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So hatten wir uns Tim vorgestellt ~>

POV Tim

"Ich will nicht, dass ihr geht! Was soll ich denn nur 2 ganze Wochen ohne euch machen?!" seufzte mein Bruder immer und immer wieder, während sich seine schmalen Hände in den dunklen Stoff meines T-Shirts krallten. Wie schon keine 2 Minuten zuvor bei seinem Freund Ben, drückte er seine Nase in meine Brust und begann zu schniefen. Er weinte doch jetzt nicht wirklich, oder? Ich meine, ich wusste ja, dass er sehr empfindlich war und diese zwei Wochen ohne seinen Freund und Bruder ihm wohl wie Jahre vorkommen würden, aber mit 16 Jahren sollte man doch wohl so langsam etwas Erwachsener werden. Ich schob ihn ein paar Zentimeter von mir, um ihm prüfend in das Gesicht zu sehen und tatsächlich: vereinzelte Tränen bahnten sich den Weg über seine geröteten Wangen und die hellblauen Augen, die meinen fast komplett glichen, hielt er fest geschlossen. "Finni," sagte ich so sanft wie nur möglich. Von meinem Bruder hatte ich gelernt, dass jedes unüberlegtes Wort, das ein bisschen zu barsch und hart kam ganz schnell in einem Riesen Desaster enden konnte. "Anna ist doch noch hier und außerdem geht die Abschlussfahrt doch nur 14 Tage. Du wirst sehen, das geht ganz schnell vorbei." hoffte ich mal, denn ich hatte ehrlich gesagt nicht wirklich Lust als Betreuer auf eine Horde wild gewordener 18 jährige aufzupassen, die ganz sicher die Fahr als eine Art Einladung sahen, erneut ihre bestandenen Abis zu befeiern. "Und weißt du was?! Ich bin Aufseher, was heißt, dass ich mein Handy behalten darf. Wir können jeden Abend telefonieren und vielleicht kann ich ja ganz aus versehen beim Zimmer Rundgang Bens bei ihm vergessen." ich zwinkerte Finn grinsend zu und bemerkte mit Genugtuung und Erleichterung, dass seine Tränen fast augenblicklich Platz machten für ein strahlendes Lächeln, das das kleine Grübchen in seinem Kinn deutlich machte. Ich strubbelte ihm noch einmal durch das blonde Haar, ehe er sich mit einer erneuten Umarmung von mir verabschiedete und schnellen Schrittes wieder zu Ben tapste. Dort angekommen schmiss er sich sofort wieder an seinen Freund und dieser drückte lachend seine Lippen auf die des erheblich Kleineren. Ich grinste ihn einmal wissend an, bevor ich mich zu dem Bus wandte. Für Ben würde es wohl noch mehr Überzeugungskraft brauchen, Finn zu beruhigen, als bei mir. Denn die zwei hatte es wirklich erwischt. Allein schon beim bloßen hinsehen konnte man die Liebe zwischen den zwei ziemlich unterschiedlichen Persönlichkeiten spüren. Gott, musste das schön sein noch einmal so verliebt zu sein. Ich seufzte, ehe ich mich in Bewegung setzte und die letzten Schritte auf den schon mit reichlich ehemaligen Schülern, die schon jetzt eine unglaubliche Lautstärke erzeugten, gefüllten Bus zu. Ich ließ mein Blick noch einmal von außen über all die Fenster gleiten. Zu sehen waren eine Menge junger Erwachsener, die alle aufgeregt schnatternd aus dem Fenster starten oder sich mit allen möglichen Süßigkeiten vollstopften, bevor der Bus überhaupt losgefahren war. Kopfschüttelnd stieg ich die wenigen Stufen hoch, an dem mürrischen Busfahrer vorbei und ließ mich neben Frau Jahnsen fallen, die andere Begleitung, die mit auf die Fahrt kam. Die Schüler durften sich diese selbst aussuchen, deshalb war es kein Wunder, dass mit der jungen Lehrerin eine wirklich heiße Dame ausgewählt wurde. Wie ich es in die Auswahl geschafft hatte, ohne überhaupt nur den Ansatz pädagogischer Fähigkeiten zu haben war für mich ein Rätsel, aber es war auf jeden Fall besser als mit einem vor Liebeskummer sterbenden Finn die Zeit zu verbringen, der alle möglichen Theorien aufstellen würde, mit wem und in welcher Situation Ben ihn in den zwei Wochen betrügen würde. Nichts gegen meinen Bruder, aber was das anging, hatte er wirklich eine blühende Fantasie und es würde sicher auf Dauer anstrengend werden. Zudem sprang auch ein vernünftige Bezahlung raus und vielleicht hatte ich dort auch mal die Möglichkeit neue Leute kennen zu lernen. Ganz, ganz tief in mir drinnen hatte nämlich auch Ich noch den Wunsch und die Hoffnung so glücklich wie Ben und Finn zu werden. Vielleicht wurde ich ja mal erhört und der oder die Auserwählte (jap, Finn ist nicht der einzige in der Familie, der Jungs mindestens genauso attraktiv fand wie Mädchen.) befand sich jetzt schon in diesem Bus voller Idioten, wer weiß?!

