Kapitel 12

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Sherlocks PoV

Nachdem John gegangen war, sank ich in mich zusammen. Seine Worte hatten mich mehr getroffen, als ich ihm zeigen wollte.
Natürlich vertraute ich John.
Ich würde, ohne zu zögern, mein Leben in seine Hände geben.

Ich nahm meinen Geigenbogen und das Kolophonium in die Hand.
Ich musste etwas tun, sonst würde ich noch durchdrehen.

Während ich mit dem Kolophonium über den Bogen strich, dachte ich darüber nach, was John als letztes zu mir gesagt hatte, dass ich meine Fakten noch einmal überdenken sollte.
Und genau das tat ich, während ich begann, auf meiner Geige zu spielen.

Ich dachte nach und dachte nach... bis ich unterbrochen wurde.

"Sherlock, was war denn gerade bei euch Jungs hier oben los? Glauben sie mir, wenn ich ihnen sage, dass ich John noch niemal so gesehen habe. Er sah ganz schrecklich aus."

"Es ist alles in Ordnung, Mrs Hudson. Wir hatten nur eine kleine Auseinandersetzung", beruhigte ich sie.
"Na wenn das so ist. Aber wenn sie zwei Beziehungsprobleme haben, dann zögern sie nicht, zu mir zu kommen, ja? Ich helfe meinen Jungs doch immer gerne."
Als Mrs Hudson das sagte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
"Ja... Danke, Mrs Hudson."

Mit diesen Worten schon ich sie zur Tür heraus und konnte noch hören, wie sie über mich schimpfte.
Aber das war mir gerade egal.

John hatte wirklich nicht gelogen.
Am Tatort, da war er von mir berührt worden und im Labor waren seine Reaktionen von mir verursacht worden!
John war nicht in Molly verliebt, nein, sondern in mich!
Ein warmes, mir vollkommen unbekanntes, Gefühl breitete sich in mir aus.
John liebte mich.
Mich!

Aber warum hatte er nie etwas in dieser Richtung erwähnt?
Nicht ein Sterbenswörtchen hatte er darüber verloren.
War die Tatsache, dass John schwul war, immer noch so beängstigend für ihn?

Vielleicht lag Johns Verschwiegenheit aber auch eher daran, dass du immer davon redest, wie sehr du Gefühle solcher Art verabscheust, Sherlock.

Verdammt, diese kleine Stimme in meinem Kopf hatte recht.
Aber meine Meinung was Gefühle angeht, hatte sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Ich war zwar immer noch der Meinung, dass sie eine Schwäche waren, doch seit ich John kannte, war ich gerne bereit dazu, diese Schwäche zu besitzen.

Niemals würde ich auf die wohligen Schauer verzichten wollen, die mir jedes Mal über den Rücken liefen, wenn John mich ansah.

John war in der Lage, die quälende Langeweile zu vertreiben, er achtete auf mich und sorgte sich um mich, wie es sonst niemand tat.

Bereits bei unserem ersten Treffen war mir klar gewesen, dass dieser Mann alles in meinem Leben verändern und ich mich unweigerlich in ihn verlieben würde.

Und genauso war es geschehen.
Doch aus Rücksicht auf John, der seinen Lieblingssatz 'Ich bin nicht schwul' nicht oft genug wiederholen konnte, behielt ich meine Gefühle für mich.

Bis jetzt.

Der heutige Tag hatte die Karten neu gemischt.
In meinem Kopf reifte ein Plan heran, wie ich John alles erklären würde.
Doch ein Element für die Umsetzung fehlte noch.
John.
Wo blieb er?

Natürlich, als er die Wohnung verlassen hatte, war er ziemlich aufgewühlt gewesen, doch normalerweise kam John immer nach ein paar Stunden wieder zurück.

Es war schon 01:45 Uhr und John war immer noch nicht wieder da.
Unruhig tigerte ich im Wohnzimmer auf und ab.
Irgendetwas stimmte da nicht.

Am Morgen verlor ich keine Zeit und schrieb eine SMS an Lestrade.

Ist John bei ihnen?
SH

Nein, wir waren gestern Abend was zusammen trinken und dann ist er direkt nach Hause gegangen.
Ist er denn nicht da?
GL

Dumme Frage. Würde ich fragen, wenn er da wäre?!
SH

Nein, das würden sie nicht.
Ich kann in diversen Krankenhäusern nachsehen, ob er dort ist.
Wir waren gestern nicht wirklich nüchtern.
GL

Tun sie das. Kommen sie danach in die Bakerstreet.
SH

Könnten sie auch mal 'bitte' sagen? Das würde ihnen nicht schaden, ehrlich.
GL

Und ihnen, Lestrade, würde es nicht schaden, meinem Bruder endlich reinen Wein einzuschenken.
Wollten sie nicht ins Krankenhaus gehen?
SH

Ist ja gut, ich bin auf dem Weg.
GL

John war bis zu Lestrades Auftauchen immer noch nicht zurück.
Der DI hatte währenddessen in verschiedenen Krankenhäusern nach John gefragt, aber nichts herausfinden können, wie er mir erzählte.

Ich bat ihn anschließend darum, mir noch einmal genau zu erzählen, wie der gestrige Abend verlaufen war.

"Wie haben uns draußen vor der Bar verabschiedet und John hat sich zu Fuß direkt in Richtung Bakerstreet aufgemacht", schloss Lestrade seinen Bericht.

"Er kam also hierher..."
Einer plötzlichen Eingebung folgend ging ich schnell nach unten vor die Haustür. Lestrade folgte mir.

"Wo wollen sie denn hin?", fragte er verwirrt.
Ich ignorierte seine Frage und sah mir aufmerksam den Bereich um die Tür herum an.
Und schnell wurde ich fündig.
"Johns Schlüsselbund", meinte ich triumphierend und hielt ihn Lestrade vor die Nase.
"Aber wie...? Ich habe...", stammelte er und versuchte krampfhaft zu erklären, wie er den Schlüsselbund hatte übersehen können.

"Geben sie es auf, Lestrade. John war also hier, direkt vor der Tür. Er wartete einen Moment und wollte dann die Tür aufschließen, doch etwas hinderte ihn daran und er ließ die Schlüssel fallen. Und jetzt ist John verschwunden, unauffindbar. Entführt, würde ich sagen. Nur von wem?"

Lestrade wollte gerade zu eine eigenen, höchstwahrscheinlich falschen, Theorie ansetzen, als mein Handy vibrierte.
Ich holte es schnell aus meiner Hosentasche und las die neue SMS.
"Ich weiß, wer John entführt hat", erklärte ich Lestrade, der mich vollkommen perplex anstarrte.
"Ich muss nur noch herausfinden, wo er gefangen gehalten wird."
"Aber woher wissen sie das denn?"
"Mein Handy, Lestrade, ich habe eine SMS bekommen. Hier lesen sie selbst."

Sie hätten meine Warnung ernst nehmen sollen, Mr Holmes.
Jetzt ist unser lieber Johnnyboy in meinem Gewahrsam, wer weiß, was da alles passieren könnte...
Das Spiel, Mr Holmes, hat begonnen.
Ich wünsche viel Vergnügen!
JM

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