7. Kapitel

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Ich rannte eilig die Treppe herunter. Paps würde mich für den Rest des Tages mit einem strafenden Blick ansehen, würde ich ausgerechnet vor unseren Gästen zu spät zum Essen erscheinen – schlimmer noch: Er würde mir das die ganze nächste Woche vorhalten.

Ich hatte gerade die letzte Stufe erreicht und sah vor mir schon einen Mann, der wohl der Vater von Alec und Emma sein musste, als es passierte – ich schaffte es tatsächlich meine Beine so unglücklich ineinander zu verknoten, dass ich das Gleichgewicht verlor und das letzte kleine Stück der Treppe herunter stürzte. Nein, bitte nicht! Ich schloss automatisch die Augen, doch der erwartet harte Aufprall blieb aus. Stattdessen spürte ich etwas Weicheres an meinem Körper, das mich abbremste und mir den nötigen Halt bot. War das gerade tatsächlich passiert?! Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.

„Entschuldigung!", rief ich erschrocken aus, als ich mich langsam wieder aufrappelte und versuchte meine Würde zumindest ein bisschen zu wahren. Der Mann gegen den ich gefallen war, schien mindestens genauso überrascht wie ich, er machte jedoch keine Anstalten sich zu beschweren, sondern schien einfach erleichtert, dass keiner von uns beiden Bekanntschaft mit dem Fußboden gemacht hatte. Ich sah ihn mir genauer an: Er wirkte überhaupt nicht so bedrohlich wie sein Sohn, aber auch lange nicht so liebenswert wie seine Tochter, er schien vollkommen normal zu sein. Seine Augen waren zwar ebenfalls ziemlich blau, doch keinesfalls so ausgeprägt wie bei seinen Kindern, doch an seinen Haaren erkannte ich trotz der grauen stellen das dunkle schwarz, das beide von ihm geerbt zu haben schienen.

„Kein Problem, ist ja nichts passiert.", murmelte er leise, sah mich jedoch nicht weiter an, sondern blickte über seine Schulter zu einer Person, die ich inzwischen schon ziemlich gut kannte – Alec. Hatte er das alles gesehen?! Nein, bitte nicht! Doch die Antwort lieferte er mir schneller, als mir lieb war, denn sofort, als ich in sein Gesicht blickte, erkannte ich die hochgezogene Augenbraue und das spöttische Grinsen, welches er nun schon viel zu oft an mir angewandt hatte. Ich verdrehte die Augen und versuchte ihm telepathisch mitzuteilen, er solle sich endlich um seine eigene Scheiße kümmern und mich in Ruhe lassen, doch ich bezweifelte, dass die Nachricht überhaupt seinen dicken Schädel durchdringen würde.

„Da bist du ja endlich Sam!", rief Paps aus dem Esszimmer und forderte mich somit indirekt auf, zu ihm zu kommen. Ich rechnete damit, dass Alec mir zumindest Platz machen würde, damit ich an ihm vorbei gehen und das Esszimmer betreten konnte, doch er lehnte weiterhin mit verschränkten Armen und dem spöttischen Grinsen am Türrahmen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich wieder einmal an ihm vorbei zu zwängen, dieses Mal waren meine Nerven jedoch schon längst überspannt, sodass ich absichtlich dafür sorge, dass mein Ellenbogen wieder einmal die Stelle an seiner Brust streifte. Auch dieses Mal zuckte er vor Schmerzen kaum merklich zusammen, doch das war mir egal. Mit einem leisen „Danke fürs Platz machen.", betrat ich das Esszimmer und ließ den Jungen mit den eisblauen Augen hinter mir.

„Das ist Lisa Pecht und ihren Mann Richard scheinst du ja schon kennen gelernt zu haben. Lisa, das ist meine Tochter Samantha.", stellte Paps mich einer Frau mit großen, braunen Locken vor, sie sah überhaupt nicht so aus, wie Emma oder Alec, sie hatte grüne Augen und eine Stupsnase, außerdem war sie eher klein, während ihre Kinder beide groß gewachsen schienen. Offenbar hatte der Vater in diesen Fällen beide Male die dominanteren Gene gehabt.

„Freut mich Sie kennen zu lernen.", sagte ich freundlich und reichte der Frau vor mir die Hand, sie erwiderte meine Geste mit einem sympathischen Lächeln. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie Alec in seinem ordentlichen Hemd auf uns zuging und beschloss schnell das Weite zu suchen. Ich hatte übertrieben, eindeutig! Dieser Typ würde mich fertig machen, wenn er mich in die Finger kriegte, das musste ich definitiv verhindern.

„Papa kommt heute nicht, er musste noch zu einem Notfall.", informierte mich Paps als ich gerade versuchte irgendeine Sinnvolle Aufgabe in der Küche zu finden, um mich von dem Trubel abzulenken, der gerade in unserem Esszimmer saß und dort wohl auch noch eine Weile bleiben würde. Ich fand es zwar schade, dass Papa nicht kommen würde – jemand Normales und Bodenständiges, ein Verbündeter hätte mir heute sicher geholfen – aber ich hatte damit schon gerechnet. So war es schließlich schon immer.

Wer nicht kämpft, hat schon verlorenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt