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POV Tim

"Jungs, wo habt ihr Nick gelassen?! Ist er nicht mit euch gekommen?" fragend wand ich mich zu Ben und Rico, die laut lachend und herum albernd die ganze restliche Ex-Schülerversammlung unterhielten, während ich überprüfte, ob auch alle da waren, oder ob wir noch auf weitere Nachzügler warten mussten. "Nick?! Ich glaub der Typ ist eingepennt... Ist auch besser so, ein Arschloch wie ihn können wir nicht gebrauchen." lautete die schnippische Antwort des hünenartigen Rothaarigen, den ich als Lars in Erinnerung behalten hatte, der ebenfalls das Viererzimmer mit Ben teilte. Ich nickte langsam. Nick schien wirklich keinen guten Ruf innerhalb seiner Stufe zu haben. Das seine und Bens Freundschaft durch seine - zugegebener Maßen ziemlich grenzwertigen- Aktionen in die Brüche gegangen war, hatte ich mir ja schon denken können, aber war es wirklich der ganzen Stufe so nah gegangen, dass Nick seinen besten Freund und Finn so hintergangen hatte?! Oder würden sie eh alles tun, was Ben ihnen sagt?

"Ich werde ihn holen gehen. Wir sind schon den ganzen Tag unterwegs, er braucht etwas zu Essen." mit den Worten löste ich mich aus der Gruppe und ging mit zügigen Schritten auf das Gebäude zu, das sich vor mir erhob.

Ich brauchte einige Anläufe, bis ich endlich vor der richtigen Tür anhielt und zögernd an diese klopfte. Ich war mir nicht sicher, wie ich Nick gegenüber treten sollte. Ich hasste ihn für das, was er meinem Bruder immer wieder versucht hatte anzutun, aber gleichzeitig hatte ich diesen nervenden, ununterdrückbaren Drang mehr über den schlecht einschätzbaren jungen Mann herauszufinden.

Als sich niemand von der anderen Seite der Tür meldete, drückte ich vorsichtig die Klinke runter und schob die Tür einen Spalt auf. In dem jetzt schon total verwüsteten, unaufgeräumten Zimmer lag zwischen dieser ganzen Unordnung tatsächlich eine zusammengerollte Gestalt auf dem, am weitesten von den anderen entfernten, Bett. Leise trat ich ein und durchquerte mit wenigen Schritten den kleinen Raum. Immer noch darauf achtend, den schlafenden Jungen nicht zu wecken, ließ ich mich neben diesem auf die Matratze sinken und ließ meinen Blick über den Körper neben mir schweifen. Das schmale Gesicht war über und über mit leichten Sommersprossen übersät und die geschlossenen Wimpern warfen lange Schatten auf die heraus stechenden Wangenknochen, die zusammen mit den vollen, sinnlich-geschwungenen Lippen ein fast schon weibliches Bild abgaben. Wenn ich ihn so ansah, musste ich zugeben, dass er so ziemlich genau meinen Typ entsprach. Schade eigentlich, dass er nicht nur hetero, sondern auch noch ein ziemlich homophobes Arschloch war, das dazu noch eine der wichtigsten Personen in meinen Leben, wie ich Finn schon immer bezeichnet hatte, mehrere Male geschlagen, sowie auch noch versucht hatte vor einer ganzen Schülerschar bloß zu stellen. Warum also machte ich mir überhaupt Gedanken über diesen feigen, intoleranten Vollidiot von Mann, der sich mit Schwächeren und Jüngeren anlegte?!

Also riss ich mich zusammen und weckte Nick mit einem lauten "Aufstehen!" sodass er fast vor Schreck aus dem Bett fiel und mich augenblicklich schlaftrunken anstarrte. Sein Mund klappte geschockt auf und zu, während seine vor Schreck geweiteten, grünlichen Augen immer wieder über mein Gesicht huschten, das seinem, durch das plötzliche Aufsetzten des Jungen, unangenehm nahe gekommen war. "Ähm... J-ja ich k-komme ja sch-schon." krächzte er nach einigen Sekunden peinlichen Schweigen und Starren mit vom Schlaf rauer Stimme, während er sich verwirrt durch das dunkle Haar strich. Ich grinste leicht über die - zugegebenermaßen niedliche- müde Verpeiltheit Nicks und beobachtete mit Verwunderung, wie seine von vielen hellbraunen Pünktchen übersehene Wange sich langsam rosa färbte. War ihm seine Unsicherheit mir gegenüber etwa peinlich? Hatte ich gerade eventuell eine Schwachstelle in der sonst so mühsam aufgebaute Mauer aus Hass und Ignoranz gefunden, die er anscheinend sonst jedem zeigte, der ihm auf irgendeine Weise zu nah trat?


POV Nick

Mit heißen Wangen saß ich vor Tim, welcher mich sanft anlächelte. Warum sah er mich so an? „Ähm ja, vielleicht sollten wir dann jetzt auch gehen." Meine Stimme war noch immer kratzig und verlegen schaute ich nach unten. Warum zur Hölle war ich verlegen? „Du hast recht, das sollten wir." Er stand auf und sah mich abwartend an, bis ich mich ebenfalls erhob. Sein Blick glitt über meinen Körper, als ich mich streckte und irgendwie genoss ich die Tatsache. Verfickte Scheiße. „Mach 'n Foto wenn du es nicht lassen kannst, aber hör auf mich anzustarren.", fauchte ich ihn an und ging zur Tür. „Warte." Ich drehte mich zu Tim um und er sah peinlich berührt, jedoch entschlossen in meine Augen. „Ich krieg noch dein Handy. Der Rest hat das eben schon abgegeben, als du noch hier rum gelegen hast und vielleicht solltest du so langsam mal anfangen Respekt vor mir zu haben, ich bin immer noch älter als du und sei gefälligst dankbar, dass ich dich geweckt habe, schließlich haben dich die anderen einfach hier liegen gelassen." Autsch. Musste er mir noch vorhalten, dass ich den anderen so egal war? „Ich weiß, dass niemand mich mag, das musst du mir nicht unter die Nase reiben. Und Respekt sollte verdient sein. Hier hast du mein scheiß Handy. Ich bin weg." Wütend auf mich selbst, dass ich so über reagierte, klatschte ich ihm mein Handy in die Hand und rauschte aus dem Zimmer. Zu den anderen würde ich jetzt bestimmt nicht gehen. Stattdessen schlug ich die andere Richtung ein. Zum Meer.

Schon von weitem stach mir der Geruch des Strandes in die Nase und ohne es zu wollen wurde ich immer schneller, bis ich genau davor stand. Sollte ich..? Verdammt ich brauchte das jetzt. In Rekordzeit kickte ich meine Schuhe von den Füßen und warf sie hinter mich in den Sand. Mein Shirt und meine Hose folgten direkt danach und schließlich, nur noch in meiner Boxer rannte ich ins Wasser und tauchte unter. Sobald die Wellen über meinem Kopf zusammen schlugen schrie ich. Ich schrie und schrie und schrie, bis mir die Luft ausging und ich gezwungener Maßen wieder auftauchte. Frustriert und wütend schlug ich mit meinen Fäusten auf das Wasser und ganz vielleicht vermischte sich auch die ein oder andere Träne mit dem Salzwasser, welches mir aus den Haaren tropfte. Warum musste sowas auch immer mir passieren? Und ich war selbst schuld. So sehr ich die Schuld auch immer wieder versuchte auf den zierlichen blonden Jungen abzuwälzen, im Endeffekt war ich es gewesen, welcher die Freundschaft zu Ben zerstört hatte. Dabei wollte ich ihn doch nur nicht teilen und erst recht nicht mit einem Jungen. Verdammt, Ben war meine Familie, mein Freund, mein Bruder und jetzt hatte ich gar keinen mehr. Eine Familie, die sich nur äußerlich für mich interessierte und Freunde, die mich hassten. Ben war immer für mich da gewesen, sowie ich für ihn. Wir waren ein Team, doch Finn trieb ihn immer weiter weg von mir und das wollte ich nicht zu lassen. Aber ich wusste dennoch, dass ich nicht richtig gehandelt hatte.

Still geworden ließ ich mich wieder unter Wasser gleiten, schloss die Augen und ließ mich langsam auf den Grund sinken. Das hatte ich früher als Kind schon immer gemacht, wenn ich mal komplett abschalten wollte und zu meinem Glück konnte ich schon immer lange die Luft anhalten. Unter Wasser, ohne jegliche Geräusche, ließ sich immer alles am leichtesten verdrängen. Ich musste später dringend mal ans Meer ziehen. Oder mir zumindest einen Pool anschaffen. Plötzlich packten mich Hände unter den Armen und zogen mich nach oben. Panisch schlug ich um mich, schluckte Wasser und hustete stark, sobald ich wieder über Wasser war. Starke Arme umschlossen meinen Körper, hielten mich an eine warme Brust gedrückt und über Wasser, während ich das Wasser, welches ich nicht geschluckt hatte wieder rausprustete. Als ich mich wieder beruhigt hatte, löste ich die Arme von mir und drehte mich wütend um. "Was zur Hölle sollte das?" schrie ich los, als meine Augen strahlend blauen begegneten.

Because Things changed (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt