POV Tim
"T-Tim b-bist du da?" fragte eine leise Stimme durch die Tür, nachdem ich selbst nach dem dritten mal Klopfen immer noch nicht aufgemacht hatte. Ich hatte jetzt einfach nicht Nerv, um mich von irgendwelchen Mädchen zuquatschen zu lassen oder gar auf Frau Jahnsen zu treffen. Aber die zerbrechliche Stimme, die zögerlich zu mir durch drang, klang so gar nicht nach der Quietschigen der Lehrerin, der ich seit gestern wohl nie wieder in die Augen sehen konnte. Es klang viel mehr wie... "Nick?! Was ist denn mit dir passiert?" fragte ich geschockt, als der dunkle Haarschopf des Jungen hinter dem hellen Holz der Tür zum Vorschein kam. Sein Gesicht schien komplett ausdruckslos, doch seine geröteten Augen, die hilflos und ängstlich zwischen meinem Gesicht und dem Boden hin und her zuckten, verrieten eindeutig, dass irgendetwas vorgefallen war. "Komm rein." Ich versuchte nicht allzu besorgt zu klingen, doch ich konnte nicht abstellen, das meine Worte unglaublich sanft über meine Lippen kamen. Die Worte, die er mir bei unserem letzten zusammentreffen entgegengeschleudert hatte, hatten sich fest in meinem Kopf verankert. Ich schien von Anfang an recht gehabt zu haben. Nick war am Ende. Auch wenn er es versuchte nicht zu zeigen, tat ihm die Abweisung gegenüber all seinen damaligen Freunden doch mehr weh, als man es sich vielleicht vorstellen konnte. "Setzt dich." forderte ich ihn immer noch ruhig auf, während ich ihn sanft zu meinem Bett lotste und ihn in die weiche Matratze drückte. Nick wehrte sich nicht gegen meine Hand, die auf seinem unteren Rücken lag und sah nur konzentriert auf die Maserung des Holzbodens zu seinen Füßen. "Ben ist auf dem Weg ins Krankenhaus." sagte er abwesend und ohne jegliche Emotion in der Stimme. Doch wieder waren es seine grünen Augen, die sich langsam aber sicher mit Tränen füllten, die seine wahren Gefühle zum Ausdruck brachten. "Wieso das?" fragte ich etwas aus dem Konzept gebracht, da ich weder mit dieser Aussage, noch damit gerechnet hatte, dass er vor mir anfangen würde zu weinen. "I-ich... Ich bin schuld." Er holte einmal tief Luft und strich sich frustriert eine Träne von der Wange, die sich aus den langen Wimpern gelöst hatte, ehe er fortfuhr:"Ich hab ein Glas a-ausvershen kaputt gemacht u-und dann haben wir uns gestritten, weil... Naja... Also wir haben uns halt gestritten und dann bin ich sauer geworden und hab ihn geschubst. Ich w-wollte das doch gar nich-nicht." seine Unterlippe fing gefährlich an zu zittern. "E-er ist in den Scherben gelandet u-und es hat ganz stark gebautet und... U-und..." Nun fing er richtig an zu schluchzen und verbarg sein Gesicht schützend in seinen Armen. "Ich wollte das doch gar nicht." immer wieder wiederholte er diese Worte, während ich nur still und etwas überfordert daneben saß. Natürlich wusste ich gut genug von Finn, wie man mit so sehr weinenden Personen umgehen musste, allerdings war ich mir nicht sicher, wie Nick darauf reagieren würde. Dennoch nahm ich den zitternden Körper in meine Arme und drückte ihn beruhigend flüsternd an meine Brust. "Ist okay. Es ist schon nichts schlimmes passiert. Niemand gibt dir die Schuld dafür, ok? Du hast ihn nicht mit Absicht verletzt. Sowas passiert halt bei einem Streit." Zufrieden stellte ich fest, dass sich Nick anscheinend wirklich beruhigte, während ich ihn wie ein kleines Kind in meinen Armen hin und her schaukelte. Bei Leuten, die kurz vor einem Nervenzusammenbruch standen immer eine sehr wirksame Methode. "Ich rufe eben Finn an und danach gehen wir zusammen ins Krankenhaus und du kannst dich entschuldigen gehen und danach schläfst du erstmal etwas, ok?" Erst nickte Nick ergeben, doch fast in der gleichen Sekunde schüttelte er auch heftig den Kopf. "N-Nicht Finn anrufen. Er macht sich sonst nur unnötig Sorgen." Ich zog meine Augenbrauen zusammen und grinste dann leicht. "Machst du dir grade Sorgen um meinen Bruder?" fragte ich und konnte die Verwirrtheit und gleichzeitige Belustigung in meiner Stimme nicht unterdrücken. "Ich doch nicht, Idiot. Aber das hat Ben gesagt." war Nicks wütende Antwort, bevor er sich hektisch aus meiner Umarmung riss. "Kannst mich dann auch langsam loslassen, bin doch kein Kleinkind mehr." zischte er wütend, doch als er mein überraschten und auch fassungslosen Gesichtsausdruck sah, bröckelte seine harte Mine fast augenblicklich und er wich schuldbewusst meinem Blick aus. Ich seufzte nur:"Dann mal los, sonst verpassen wir Ben noch." und mit diesen Worten erhob ich mich und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Diese ständige Nähe zu Nick machte mich noch verrückt.