POV Nick

Müde warf ich noch schnell meine letzten Sachen in meinen Koffer und schloss den Reißverschluss, ehe ich zur Tür stolperte. "Bye Mum." "Tschüss Schatz, viel Spaß." Undeutlich eine Antwort grummelnd verließ ich das Haus und legte einen Sprint zur Schule ein. Ich war schon wieder ziemlich spät dran, doch heute konnte ich mir nicht leisten zu spät zu kommen, schließlich fuhren wir heute auf Abschlussfahrt. Zumindest diejenigen, die bestanden hatten. Und ich war einer davon. Als ich völlig abgehetzt an der Schule ankam, wollte ich am liebsten wieder umkehren. Abschlussfahrt hin oder her, aber meinen ehemaligen besten Freund mit seinem Boyfriend rum knutschen zu sehen, ließ meine Laune noch weiter absinken. Ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, was Ben an dem zierlichen Blondschopf fand, welcher sich an ihn klammerte als hinge sein Leben davon ab. Ich konnte ihn auf jeden Fall nicht leiden. Diese dauerhafte Fröhlichkeit war ekelhaft und dieses Gequietsche war nicht zum aushalten. Er war ein großes Kind! Mal ganz davon abgesehe, dass er der Grund war, warum mein ehemaliger bester Freund eben nicht mehr mein bester Freund war. Alles war gut, bis er gekommen war. „Könnt ihr das nicht wo anders machen? Das ist ja widerlich!"

Missmutig lösten sich die beiden einen kurzen Moment von einander, um mich böse an zu funkeln, nur um direkt danach damit fortzufahren sich gegenseitig ihre Zungen in den Hals zu stecken. Während ich Ben in Gedanken anbetete, er möge Finn seine Zunge abbeißen, schleppte ich meinen Koffer zum Bus und überließ ihn, nachdem ich mir mein Handy und Kopfhörer geschnappt hatte dem Busfahrer zum einräumen. Ohne irgend jemanden zu grüßen oder auch nur anzusehen, stieg ich ein und machte mich direkt auf den Weg in die letzte Reihe, wo ich mich ans Fenster lehnte die Augen schloss und zu den Klängen von The Fray bereits wieder weg dämmerte.

Wach wurde ich durch einen gellenden Schrei und darauf folgendes Lachen. Ich öffnete meine Augen grade rechtzeitig, um zu sehen, wie Klara, ein Mädchen welches ich aus meinem Deutschkurs kannte, sich einen Pfeil von einem Kinderspielzeug von der Stirn entfernte, auf der der Saugnapf eine rote Stelle hinterlassen hatte. Auch sie kicherte mittlerweile leise vor sich hin und warf den Pfeil nach Ben, welcher immer noch eine kleine Armbrust aus Plastik in der Hand hatte und vor lachen beinahe keine Luft mehr bekam. Meine Mundwinkel hoben sich bei dem Anblick um wenige Millimeter, doch es reichte für ein kleines Lächeln und die anschließende traurige Grimasse. Früher hätte ich neben ihm gesessen und mit ihm gelacht, ihn angefeuert und vielleicht sogar selbst den Pfeil geschossen, doch diese Zeiten waren vorbei. Erst als ein ermahnendes Wort von vorne kam, bemerkte ich den etwas älteren blonden Jungen, welcher neben Frau Jahnsen Platz genommen hatte. Als ich ihn erkannte seufzte ich. Das war doch der große Bruder von der kleinen Klette. Ich hatte ihn an dem Abend von Bens Konzert schon mal gesehen. Beziehungsweise waren wir danach in einander gelaufen und er war mir von Anfang an genauso unsympathisch gewesen wie sein Bruder. So ein Scheiß, wenn man einmal vor dem Ruhe hatte, schickten sie einem einfach ein anderes Familienmitglied auf den Hals.

Grummelnd schloss ich meine Augen wieder und blendete die anderen Schüler um mich rum den ganzen Rest der Fahrt aus, konzentrierte mich ganz auf meine Musik, bis man am Horizont das Meer glitzern sah. Zum ersten Mal an diesem Tag durchströmte mich ein Funken echter Freude. Ich hatte das Meer schon immer geliebt. Dort passierten Sachen, von denen man nie geahnt hatte, dass sie passieren würden..

Because Things changed (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt