Chapter 36

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''Absence is a house so vast that inside you will pass through its walls and hang pictures on the air.''
*
'Maybe you should say goodbye.'
'No.'
'It might be important.'
'It might make her die.'

***

Monate sind vergangen.

Und die Ungewisseheit ist immernoch so groß wie an dem Tag, als ich zusammengebrochen bin.

Monate sind vergangen, seitdem ich nicht mehr in der Schule war.

Monate sind vergangen, seitdem ich nun mit der Chemo angefangen habe.

Monate sind vergangen, seitdem meine Freundschaften immer mehr kaputt gehen.

Monate sind vergangen, seitdem ich meine Hoffnung verloren habe.

Aber Zeit ist nur ein Konzept.

Ein Konzept, was uns Menschen hinhaltet.

Wovor, habe ich noch nicht herausgefunden.

Vielleicht davor, um endlich unseren Frieden zu finden.

Ich laufe den Gang der Krebsstation hinunter, Richtung mein Zimmer.

Genau 34 Schritte von dem Aufenthaltsraum, bis in mein Zimmer.

In der rechten Hand mein Lieblingsbuch.

Mein Körper bewegt sich, wie eine leere Hülle.

Ich bin nur noch ein Beobachter. Ich beobachte, wie mein Körper vor sich hin zerfällt.

Das Gift der Chemo macht ihn kaputt.

Alles ist nur Gift.

Die Chemo, die Menschen, die Luft. Alles.

Oder vielleicht sage ich das auch nur, weil ich total benebelt von meinen Medikamenten bin.

Ich sehe von weitem meine Mutter.

Ich lächele leicht.

Ich liebe meine Mama. Ich liebe sie so sehr.

Und ich hasse mich, dass ich ihr soetwas antuhe.

Ich hasse mich dafür, dass sie wegen mir das ganze nochmal durchleben muss.

Und um zu beweisen, dass ich mich so sehr hasse, schreibe ich jeden Tag in mein Tagebuch ein 'Es tut mir leid' in eine Zeile.

Ein 'Es tut mir leid' für die Schmerzen, die ich den Menschen antuhe, die ich liebe.

Ein 'Es tut mir leid' für meine Mutter und meinen Vater.

Ein 'Es tut mir leid' für mich selbst, dass ich nicht stark genug bin.

Ein 'Es tut mir leid'  an alle, die auf dieser Station sind.

Eins für die Familienangehörigen dieser kranken Menschen.

Eins für die, die es nicht geschafft haben.

Eins für die Zukunft, wenn ich es auch nicht schaffen werde.

Und die Seiten dieses Tagebuches füllen sich.

Man müsste Mitleid mit mir haben, wie ich mich zurückgezogen habe.

Wie ich jeden wegstoße.

Doch das bin nicht ich, sagt meine Mutter immer.

Es sei die Krankheit. Ich kann nicht klar denken.

Aber wenn ich das nicht bin, wieso fühlt es sich dann so echt an?


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