POV Nick
Na toll, jetzt war Tim auch noch sauer auf mich. Reicht ja nicht schon das ich meinem ehemaligen besten Freund grade praktisch die Hand aufgeschlitzt hatte. Oh Gott ganz ehrlich, wenn ich es nicht besser wüsste würde ich meinen ich bin Bipolar.
Es dauerte nicht lange zum Krankenhaus. Nur etwa zehn Minuten später standen wir in dem ungemütlichen Gebäude und hielten Ausschau nach dem schwarzhaarigen. Ich rümpfte angeekelt die Nase. Ich hatte Krankenhäuser schon immer gehasst. Man konnte den Tod ja schon fast riechen. Ich merkte wie Tim mich beobachtete, achtete aber nicht weiter darauf und lief einfach auf gut Glück in eine Richtung. Gott sei Dank war das Krankenhaus hier nicht so groß wie das bei uns, da hatte ich wenigstens eine geringere Chance mich zu verlaufen. Wäre auf jeden Fall nicht das erste Mal. Tatsächlich musste ich gar nicht weit laufen, bis ich ein vertrautes Zischen hörte. Die Tür zu dem Raum aus dem das Geräusch zu kommen schien war nur angelehnt und in meiner typischen Art schlug ich einfach die Tür auf und lief hinein. Anscheinend keine gute Idee, denn Ben stieß einen schmerzvollen Laut aus, da der Arzt sich scheinbar so erschreckt hatte, dass die Glasscheibe die eigentlich grade raus sollte nur noch tiefer in sein Fleisch schnitt.
"Verdammt das tut mir leid. Was zur Hölle tuen sie hier?", entschuldigte sich dieser sofort bei dem blauäugigen und entfernte die Scherbe so schnell wie möglich. "Na nach was siehts denn aus?" entgegnete ich spöttisch, warf dennoch einen mitleidigen Blick zu Ben, welcher nur wütend zurück starrte. "Raus.", war das einzige Wort das seinen Mund verließ und als ich mich nicht bewegte wurde er noch einmal lauter. "Verpiss dich hab ich gesagt. Hast du nicht genug angerichtet?" Verletzt sah ich nach unten und spürte zwei warme Hände auf meinen Schultern, die mich in Richtung gang schoben. "Keine Sorge, das wird schon wieder. Ich werde mit ihm reden." flüsterte mir die tiefe Stimme Tims ins Ohr, ehe er mich sanft in die Richtung der Stühle schubste die an der Wand standen und selbst ins Behandlungszimmer ging. Seufzend setzte ich mich und vergrub den Kopf in meinen Händen. Ich wurde aus meinen Handlungen nicht schlau. Vielleicht sollte ich einfach mal das machen was mein Körper mir sagt und nicht mein Kopf, das könnte einiges erleichtern. Plötzlich hörte ich laute Stimmen von drinnen und ein ziemlich wütender Ben stürmte keine Minute später mit einer verbundenen Hand aus dem Behandlungsraum. "Du", er zeigte auf mich "Wirst ab heute nicht mehr in unserem Zimmer schlafen ist das klar? Ich will dich nicht mehr sehen!" Erschrocken sah ich ihn an, doch er erwiderte nichts sondern schnaufte und ging. Tim, welcher mit Zwie gespaltenem Gesichtsausdruck mir gegenüber stand schüttelte den Kopf. "Dir ist bewusst das ich ihm das nicht mehr ausreden kann, oder?" Ergeben ließ ich den Kopf hängen. "Ja ich weiß. Dafür kenn ich ihn gut genug." "Gut, dann ist dir hoffentlich auch bewusst das deine einzige Möglichkeit ist, bei mir im Zimmer zu schlafen." Mein Kopf ruckte nach oben und ich starrte ihn geschockt an. Nein, das war mir nicht bewusst! Also, jetzt natürlich schon. Aber ich hatte ja gar keine Wahl und wollte ich nicht eh eigentlich aufhören drüber nachzudenken und einfach machen? "Okay", flüsterte ich also leise nachdem ich meinen Kopf wieder gesenkt hatte und vermied es ihn anzusehen. "Okay. Dann klär ich kurz noch den Rest an der Rezeption und dann gehen wir zurück damit du deine Sachen umräumen kannst. Ich hab in meinem Zimmer eigentlich nur ein Doppelbett, aber für den Notfall gibt es pro Flur ein Bett zum ausklappen das können wir dir holen..." Er redete weiter und lief währenddessen wieder Richtung Ausgang, doch ich hörte ihm gar nicht mehr zu. Ich wollte auf meinen Körper hören, doch wollte mein Körper nicht sich auch am liebsten mich Tim hingeben? