~6~

6.8K 405 40
                                    

POV Tim

Am nächsten Morgen wurde ich durch ein lautes, unregelmäßiges Klopfen an der Tür geweckt. Es dauerte einen Moment, bis ich verstand, wo ich mich befand, doch dann sprang ich fast sofort fluchtartig aus dem ungemütlichen Jugendherbergsbett. Scheiße, ich hatte als Aufsichtsperson tatsächlich schon am ersten Tag verschlafen... Herzlichen Glückwunsch, Tim. So wie ich war, also nur in Boxershorts und Wollsocken, ja, ich schlief grundsätzlich nicht gerne mit kalten Füßen, schlitterte ich zu der verschlossenen Zimmertür und riss diese, nach dem zweiten missglückten Versuch, den Schlüssel im Schloss umzudrehen, endlich auf. Vor mir stand eine, wie immer, leicht bekleidete Frau Jahnsen, die sich anscheinend nicht ganz entscheiden konnte, ob sie mich wütend, oder auf Grund des ungehinderten Blickes auf meine unbedeckte Brust, lächelnd ansehen sollte. Stattdessen sagte sie nur mit einer, auf versauter Weise strengen Stimme:"Sie sind spät dran, Herr Andersson... Besser Sie ziehen sich schnell etwas an." und fügte noch ein mit einem albernen Lippen-lecken und Zwinkern begleitetes "Oder sie gehen so... Würde mich auch nicht stören." hinzu. Das laute Rumsen der zufallenden Tür, konnte man wohl bis in die letzte Ecke der Herberge vernehmen.
Ich brauchte gerade mal 5 Minuten, bis ich komplett bekleidet und sogar ansatzweise wach aussehend das Herbergshaus verließ und mich der Gruppe anschloss, die sich schon ungeduldig wartend auf dem Parkplatz versammelt hatte. Fast automatisch suchte mein Blick den von Nick, doch bevor ich ihn zwischen all den Schülern -ich werde sie weiter so nennen, auch wenn sie nun offiziell nicht mehr zur Schule gingen- entdecken konnte, schob sich der große, gut gebaute Körper von Ben vor mich. "Hi Timmi. Gut geschlafen?" fragte er breit grinsend und im Gegensatz zu mir, gar nicht verschlafen wirkend. Doch schon bevor ich zu einer Antwort ansetzten konnte, sprach er schon weiter:"Du willst doch sicher auch nicht das Programm durchziehen, das heute ansteht. Lass uns lieber alle zusammen zum Strand gehen." Ich schüttelte energisch den Kopf:"Nein, wir werden die nahe liegende Insel besichtigen, wie schon geplant. Das wird sicher lustig!"
Nein, wurde es nicht. Wer auch immer diese Idee hatte mit einem Haufen 18-jährige Stunden lang durch ein verschlafenes Dorf zu wandern, wollte diesen bestimmt nichts Gutes tun.
Okay, es war ich, der den Plan erstellt hatte.
Aber zu meiner Verteidigung: ich wollte mit dem straffen Zeitplan all den ungewollten Schwangerschaften und alkoholkranken jungen Erwachsenen entgegenwirken, die immer die Folge von den coolsten und freizeithaltigsten Abschlussfahrten waren.
Es dauerte circa 2 Stunden, bis die ersten Beschwerden und Bitten bei mir eintrafen. Ein Mädchen nach dem anderen, versuchte mich mit Dackelblick und unverschämt weiten Ausschnitt davon zu überzeugen doch lieber zum Meer zu gehen oder in einem der gemütlichen Cafes eine Pause einzulegen. Doch all die Versuche waren umsonst, bis plötzlich ein breit grinsender Ben neben mir auftauchte. "Hi Tim." fing er an und ich bereitete mich auf einen Redeschwall vor, der sich gewaschen hatte. Ich wusste, dass Ben nur der klaren Mission folgte, mich mit seinem unsinnigen Gerede in den Wahnsinn zu treiben und mich somit zu einem früheren Ende des Ausflugs zu bringen und ich dachte nach 5 Minuten echt, dass ich gewonnen hatte, doch dies schien gerade mal die Warmlaufphase für Ben gewesen zu sein. "...und irgendwann werden ich und Finn dann heiraten. Ich will ja, dass er dann ein Kleid trägt. Achja und wir adoptieren Kinder. Ein Mädchen und einen Jungen. Oder doch drei? Das müssen wir dann noch klären. Aber leider kann dein Bruder ja nicht schwanger werden. Dabei würde ich so gerne seine Kinder sehen. Die wären bestimmt so süß wie er. Ich könnte es ja mal versuchen. Also ohne Kondom... Vielleicht geht das ja." Ich warf ihm einen wütenden und zeitgleich genervten Blick zu. Das war doch nicht sein ernst! Doch Ben lachte nur und fuhr unbekümmert fort. Ich nahm mir fest vor, die restliche Zeit lang ihn einfach zu ignorieren und durchzuhalten.

Okay, ich gebs zu: das hat nicht wirklich gut geklappt. Wir sind ganz 3 Stunden früher als geplant zurück in der Jugendherberge. Den Grund könnt ihr ja sicher erraten. Ich hasse ihn! Wieso konnte er nicht einfach für sich behalten, wie er meinen kleinen süßen, bis dahin unschuldigen Bruder, an dem Abend nach seinem glorreich gefeierten Auftritt, entjungfert hatte. All diese Details, die er mir mit verklärten Blick erzählt hatte, hätte er auch ruhig für sich behalten können. Dann wären wir jetzt noch auf der Nachbarinsel im Naturmuseum, ich wäre nicht bis zu meinem Lebensende verstört und Ben? Ja, Ben wäre nicht aus versehen von dem Steg aus ins eiskalte Meer geschubst worden... Ja, aus versehen!


Because Things changed (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt