Kapitel 3

4.7K 376 11
                                    

Sherlocks PoV
Gelangweilt warf ich den Tennisball an die Wand und fing ihn wieder auf. Ein-, zwei-, drei-... zehnmal, bis ich ihn schließlich einfach am Boden liegen ließ, als meine Hand ihn verfehlte. Diese drückende Langeweile war einfach schrecklich. Schon seit langem nahm ich keine neuen Fälle mehr an. Es fehlte mir einfach die Lust dazu. Genauso, wie mir John fehlte. In Johns Gegenwart war es mir möglich wenigstens ein paar Gefühle zuzulassen, doch er war fort und das war meine Schuld. Hätte ich ihm in den letzten zwei Jahren nur ein winziges Lebenszeichen von mir zukommen lassen, dann wäre er jetzt hier. Auf einmal schallte das laute Klingeln der Wohnungstür durch den Raum. "Mrs Hudson!", brüllte ich. Ich ging davon aus, dass sie die Tür öffnen würde, aber schon einige Minuten später klingelte es erneut. "Mrs Hudson!!!", rief ich jetzt eindringlicher, doch nichts rührte sich. Genervt erhob ich mich aus meinem Bett und wickelte das Laken um mich. Dann machte ich mich mit der Absicht den Störenfried mit ein wenig Deduktion zu verärgern auf den Weg nach unten.
Ich riss die Tür auf und wollte gerade mit meiner Schimpftirade loslegen, als ich realisierte, wer da vor mir stand. Ungläubig blickte ich meinen Gegenüber an. Vom Regen komplett durchnässt stand er da und verlagerte nervös sein Körpergewicht von einem Bein aufs andere. "John?!" "Ähm... hallo, Sherlock, ich... also es ist so... darf ich-?", stammelte John. "Sie haben sich mit Mary gestritten. ", stellte ich sachlich fest. John nickte. "Und jetzt glauben sie, dass sie hier unterkommen können. " Ich ging nicht weiter auf den Streit ein, weil ich überhaupt nicht wusste, warum er stattgefunden hatte. Ging es um Hochzeitsplanungen? Nein, das war es nicht. Geld vielleicht? Möglich. Doch 100%ig sicher war ich nicht. Was war nur der Auslöser gewesen? "Verdammt, woran lag es?!" "Sherlock? Woran lag was?" Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich laut gesprochen hatte und schüttelte einfach den Kopf. Ich verspürte nicht die geringste Lust John von meinem Mißerfolg zu berichten.
"Kommen sie rein, John. " Erleichtert folgte John mir ins Haus.
Oben in der Wohnung angekommen, zog sich John zuallererst trockene Sachen an, während ich mich in meinen Sessel sinken ließ. Dann begann ich zu grübeln. Warum hatten John und Mary sich bloß gestritten? Warum?
"Sherlock? Was ist mit dem Tee?", riss mich Johns Stimme aus den Gedanken. "Welcher Tee?" "Ich habe sie doch gerade gefragt, ob sie Tee machen und sie haben ja gesagt. " "Habe ich das?" "Ja, das haben sie." "Oh. Ich habe keinen Tee gemacht. " "Das sehe ich." "Bemerkenswert.", erwiderte ich mit spöttischem Unterton. Ich sah einen verletzten Ausdruck über Johns Gesicht huschen. Ein schlechtes Gewissen wollte sich in mir breitmachen, doch ich kämpfte dagegen an. Ich durfte keine Gefühle zulassen. Kein einziges. Sie würden mich nur schwach machen. Innerlich drosch ich so lange auf mein Gewissen ein, bis es sich auf dem Boden krümmte. Ich durfte mich nicht von ihm beherrschen lassen. Ich stand mit einer eleganten Bewegung auf, nahm meine Geige in die Hand und stellte mich ans Fenster. Ich stützte mein Kinn auf den Kinnhalter und fing an, willkürliche Melodien zu spielen. Ich bemerkte, dass John noch einige Sachen sagte, aber ich hörte nicht zu und dachte auch nicht im geringsten daran, mein Spiel zu unterbrechen. John hatte meine Gefühlskälte aus dem Gleichgewicht gebracht. Zwar nur minimal, doch ich hatte bisher immer die Kontrolle darüber behalten. Bisher. Heute war mir die Kontrolle für einen Moment entglitten. Und das gefiel mir ganz und gar nicht.

HumanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt