Am nächsten Morgen erwachte ich ausnahmsweise einmal sehr früh und vor Lilya. Die ganze Nacht hindurch war ich regelmäßig wach geworden, weil mich bittere Schuldgefühle übermannt hatten. Zwei Mal war ich kurz davor gewesen, einfach aufzustehen und so lange an Ayalas Zimmertür zu klopfen, bis sie mir aufmachte und meinen Worten zuhörte.
Da dies jedoch kaum im Bereich des Möglichen gelegen hatte und ich mich an die Anweisungen der Akademie halten wollte, war ich beide Male wieder genervt stöhnend zurück mit dem Kopf aufs Kissen gefallen und unruhig wieder eingeschlafen.
Als irgendwann die ersten Schimmer des Morgengrauens über mein Gesicht krochen, erhob ich mich, rieb mir den Schlaf aus den Augen und betrat das Badezimmer, um mir den gestrigen Höhlenschmutz von meinem Körper und aus meinen Haaren zu waschen. Ich fühlte mich aufgrund der unruhigen Nacht ebenso wie am gestrigen Tage gerädert, aber die warme Dusche trug einen Großteil dazu bei, dass sich diese Empfindung etwas verflüchtigte.
Während ich das Gefühl der warmen Wasserstrahlen, die auf meinen Körper trafen, genoss, schweiften meine Gedanken zu dem vor mir liegenden Gespräch mit Ayala. Ich war um Längen weniger aufgeregt als gestern, als ich auch den ganzen Tag lang nur an Aryan hatte denken können, aber dafür umso niedergeschlagener. Ich hoffte wirklich, dass ich unsere Freundschaft würde zurückgewinnen können.
Umhüllt von meinem Wasserlilien-Duft stieg ich schließlich aus der Dusche, schlang mir ein Handtuch um meinen nassen Körper und griff zum Föhn. Immerhin hatte es auch seine Vorteile, einmal früh aufzustehen, so konnte ich mir nämlich mehr Mühe mit meinem Haar geben und es sorgfältig frisieren, ohne dabei auf Lilyas grandiose Flechtkünste zurückgreifen zu müssen.
Als mir meine Haare in trockenen, weichen Wellen um die Schultern fielen, musterte ich mich kurz zufrieden und betrat dann unser Zimmer. Mein Blick glitt zu Lilya, die in diesem Moment ihre Augen öffnete und einmal herzhaft gähnte, während sie sich die Hand vor den Mund hielt.
„Morgen, Sea. Schon wach?" murmelte sie verschlafen und schwang müde die Beine aus dem Bett, danach klärte sich ihr Blick jedoch sofort.
Wie konnte man morgens nur so schnell wach werden? Man, war die Welt ungerecht.
„Mhm. Konnte irgendwie nicht mehr schlafen", gab ich zu, während ich mich vor meinem Schrank aufbaute, und Kleidung für den heutigen Tag raus suchte. Aryan hatte mir gestern gezeigt, dass er definitiv auch mit meinem ungepflegten, nassen und höhlenstaubverschmutzten Ich klar kam, aber ich hatte immer noch das Gefühl, als müsste ich ebenfalls seine Perfektion erreichen. Deshalb hatte ich meine Haare so sorgfältig frisiert und aus diesem Grund gab ich mir auch Mühe bei der Kleiderauswahl, auch wenn ich diesmal beschlossen hatte, mit meinen eigenen Sachen eine schöne Kombination zusammen zu stellen.
Während ich hörte, wie Lilya leise die Tür zum Badezimmer schloss und nach einem kurzen Moment die Dusche anstellte, griff ich mir ein schlichtes, schwarzes T-Shirt und eine hellblaue, kurze Hose aus dem Schrank. Dazu passend wählte ich schwarze, schlichte Unterwäsche – selbst, wenn ich heute ins Wasser fallen würde, würde immerhin keiner erkennen können, was ich darunter trug.
‚Ganz im Gegensatz zu gestern...', dachte ich, und zog eine Grimasse, als ich an die begierigen Blicke von Milo dachte.
Nachdem ich in meine Klamotten geschlüpft war, betrachtete ich mich im Zimmerspiegel. Ich ließ meinen Blick von oben nach unten über mein Spiegelbild gleiten und wackelte unzufrieden mit meinen Zehen. Irgendetwas fehlte noch...
Ich huschte auf leises Sohlen quer durchs Zimmer und öffnete Lilyas Schmuckkästchen. Sie hatte von uns beiden zum einen mehr Schmuck und zum anderen auch noch den, der schöner war. Ich hatte mir schon lange keinen mehr gekauft, weil ich den Sinn darin nicht wirklich sah – schließlich hatte ich bis zum gestrigen Tage auch noch niemanden beeindrucken wollen. Aus diesem Grund hatte ich in meinem eigenen Schmuckkästchen mehr kitschigen Krimskrams, den sich womöglich ein zehnjähriges Mädchen begeistert umhängen würde, aber keine fast erwachsene Nereide.

DU LIEST GERADE
Nymphenkuss
Fantasy{ ABGESCHLOSSEN } Einige Momente lang durchdrang lediglich das Rascheln der Blätter um uns herum die Stille, dann untermalte ich sie mit leisen Worten. „Du, Aryan?" „Ja?" „Wie lange wird das Saphirherz eigentlich leuchten?" „Solange ich lebe und du...