Kapitel 2

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Noch immer stand ich vor unserer Veranda. Ich war ratlos, hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Ich konnte nirgendwo hingehen. Ich war allein. Ich stieß einen frustrierten Schrei hervor. Warum las Mary auch in meinem Tagebuch? Hatte sie sich vielleicht Sorgen gemacht und gehofft, mir mit dieser Aktion helfen zu können? Natürlich, nach Sherlocks vermeintlichem Tod war ich am Ende gewesen, doch Mary hatte mir wieder auf die Beine geholfen.

Ich hatte schnell gemerkt, dass sie mehr für mich empfand und ich hatte wirklich versucht sie so zu lieben, wie sie es verdient hatte, doch es wollte mir nicht gelingen. Der schwarz gelockte Detektiv drängte sich immer wieder in meine Gedanken. Meine Gefühle für Sherlock waren nicht schon immer dagewesen. Ich erinnerte mich noch genau an die Zeit, als uns jeder für ein Paar hielt und ich immer wieder beteuerte, dass ich nicht schwul sei. Heute würde ich das auch noch behaupten, aber es wäre nicht die Wahrheit.

Dass ich wirklich homosexuell war, fand ich heraus, als Mary und ich das erste mal miteinander schliefen. Ich spürte nichts. Rein gar nichts. Es war als hätte jemand einen Schalter in mir umgelegt und somit all meine Empfindungen abgeschaltet. Ich hätte Mary sofort erzählen sollen, was los war, doch ich brachte es einfach nicht über mich. Ihre Vergangenheit war schwer genug gewesen, da musste ich nicht auch noch dasselbe mit ihrer Zukunft tun. Mein schlechtes Gewissen hielt sich jedoch in Grenzen, denn Mary war glücklich. Und so bewahrte ich mein Geheimnis ganze zwei Jahre lang.

Doch dann tauchte Sherlock wieder auf und ich wurde völlig aus der Bahn geworfen. Zwei Jahre hatte ich um ihn getrauert, ihn vermisst und plötzlich stand er als 'Kellner' vor mir. Sherlock hatte sich einen Spaß daraus gemacht und das verletzte mich sogar noch mehr als die Tatsache, dass sein Tod nur vorgetäuscht war. Ich spürte, wie sich eine Träne aus meinem Augenwinkel stahl, doch ich wischte sie schnell weg. Ich hasste es zu weinen. Es bedeutete Schwäche.

Aber nur einige Augenblicke später machte es keinen Unterschied mehr, ob ich weinte oder nicht. Man hätte die Tränen nicht von dem Regen unterscheiden können, der jetzt literweise auf die Erde fiel. Zu dem Regen gesellte sich schnell Hagel und fluchend zog ich mir die Kapuze meiner Jacke über den Kopf. Trotzdem war ich nach wenigen Sekunden komplett durchnässt. Meine Kleidung wurde immer schwerer und klebte an meinem Körper. Ich musste dringend irgendeine Unterkunft finden. In diesem Moment sah ich ein Taxi, welches gerade in die Straße einbog und plötzlich wusste ich, wohin ich gehen konnte. Ich rannte zur Straße und winkte das Taxi zu mir. Dann nannte ich dem Fahrer die Adresse und stieg ein.

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