„Verdammt Sam, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht mitkommen!", rief der böse Junge aus, als er mich im Wald entdeckte. Ich hatte mich eine ganze Zeit lang unbemerkt durch das Laub geschlichen, doch nicht bedacht, welche lauten Geräusche ein zerbrechender Ast machen könnte, wenn ich auf ihn trat.
„Ich war aber neugierig!", rief ich zurück und sah zähnefletschend zu dem wütendem Jungen vor mir. Wir waren beide Stur genug, um nicht nachzugeben. Wenn uns niemand trennte, hielten unsere Streitigkeiten so lange an, dass irgendwann keiner von uns mehr wusste, wie es überhaupt zu der Meinungsverschiedenheit gekommen war.
„Du hast doch eigene Freunde, häng nicht immer bei uns rum!", konterte er leicht genervt und raufte sich seine rotblonden Haare, die exakt den gleichen Farbton hatten, wie meine.
„Larissa und Maja haben beide keine Zeit!", meinte ich frustriert. Es war ja nicht so, dass ich nicht versucht hätte, meinen Nachmittag zu verplanen, doch meine engsten Freundinnen konnten an diesem Tag beide nicht und ich hatte nicht vor mich alleine Zuhause zu langweilen.
„Lass sie doch dieses eine Mal mitgehen, es ist ja nur eine Ausnahme.", meinte der andere Junge mit den haselnussbraunen Haaren und genauso tollen braunen Augen beschwichtigend.
„Aber sie kann doch eh nicht mithalten.", antwortete mein blöder Bruder und tat so, als würde ich nicht existieren.
„Sie hat es bis hier hin geschafft, das ist doch schon mal etwas – außerdem könnten wir noch ein bisschen Hilfe bei dem Baumhaus gebrauchen."
„Ein Baumhaus?!", fragte ich überrascht, mit so etwas Coolem hatte ich wirklich nicht gerechnet. Lucas und Robin machten zwar schon seit Wochen ein Geheimnis daraus, wohin sie fast jeden Tag verschwanden, doch nie hatte ich auch nur die Möglichkeit eines Baumhauses in Betracht bezogen. Jetzt war meine Neugier endgültig geweckt.
„Na toll, wieso hast du es ihr verraten?!", motzte Lucas jetzt auch noch seinen besten Kumpel an. Ich konnte nicht verstehen, wieso er mich auf einmal nicht mehr überall dabei haben wollte. Normalerweise hatten wir nie Geheimnisse voreinander, doch seit er und Robin immer im Wald verschwanden, bezog er mich nicht mehr so ein wie früher. Paps meinte, es wäre nur eine Phase und würde vorbei gehen, doch ich zweifelte daran – vor allem wenn ich sah, wie er sich jetzt aufführte.
„Weil sie es sowieso herausgefunden hätte. Und jetzt hört endlich beide auf euch zu streiten, sonst gehe ich nämlich auf der Stelle wieder nach Hause und mache etwas mit Florian!", sprach Robin ein Machtwort, das zumindest mich verstummen ließ. Ich würde sowieso alles machen, was Robin wollte, ich war den beiden ja hauptsächlich wegen ihm gefolgt. Irgendwie genoss ich seine Nähe in letzter Zeit immer besonders stark – gerade wegen Situationen wie diesen, er wirkte immer wie der ruhende Pol, der alle Streitigkeiten um sich herum schlichten konnte.
Doch im Gegensatz zu mir, sah mein Zwillingsbruder in seinem besten Kumpel eben nur eines: seinen besten Kumpel. „Aber du magst Florian doch nicht einmal!", sagte er verwirrt und dachte gar nicht daran, einfach mal nicht das letzte Wort zu haben und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er dachte grundsätzlich nicht viel nach, egal wie hoch ihn unsere Lehrer immer lobten.
„Vielleicht ändere ich das ja und er wird mein neuer bester Freund!", konterte Robin und blickte meinem Bruder ernst in die Augen. Der Junge wusste genau, wie er mit Lucas umgehen musste, um ihn von seinem hohen Ross runter zu holen. Das brachte Lucas tatsächlich endlich zum Schweigen.
Das Baumhaus war der Wahnsinn, es hatte sogar eine Strickleiter, sodass es viel einfacher wurde, hinein zu klettern. Ich war zwar noch nie die Sportlichste gewesen, doch immerhin hatte ich durch meinen Bruder schon früh gelernt auf alles Mögliche zu klettern und unseren Paps damit in den Wahnsinn zu treiben. Als ich beinahe oben angekommen war, streckte mir Robin seine Hand zur Hilfe heraus und half mir über die Schwelle. Ich konnte nicht anders – ich musste ihn einfach bewundernd anstarren. Als Lucas zu uns kam und keine Hilfe von seinem besten Kumpel bekam, grinste ich in mich hinein. Wieso machte mich das so glücklich?
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Wer nicht kämpft, hat schon verloren
Novela JuvenilSamantha kann eine Sache besonders gut: Ihre Gefühle verstecken. Wie soll sie auch sonst mit den Schikanen in der Schule fertig werden? Doch das ändert nichts daran, dass sie alleine ist und niemanden hat, an den sie sich wenden kann. Irgendwann tri...