Ich bohrte meine Fingernägel in die Fugen der Steinmauer, die sich an meinen Rücken schmiegte, während ich starr beobachtete, wie sich der fremde Mann mir weiterhin näherte. Dabei hob er beschwichtigend die Arme, als wolle er mich beruhigen, doch das unvertraute Rot-Gold seiner Augen ließ meinen Herzschlag weiterhin schmerzhaft in meiner Brust galoppieren.
„Was sind sie?", stieß ich leise hervor, spürend, wie meine Finger leicht zitterten. Daraufhin presste ich sie nur noch stärker in die Mauer hinter mir. Auf einmal ertastete ich etwas Weiches und strich intuitiv vorsichtig darüber, ich glaubte zu wissen, was sich dort unnachgiebig einen Weg durch die Mauer suchte und bezog Kraft und Ruhe aus dem winzigen Pflänzchen unter meinen Händen. Ich atmete einmal tief durch, den Fremden weiterhin fokussierend und auf eine Antwort wartend. Bisher hatte er nicht mehr gemacht, als seine Arme sinken lassen, während er mich von oben bis unten prüfend gemustert hatte.
Einige weitere Momente vergingen, bis seine Stimme schließlich die Stille zwischen uns füllte. „Ich bin der Leiter der hiesigen Akademie." Ein kaum wahrnehmbares Lächeln spielte um seine Lippen und offenbarte dennoch kleine Lachfältchen um seine golden gefärbten Augen.
Ich atmete einmal tief durch. Ich war mir sicher, dass er wusste, dass ich mich nicht auf seine Position hier bezogen hatte, als ich gefragt hatte, was er war. Denn ein Neye war er definitiv nicht also...was war er sonst?
„Das war nicht das, was ich wissen wollte. Sie sind kein Neye. Was haben Sie hier zu suchen?" Ich kniff meine Augen zusammen. Der erste Schreck über die Färbung seiner Augen war vergangen und er ließ mir die Komfortzone und den Abstand, die ich brauchte, um mich nicht eingeengt zu fühlen.
„Nun, Serena, die bessere Frage wäre vermutlich, was du hier zu suchen hast. Aber darüber hat eure höchste Professorin mich bereits aufgeklärt." Der ungewohnte Tonfall brachte mich ein wenig aus dem Konzept. Es war zwar üblich gewesen, dass unsere Professoren uns mit unseren Vornamen ansprachen, aber wir waren doch stets höflich gesiezt worden.
„Also werde ich das beantworten, was du eigentlich wissen wolltest. Ich bin Professor Navarra und, wie ich zuvor bereits sagte, Leiter der hiesigen Akademie für...Layphen." Während seiner gegen Ende zögerlich ausgesprochenen Worte hatte er mich unentwegt gemustert und auch jetzt wich sein Blick nicht von mir.
Ich erstarrte. Meine Fingernägel bohrten sich wieder stärker in die Mauer hinter mir, vergessen war jegliche, noch so winzige Entspannung. Er war ein Layph? Ein Nachkomme der Lamien?
Augenblicklich standen mir wieder die Bilder der Mythologie-Stunde vor Augen. Die roten, verschmierten Lippen, verklebt vom Blut der Jungfrauen dieser Welt und die weiß glühenden, seelenlosen Augen ohne Pupille. Navarra, der wohl die Panik in meinen Augen sah, trat einen Schritt auf mich zu und hob seine Arme, wohl, um mich zu beruhigen.
„Nicht!", stieß ich hervor. „Kommen Sie mir ja keinen Schritt näher!" Ich schmiegte mich stärker an die Wand hinter mir und atmete nur noch flach und abgehackt. Ich wagte es kaum, den Blick von dem irren Wesen vor mir abzuwenden, doch hin und wieder ließ ich ihn blitzschnell über den Innenhof wandern, auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Der Wald, durch den ich zur Akademie gelangt war, schied aus, denn das riesige Tor war fest verschlossen. Über die umgebende Mauer zu klettern, wäre machbar – aber bis dahin würde mich Navarra geschnappt haben und vermutlich verspeist haben. Außerdem wollte ich ihm um keinen Preis den Rücken zukehren.
Unterdessen bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie sich der Layph vor mir wieder auf mich zu bewegte. „Serena, bleib bitte ruhig."
Einen Teufel würde ich tun! Stehen bleiben und mich dann von ihm aussaugen lassen?! Wovon träumte er nachts? Mein panischer Atem ging zusehends hektischer, mein Blick verengte sich auf die roten Funken in seinen Augen, die direkt auf meine Kehle zu blicken schienen. Mir wurde bewusst, warum Professorin Aedaira mich hierher verwiesen hatte – sie wollte mich einfach so beiseiteschaffen. Deshalb das hämische Grinsen.

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Nymphenkuss
Fantasy{ ABGESCHLOSSEN } Einige Momente lang durchdrang lediglich das Rascheln der Blätter um uns herum die Stille, dann untermalte ich sie mit leisen Worten. „Du, Aryan?" „Ja?" „Wie lange wird das Saphirherz eigentlich leuchten?" „Solange ich lebe und du...