{ 47. Kapitel }

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Am nächsten Morgen galt mein erster Blick der Balkontür, die gräulich-blaues Dämmerlicht in mein Zimmer schickte. Als ich mich erhob, die Tür nach innen hin öffnete und auf den Balkon trat, sog ich die kühle Luft des beginnenden Tages tief in meine Lungen. Ein leichtes Frösteln lief über meine Arme und mein Dekolleté. Ich hatte zum Schlafen nur ein dünnes Top angezogen, das für diese Witterung eindeutig nicht geeignet war. Ein frischer Wind blies mir ein paar meiner dunklen Strähnen ins Gesicht, der Himmel war bedeckt, dicke Wolken gingen Grau in Grau ineinander über und den Stand der Sonne konnte man nur erahnen. Vielleicht ändert sich das Wetter bis zur Nacht nicht und ich entgehe der Gefahr, in meine Mondtrance zu verfallen. Aber bei meinem Glück wird sich pünktlich zum Sonnenuntergang der Himmel öffnen und mir eine tadellose Sicht auf alle nächtlichen Himmelskörper ermöglichen. Mein zunächst hoffnungsvoller Blick wurde leicht säuerlich, als meine Gedanken eine Kehrtwende machten und mit einem tiefen Seufzer wandte ich mich von der Balustrade ab und ging zurück in mein Zimmer.

Nach einer ausgiebigen Dusche, in der mir einmal mehr auffiel, wie sehr mir mein vertrauer Wasserlilien-Duft fehlte, machte ich mich auf den Weg in den Speisesaal. Bei einem routinierten Blick in den Spiegel war mir bewusst geworden, dass die Zeichen des Angriffs von Sakras mittlerweile nicht mehr als Bissmale zu erkennen waren. Aus diesem Grund trug ich nun ein einfaches schwarzes, dem Wetter angepasstes Langarm-Shirt, welches nicht mehr so hochgeschlossen war wie diejenigen, die ich in den letzten Tagen getragen hatte. Ich musste zugeben, ich hatte mich in dadurch ein wenig eingeschränkt gefühlt und auch nicht sonderlich sehr wie ich selbst. Zuhause hatte ich nie etwas Hochgeschlossenes getragen und auch nicht mit meinen Reizen gegeizt. Allerdings war es unter den Umständen hier nicht möglich gewesen, meinen Hals offen zu präsentieren und ich war mir auch nicht sicher, ob ein wenig Ausschnitt die Verlockung meiner Kehle nicht noch weiter betonte. Merkwürdigerweise verlieh mir die gewohnte Kleidung, die ich stets in der Neyen-Akademie getragen hatte, jedoch trotz der Umstände ein Gefühl von Selbstsicherheit und auch von Selbststärke und deshalb beschloss ich, keinen Schal oder Ähnliches zu verwenden, um meinen Ausschnitt sowie die Region rund um mein Schlüsselbein zu verbergen.

Als ich nun nach draußen trat und das Wohngebäude hinter mir ließ, genoss ich die Brise, die über die Stellen meines Oberkörpers strich, die nicht von Kleidung abgeschirmt war. Meine Beine zierte eine dunkelblaue Jeans und meine Füße...nun, sie waren wie immer nackt. Ich musste zugeben, dass ich mir unter all den layphischen Schuhträgern in den letzten Tagen immer merkwürdiger vorgekommen war, aber allein der Gedanke an ein Material, das den direkten Kontakt zwischen mir und dem Boden unterbrach, verursachte mir eine Gänsehaut der unguten Art.

Wenige Momente später betrat ich den Speisesaal und wollte mir meinen Teller wie gewohnt mit dem Deko-Obst und dem Deko-Gemüse füllen, als ich bemerkte, dass auf einem kleineren Beistelltisch am Rande des Büfetts ein Müslispender, kleine Brötchen, Marmelade und ein paar Croissants aufgetischt waren, zusammen mit einem kleineren, durchsichtigen Gefäß, das Milch enthielt. Mit großen Augen schritt ich darauf zu und ließ meinen Blick beinahe fassungslos über die Speisen gleiten, die ich seit knapp einer Woche nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte und das Wasser lief förmlich mir im Mund zusammen.

„Ist etwas für dich dabei?" Aus dem Nichts heraus erklang Navarras seidenweiche Stimme hinter mir und ich konnte ein leichtes Zusammenzucken nicht unterdrücken. Ich atmete einmal tief durch, um den kleinen Schreck aus meinen Gliedern und meinem Gesicht zu vertreiben, wandte mich anschließend zu ihm um und nickte.

„Auf jeden Fall. Danke", antwortete ich ihm schlicht und ehrlich. Ich war wirklich dankbar. Oftmals hatte sich bereits vor der Mittagszeit wieder ein Magenknurren bei mir eingestellt, was ja auch nicht wirklich verwunderlich war, wenn man bedachte, dass das wenige Obst und Gemüse einige Tage lang meine einzige Nahrungsquelle gewesen war. Diese Auswahl jetzt vor mir zu sehen...damit hatte ich schon gar nicht mehr gerechnet oder gar darauf gehofft.

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