Chapter 29

988 55 3
                                    

"Das tut mir so leid.", Mike nahm mich in den Arm. Ich wischte mir die Tränen weg.

"Naja, du kannst ja nichts dafür." seufzte ich.

Ich bin ziemlich froh, dass ich Mike begegnet bin. Er war gerade auf dem Weg zu seinem Training, doch hat es abgesagt, als er erfuhr, wieso ich noch nicht zu Hause war. Danach lud er mich auf einen Kaffee ein, da er genau weiß wie sehr ich Kaffee liebe.

Mein Handy vibrierte in dem Moment, als ich einen Schluck von der Tasse nehmen wollte.

Mom

Stand auf dem Display, mit einem Bild auf dem sie so glücklich aussieht. Das war noch vor der Diagnose.
Sie hat gestrahlt.
Ihre Augen waren noch so voller Freude.
Und ihr Lächeln war ein echtes. Eines, dass ich so sehr an ihr geliebt habe.

Heute sieht sie einfach nur leer aus. Sie denkt wahrscheinlich, dass ich das nicht merke. Sie denkt ganz sicher, dass sie mich mit ihren leeren Augen und diesen Fake-Lächeln täuschen kann, doch ich weiß ganz genau, dass sie am liebsten weinen will.

Ob es daran liegt, dass ich noch da bin oder, dass ich wahrscheinlich nicht mehr da sein werde, das weiß ich nicht genau.

Ich weiß nur, dass es ihr verdammt schlecht geht. Und jetzt wird ihr es noch schlechter gehen.

"Willst du nicht ran gehen?" Mike reißt mich aus meinen Gedanken und seine Frage wird direkt beantwortet, denn ich drücke weg.

Bevor ich noch wirklich darüber nach denke, in was eine Situation ich sie bringe. Dass sie sich bestimmt total die Sorgen macht.

"Ich rufe später zurück." Ich kann einfach nicht klar denken.

"Du hättest wirklich nicht dein Training für mich absagen müssen.", wechsele ich das Thema.

"Deswegen habe ich so ein schlechtes Gewissen."

"Quatsch! Wenn mich ein Freund braucht, bin ich immer da."

Wieso muss er bloß so süß sein.

"Dafür bin ich dir einfach so dankbar." Ich drücke kurz seine Hand und trinke dann noch einen Schluck von meinem Kaffee.

"Wirklich nichts zu danken." Er lächelt. Es ist ein Lächeln was endlich mal ehrlich ist.

Keins, was Mitleid mit sich trägt.

Einfach eins vom Herzen.

***

"Das packst du." Ich atmte tief ein und umarm Mike schnell.

Jetzt wird es ernst. Ich kann nicht die ganze Zeit davor wegrennen.

Mal sehen, wie die Stimmung nun zu Hause ist.

Mike drückte nochmal kurz meine Hand und ich sah ihm hinterher.

Noch einmal kurz tief ein und ausatmen.

Ich öffnete die Tür mit meinem Schlüssel und ging hinein.

Sofort kam mir der Geruch von Kuchen entgegen.

Meine Mum backt meist, wenn etwas nicht stimmt.

Wenn sie sich ablenken muss, oder wenn sie sich beruhigen muss.

Als Mike und Ich das Café verließen, rief ich sie kurz an bevor sie noch eine Panikattacke bekommt, wo ich bloß bin.

Doch wirklich in Stimmung zu reden war ich in diesem Moment nicht. Nachdem sie also abnahm sagte ich 'War im Café. Bin auf dem Weg nach Hause. Bis gleich' und legte sofort auf.

Ich weiß auch nicht was mit mir los war. Ich hab in diesem Moment nicht viel gefühlt.

"Ich bin zu Hause.", rief ich und zog meine Schuhe aus.

Ich will nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ich will einfach sehen ob sie es mir sagen wird oder ob beide es mir sagen werden.

"Kathy!! Du hast mir so Angst gemacht."Meine Mum kam auf mich zugerannt und umarmte mich.

"Tut mir leid." sagte ich, doch ohne wirkliche Emotion.

"Ist alles okay?" fragte sie mich prüfend und ich nickte.

"Und bei dir? Ich rieche du backst wieder." Das ist jetzt die entscheidende Frage.

"Ja. Dein Dad und ich hatten einen kleinen Streit. Nichts bedeutendes." Sie lächelte schwach und ging in die Küche.

"Um was ging es denn?" fragte ich nach.

Können Leute mir nicht einfach die Wahrheit sagen?

Einfach direkt sein?

"Nichts wichtiges." Sie blockte ab.

Und alles kam hoch.

"Ist das dein ernst? Bedeutet 'nichts wichtiges' etwa seine eigene Frau zu betrügen? Bedeutet nichts wichtiges etwa mit jemand anderes ins Bett zu steigen während die eigene Frau sich wahrscheinlich jeden Abend mit Tränen in den Schlaf weint und die Tochter genauso. Bedeutet nichts wichtiges etwa, dass du ihm wahrscheinlich auch noch verziehen hast, denn wenn du das gemacht hast, dann bist du nicht mehr mein Vorbild. Das hast du nicht verdient. Egal wie sehr du ihn liebst. Egal was auch ist, wenn einer jemanden betrügt hat das nichts mehr mit Liebe zu tun. Es bedeutet, dass einer in diesem Moment nicht an seine eigentliche Liebe gedacht hat. Mum, es tut mir leid, aber wie soll-"

"Es reicht."

Sie rannte einfach raus.

Ich schaute ihr nach und sah Dad in der Tür stehen.

Er hatte alles mit gehört.

Doch auch er ging.

Lässt seine Tochter in der Küche stehen.

Mit feuchten Wangen.

Mit brennenden Augen.

Was war das?

Wieso bin ich so ausgeflippt?

Ich habe alles kaputt gemacht.

Ohne viel Mühe laufe ich ins Wohnzimmer und schmeiße mich auf die Couch.

Ich würde eigentlich meiner Mum nachgehen, aber ich weiß, dass sie, genauso wie ich, Zeit braucht.

Zeit sich zu beruhigen. Zeit um nach zu denken.

Doch ist es wirklich gut nach zu denken?

Zu viel zu denken?

Ich entschloss mich einfach nur zu weinen.

Meinem Körper das Weinen zu überlassen und alles abzuschalten.

Einfach zu weinen.

Nicht mehr und nicht weniger.

Alles raus zu lassen.

All den Schmerz herauszulassen.

In der Hoffnung, dass meine Tränen den Krebs in mir nach außen bringen.

Ich endlich wieder gesund werde.



KrebsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt