„Wollt ihr auf eines von euren Zimmern gehen, oder bleibt ihr in der Küche?", fragte Paps und schien ziemlich aus dem Häuschen zu sein. Er hätte vermutlich Luftsprünge gemacht, als Lucas ihm von unseren bevorstehenden Besuchern erzählt hatte, wenn ich nicht dazwischen gegangen wäre. Denn während mein Bruder sich sichtlich darüber freute, den Nachmittag mit seiner Angebeteten zu verbringen, war für mich alleine das Wissen auf ein paar bevorstehende Stunden mit Marie in meinem eigenen Haus, die pure Folter.
„Ich denke wir gehen auf mein Zimmer, das ist gemütlicher als die Küche und Sam wird sicher etwas dagegen haben, dass wir uns in ihren heiligen vier Wänden treffen.", sagte Lucas ohne gemein zu klingen und sah mich mit einem merkwürdigen Blick an. Seit der Sache vor ein paar Stunden in der Schule, hatte er mir diesen Blick des Öfteren geschenkt und mir allgemein viel mehr Beachtung gegeben, als noch am Vortag. Ich verfluchte mich für meine Schwäche, jetzt hatte ich den Salat.
Paps setzte gerade an, um etwas Freudiges zu erwidern – vermutlich wollte er verkünden, für uns alle zu kochen oder wenigstens Schnittchen zu machen – als das Telefon klingelte. Ich war unheimlich froh über diese Ablenkung, schließlich konnte ich somit legal aus der Küche verschwinden, ohne gleich ins Kreuzverhör genommen zu werden.
„Samantha Simons.", meldete ich mich und hielt unser Telefon an mein Ohr. Ich hatte damit gerechnet, dass irgendwer meinen Vater sprechen wollte oder uns jemand einen überteuerten Staubsauger andrehen wollte, aber nichts dergleichen geschah.
„Sam, Schatz. Kannst du mir mal Paps geben?" Es war Papa, obwohl er normalerweise nie anrief, wenn er auf der Arbeit war – also musste es wirklich wichtig sein.
„Was ist los?", fragte ich daher misstrauisch.
„Elias ist wohl nach der Schule mit Emma unterwegs gewesen und die beiden haben sich mit ein paar anderen geprügelt. Jetzt sitzen die beiden im Nebenzimmer – Emma will unter keinen Umständen, dass ich ihre Eltern anrufe und Elias muss wohl eine Nacht hier zur Beobachtung bleiben. Das Problem ist, dass ich jetzt weiter arbeiten muss und die beiden nicht alleine lassen will.", antwortete mir Papa ehrlich. Elias hatte sich geprügelt? Das sah ihm absolut nicht ähnlich – der Junge hielt ja sogar die meisten Playstationspiele zu brutal, die die anderen Jungen in seiner Klasse spielten und wich daher lieber gemeinsam mit mir auf MarioKart aus!
Ich reichte das Telefon sofort weiter an Paps, als ich die Nachricht verdaut hatte. Wieso prügelte sich der Kleine einfach? Hatte es etwas mit Emma zu tun? Sofort schämte ich mich für den Gedanken, ihr die Schuld zu geben, allerdings konnte ich nicht verhindern, weiterhin einen Zusammenhang zu sehen. Hatte mein Bruder etwa das Mädchen seiner Träume beeindrucken wollen? Das passte allerdings gar nicht zu ihm.
„Was ist denn jetzt genau passiert?", fragte der Junge mit den eisblauen Augen, als ich ihm die Haustür öffnete. Nachdem Paps ins Krankenhaus gefahren war, um nach den beiden Kleinen zu sehen und versprochen hatte, Emma erst hier her zu bringen, bevor er ihre Eltern anrief, hatte ich die Sache selbst in die Hand genommen und Alec Bescheid gegeben. Ich musste es tun, er hatte schließlich ein Recht darauf, zu erfahren was passiert war.
Natürlich hatte er nicht zugelassen, dass ich ihn kurz übers Telefon informierte, sondern war sofort zu mir gefahren – zumindest lenkte mich sein Auftauchen von der Tatsache ab, dass Marie in weniger als einer Stunde bei mir zuhause sein würde.
„Komm erst einmal rein.", meinte ich und trat einen Schritt zurück. „Es dauert vermutlich noch ein bisschen, bis Paps mit Emma her kommt, er muss erst noch den ganzen Papierkram erledigen, weil Elias die Nacht über da bleiben muss."
„Was ist denn passiert?!", meinte Alec völlig verzweifelt und trat ein. Ich führte ihn die Treppen nach Oben und von da aus in mein Zimmer – zum Glück war es einigermaßen aufgeräumt – damit er nicht mit Lucas zusammen stieß, der hier auch irgendwo herum schwirrte.
DU LIEST GERADE
Wer nicht kämpft, hat schon verloren
Teen FictionSamantha kann eine Sache besonders gut: Ihre Gefühle verstecken. Wie soll sie auch sonst mit den Schikanen in der Schule fertig werden? Doch das ändert nichts daran, dass sie alleine ist und niemanden hat, an den sie sich wenden kann. Irgendwann tri...