"Gar nichts wollen wir hier angehen, Jonathan", sagte ich mit schneidender Stimme.
"Oh doch, mein Lieber, das wollen wir unbedingt! Sherlock hat unsere Abmachung gebrochen und jetzt wird er leider den Preis dafür zahlen müssen."
"Dann bring es doch endlich zu Ende", forderte Sherlock, stand ebenfalls auf und stellte sich schützend vor mich. "Töte mich und es ist vorbei."
"Aber nicht doch, Sherlock, nein. Das ist zu langweilig, verstehst du? Ich kann den Tod meines Bruders nicht dadurch rächen, dass ich dir einfach eine Kugel in den Kopf jage. Ich dachte da eher an etwas Kreativeres, wenn du verstehst", schmunzelte Jonathan.
Sherlock trat einen Schritt näher an Jonathan heran. "Um eine Sache klarzustellen, wie glaubst du ist dein Bruder, James Moriarty ums Leben gekommen? "
"Sherlock, also wirklich, dass du das noch fragen musst! Du weißt es doch am besten, immerhin warst du derjenige, der ihn umgebracht hat!"
"Habe ich dass?"
"Ja, verdammt nochmal, das hast du! Du hast meinen Bruder ermordet!"
Jonathan fing vor angestauter Wut an, zu zittern und zog seine Waffe.
"Du hast ihn getötet und ich werde mich in seinem Namen dafür rächen. Sherlock Holmes, du hast es verdient, zu leiden. Vielleicht erschieße ich auch einfach dein kleines Schoßhündchen und sorge dann dafür, dass du am Leben bleibst. Wie findest du das, Sherlock? Und du, Johnnyboy? Was haltet ihr beide von diesem grandiosen Plan?"
Ein irres Lachen verließ seine Kehle. "Ich halte es für perfekt und angemessen."
"Jonathan, hör mir bitte zu, okay? Mehr möchte ich nicht", erwiderte ich vorsichtig und schob mich an Sherlock vorbei. "Was soll das, John?", zischte dieser mir ins Ohr und versuchte, mich wieder hinter sich zu ziehen, doch ich schüttelte seine Hand ab.
"Willst du mir etwa zustimmen, Johnny?"
Ich schüttelte mehrmals den Kopf. "Ich möchte etwas klarstellen, Jonathan. Es war nicht Sherlock, der Moriarty getötet hat."
"Wer denn sonst?", fragte Jonathan und schnaubte verächtlich. "Es war sonst niemand auf dem Dach. Es kann nur Sherlock gewesen sein."
"Nein, Jonathan. Das ist nicht die einzige Möglichkeit und das weißt du. Denk doch einmal nach. Ignoriere nicht die offensichtlichen Fakten."
Ich wusste, dass ich mich auf gefährlichem Terrain bewegte, aber ich musste es riskieren, um Sherlocks und mein Leben zu retten. Und dazu musste ich Jonathan nur von der Wahrheit überzeugen. Ich warf Sherlock einen kurzen Blick über die Schulter zu. Er wusste, was ich vorhatte und nickte mir leicht zu.
"Dein Bruder hat Selbstmord begangen, Jonathan", sagte ich so sanft wie möglich.
Augenblicklich riss Jonathan seine Waffe hoch und richtete sie auf meinen Kof. "Das hat er nicht! Du würdest im Moment doch alles sagen, um am Leben zu bleiben!"
"Ich war im Krieg in Afghanistan. Glaubst du, ich habe jetzt noch Angst davor, zu sterben?"
"Du lügst", flüsterte Jonathan und ließ den Lauf der Pistole immer noch auf mich gerichtet. "Du bist ein Lügner, John Hamish Watson."
"Ich lüge nicht. Und ich lasse dir die freie Wahl. Erschieße mich und räche dich für den vermeintlichen Mord an deinem Bruder oder sei besser als er und stecke deine Waffe weg. Du hast nach dem Tod Moriartys gelitten und tust es immer noch. Glaube mir, ich weiß genau, wie du dich fühlen musst. Im Krieg habe ich so viele Menschen sterben sehen. Frauen, Kinder, Kameraden und Freunde. Und dann habe ich zwei Jahre lang denken müssen, dass der Mann, den ich liebe, tor war. Das hat mich kaputt gemacht, aber ich konnte wieder ins Leben zurückfinden. Es gab Menschen, die mir geholfen haben und genau das möchte ich jetzt dir anbieten. Lass mich dir helfen."
Kurz war es totenstill im Wohnzimmer, bis ich hörte, wie Jonathan leise aufschluchzte. Kraftlos fiel sein Arm herunter und hing schlaff neben seinem Körper. Die pure Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
"Er war ein paar Sekunden älter als ich, aber er hat sich immer so aufgeführt, als wären es Jahre. Immer war er ganz der große Bruder und hat auf mich aufgepasst. Und jetzt ist er für immer weg... Sag mir, John, wird es jemals aufhören, wehzutun?"
Jonathan sah in diesem Moment so klein und verletzlich aus, dass ich nicht anders konnte, als Mitleid mit ihm zu haben. Vorsichtig machte ich einen Schritt auf ihn zu und legte meine Hand auf seine Schulter.
"Das wird es, Jonathan. Irgendwann."
Er atmete zittrig aus.
"In Ordnung, ich denke... ich werde jetzt gehen. Ich glaube dir, John. Mein Bruder hat sich selbst getötet und ich möchte wissen, warum. Ich danke dir. Aber wenn du mich angelogen hast, dann willst du dir gar nich ausmalen, was ich mit dir machen werde. Die Drohungen meines Bruders wären nichts dagegen."
"Keine Sorge, das Risiko würde ich nicht eingehen wollen", antwortete ich.
"Lebt wohl." Er drehte sich um und ging zur Wohnungstür. "Jonathan? Ich meinte ernst, was ich gesagt habe. Wenn du reden möchtest, dann... ich weiß nicht, komm zum Tee trinken vorbei."
"Danke für das Angebot, aber das wäre keine gute Idee. Wer weiß, ob ich es mir nicht doch noch anders überlege und euch beide abknalle."
Mit diesen Worten verschwand Jonathan aus unserer Wohnung.Ich spürte, wie Sherlock sofort seine Arme von hinten um mich schlang und sein Gesicht in meiner Halsbeuge vergrub, während ich immer noch regungslos auf die Tür starrte.
"Wir haben es geschafft, John. Du hast es geschafft. Du hast uns das Leben gerettet. Wieder einmal."
"Ja. Ich schätze das habe ich", meinte ich und drehte mich zu Sherlock um und legte meine Lippen auf seine.Wir waren am Leben. Und ich war hier mit dem Mann, den ich für den Rest meines Lebens lieben würde. Das war eine Tatsache und nichts auf der Welt könnte mich jemals dazu bringen, etwas anderes zu sagen. Ich hatte mich verändert. Genauso wie Sherlock. Er war nicht mehr eine kalte Maschine ohne Gefühle. Sherlock liebte und hatte Mitgefühl, auch wenn er sich niemals so direkt ausdrücken würde, wie ich es manchmal getan hatte und immer noch tat.
Doch alles in allem ware wir beide gleich.Einfach
nur
Menschlich.
Ende
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Human
FanfictionJohn Watson - ein ehemaliger Militärarzt Sherlock Holmes - Soziopath und Consulting Detective Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein und doch kann einer nicht ohne den anderen. Zusammen haben sie etliche Fälle gelöst, Moriarty besiegt und...