lauten Klopfen an der Zimmertür unterbrochen, das mir zusätzlich Nadeln ins Gehirn zu rammen schien. Wie konnte ich nur so viel trinken? Jetzt hatte ich den Salat.
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Wer nicht kämpft, hat schon verloren
Ficção AdolescenteSamantha kann eine Sache besonders gut: Ihre Gefühle verstecken. Wie soll sie auch sonst mit den Schikanen in der Schule fertig werden? Doch das ändert nichts daran, dass sie alleine ist und niemanden hat, an den sie sich wenden kann. Irgendwann tri...