{ 7. Kapitel }

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Meine nackten Füße trugen mich schnell den Flur entlang, zur massiven, holzverkleideten Eingangstür hinaus und dann über die großflächig angelegte Rasenfläche, deren Halme mich sanft an meinen Zehen kitzelten. Letzte Nacht noch hatte meine Zukunft auf der Kippe gestanden und heute erfreute ich mich einfach nur an jedem Stückchen Normalität in meinem Alltag.

Während ich in Richtung des von Schilfhalmen umwuchsenen Teichs ging, an dem die Wasserkünste der Nereiden unterrichtet wurden, kamen mir einige Neyen entgegen. Die meisten kannte und grüßte ich und ein paar wenige kommentierten meinen Stilwechsel mit einer kurzen, beifälligen Bemerkung. Klar war es immer schön, Komplimente zu hören, aber ehrlich gesagt gab es im Augenblick nur einen, von dem mir die Worte wirklich etwas bedeuten würden: Aryan. Und genau dieser spezielle Jemand lief mir natürlich nicht über den Weg.

Schließlich war ich am Teich angelangt und ließ mich im Schneidersitz am Rand nieder. Ein paar Nereiden waren ebenfalls in der Nähe und ein schulbekanntes Pärchen saß mir gegenüber und schien in einen hitzigen Streit vertieft zu sein. Während ich eine Fingerspitze in das kühle Nass tauchte und kleine Bahnen im trüben Wasser zog, fiel es mir schwer, das Wortgefecht der beiden zu ignorieren. Die blonde Nereide namens Thayla - sehr auffällig dank ihrer püppchenhaften Gestalt, ihrer melodischen Stimme und ihres hellblonden, meist lockigen Haares - schien ihren Freund Halio irgendwelche Vorwürfe zu machen, die er heftig zu bestreiten schien. Ehrlich gesagt bezweifelte ich, dass sich Thayla irgendwelche Geschichten ausdachte, denn Halio war nicht unbedingt ein Neye, der für seine Treue bekannt war. Angeblich hatte er seine langjährige Freundin schon oft betrogen, doch sie hatte ihn stets wieder zurückgenommen. Es schien so, als sei der alte Kreislauf wieder einmal erwacht - wenig überraschend. Aber ich wusste, es würde wieder einmal so enden, dass Thayla ihm verzieh und er sie vermutlich später einmal zu seiner Sýntrofa erwählen würde.

Als sich schließlich unser Professor näherte, schubste Thayla Halio aufgebracht weg, sodass er hinten überfiel. Zuvor hatte er lässig vor ihr gehockt und mit stark akzentuierten Gesten versucht, sie von seiner Unschuld zu überzeugen. Mit grimmigen Gesichtsausdruck und wütend blitzenden, grünen Augen verschwand er schließlich, nachdem er sich den Staub abgeklopft hatte. Seine lockigen, halblangen Haare, die aufgrund seiner raschen, wütenden Schritte auf und ab wippten, waren das Letzte, was wir von ihm zu sehen bekamen.

Ich bemerkte, wie ein paar Nereiden den Kopf über das unharmonische Paar schüttelten und sich entnervt abwandten - wie schon gesagt, uns allen war klar, wie die Geschichte ausgehen würde.

Schließlich zog ich meinen Finger aus dem angenehm kühlen Teich und wandte mich unserer Lehrperson zu, Professor Bralto. Er musterte uns aus kühlen, blauen Augen, bevor er energisch in die Hände klatschte und uns zur Ruhe gemahnte. Prüfend ließ er die Augen über die versammelten Anwesenden schweifen, dann stöhnte er genervt. „Wo ist Milo?", fragte er uns und wir zuckten ratlos mit den Schultern. Gut, eigentlich zuckten nur exakt zwei Personen mit den Schultern, während der Rest ihn einfach nur wortlos anstarrte.

Plötzlich ertönte ein fröhliches Pfeifen und der gutaussehende, gesuchte Nereide erschien in Sichtweite. Professor Bralto sagte kein einziges Wort. Oh-oh. Dies tat er nur an seinen schlimmen Tagen, an denen er wirklich, wirklich, wirklich schlechte Laune hatte. Als Milo sich schließlich in meiner Nähe auf den Boden sinken ließ, warf unser Professor ihm einen vernichtenden Blick aus gefühlt gletscherkalten Augen zu. Nun zuckte selbst der sonst so gelassene Milo zusammen und murmelte eine betretene Entschuldigung.

Bralto atmete tief durch - offenbar, um sich zu beruhigen. „Nun gut, jetzt, wo alle anwesend sind, werde ich Ihnen zunächst einmal verraten, was wir in dieser Stunde vorhaben. Wie Sie es sich vielleicht schon denken können, wollen wir an ihren magischen Wasserkräften weiterarbeiten. Sie wissen alle, höchstes magisches Können gleicht einer Perfektion, die nur wenige von uns erreichen. Natürlich bin ich einer der wenigen, die sie...nun ja, vervollkommnet haben."

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