Krebs

Chapter 27

Montage sind scheiße. Und wenn ich sage scheiße, dann meine ich scheiße.

Man hat wieder ganze fünf Tage Schule vor sich und Klausuren stehen auch wieder an.
Aber was tut man nicht alles um einen guten Abschluss zu bekommen.

Ich stand gerade vor dem Spiegel um mir die Haare zu einem Zopf zu binden, als es unten klingelte.

Ich rannte herunter, gab meiner Mum noch einen Kuss auf die Wange und umarmte Lola, die total aufgeregt vor der Türe stand.

"Schreibst du heute eine Arbeit?", fragte ich, da es für mich der Einzige Grund war, wieso sie so aufgeregt ist.

"Ich bin nur gespannt was Sam uns zu erzählen hat wegen ihrem Date." Sie grinste frech und ich erwiderte nichts darauf. Wieso auch? Wieso soll ich mir Gedanken darüber machen, in weniger als fünf Minuten werde ich eh erfahren was so passiert ist.

Lola und ich blieben an der Kreuzung stehen an der wir eigentlich immer Sam getroffen haben, doch sie war nicht in Sicht.

Verwirrt, da sie sonst nie zu spät kam, schauten Lola und ich uns an. Wir wussten nicht so genau was wir tun sollten, deswegen entschlossen wir uns, sie anzurufen.

Es klingelte. Doch direkt wurde ich weggedrückt.

Noch mehr verwirrt bat ich Lola sie von ihrem Handy aus anzurufen, was sie auch tat.

Vom Lautsprecher hörte ich eine genervte Sam.

"Ich bin bereits in der Schule,  man sieht sich."

Und aufgelegt.

Was ging hier vor sich.

"Frag mich nicht, ich habe keine Ahnung", antwortete ich Lola auf ihren verwirrten Blick.

Wir liefen weiter zur Schule. Dort angekommen suchten wir sofort Sam, doch die war nirgends zu finden.

"Vielleicht finden wir sie ja nach der Schule, ich möchte ungern den Unterricht verpassen." Ich stimmte Lola zu und so ging jeder von uns in unsere Klassen.

***

Nach der Schule warteten wir am Ausgang, sodass Sam an uns vorbei gehen musste.

Mike und Jim sind zusammen zum Training gegangen und Amanda und Vanessa zum shoppen, sodass wir, was auch immer los ist, das erstmal in Ruhe irgendwie klären können.

Als ich gerade meine Tasche auf meiner Schulter richten wollte, stupste mich Lola von der Seite an und nickte in Richtung Tür. Dort kam gerade Sam hinaus und als sie uns sah, verschwand ihr glücklicher Gesichtsausdruck und sie schaute sofort genervt. Als sie umkehren wollte, rannten wir ihr hinterher.

"Sam! Warte, verdammt noch mal!" Solche Aktionen nerven mich total. Wieso können Leute nicht direkt sein, und sagen was ihr Problem ist? Ist das so schwer?

"Was Kathy? Was wollt ihr beide von mir? Vielleicht will Kathy mich ja mit ihrer Perfektheit unbewusst innerlich zerstören?" Sie eskalierte schon fast.

"Hab ich was verpasst? Was ist denn los Sam?", fragte Lola nun etwas leiser. Wir drei gingen automatisch an eine Bank, wo wir uns hinsetzten und Sam konnte sich kaum noch halten.

"Ich bin so dumm. Wie konnte ich dir glauben.", Sam schaute mich hasserfüllt an.

"Erde an Sam. Was habe ich getan? Ist irgendetwas passiert?" total verwirrt, und langsam etwas genervt von ihrem Auftritt, versuchte ich so ruhig wie möglich zu bleiben, denn zwei eskalierende Menschen an einem Ort, würde nicht gut enden.

"Was los ist? Der ach so tolle Typ war gar nicht darauf aus mich kennenzulernen. Im Gegenteil, er hat sich verhofft durch mich an dich ranzukommen. Weißt du wie ich mich fühle. Seitdem du Krebs hast, liegt alle Aufmerksamkeit auf dir. Jeder schaut dich an, du wirst bewundert wie stark du bist, du hast ein tolles Erscheinungsbild. Ich weiß nicht was er an dir findet, ich weiß nicht wieso ich immer so Pech habe. Ich hatte schon so Probleme mich hier einzuleben und ich war froh euch kennengelernt zu haben. Mein Selbstwertgefül sinkt immer mehr, bin ich denn so hässlich, bin ich es denn gar nicht wert, geliebt zu werden? Das Schicksal meint es wohl nicht gut mit mir."

Wow.

Sie brach in Tränen aus und wir ließen sie sich erst beruhigen. Ich wusste ganz genau, dass die Tränen nicht für diesen Arschgesicht von Jungen war. Im Gegenteil. Ich wusste, dass sie so viel angestaut hat die letzten Monate und Jahre. Sie war immer die Glückliche Sam, doch das gab sie nur vor. Sie versteckte ihr wirkliches Ich hinter einem Lächeln und hinter einer Maske.

Da merkte ich, wie viel wir doch gemeinsam hatten.

Ich schaute zu Lola rüber, die nur starr auf einen Punkt auf dem Boden schaute und was wohl bedeutet, dass ihr die Worte fehlten.

"Sam. Du kannst mich dafür nicht hassen. Ich kann nichts dafür und ich bin ganz und gar nicht stark. Du weißt gar nicht wie es mir geht. Keiner weiß das. Aber wir müssen doch stark bleiben. Du hast das alles nicht verdient. Du bist so ein toller Mensch und der Typ wird schon merken, was er bei dir verpasst. Keine Angst, ich habe kein Interesse an ihm. Ich würde dir soetwas nie antun, denn ich möchte dich auf gar keinen Fall verlieren."

Ich musste mich beherrschen. Ich wollte nicht auch noch heulen.

"Kathy, es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Es kam einfach alles hoch. Der Hass geht eher an das Arsch. Ich bin einfach verwirrt momentan. Tut mir leid was ich davor gesagt habe." Sie schaute beschämt auf ihre Hände.

"Schon okay, du kannst nichts dafür. Er ist es einfach nicht wert. Und jetzt kommt, wir können ja bei mir einen Film schauen."

Beide strahlten wieder und wir machten uns mit einer komischen Stimmung auf den Weg zu mir.

***

"Wir sehen uns morgen in der Schule", rief ich Lola und Sam noch hinterher, als sie meinen Vorgarten verließen.

Der Tag war ziemlich schön, obwohl er einen komischen Start hatte.

Aber ich kann es ihr nicht übel nehmen. Ich hasse es auch, wie die Leute mir diese ungewollte Aufmerksamkeit schenken.

Ich gab meiner Mum noch einen Kuss und bat an den Müll herauszubringen, da sie etwas kaputt von der Arbeit aussah. Draußen nahm ich mein Handy kurz raus und fragte Lola und Sam ob sie gut angekommen sind. Als ich mich gerade umdrehen wollte, sah ich jemanden die Straße herunterlaufen den ich jetzt am wenigsten sehen wollte.

"Hey Kathy, warte mal."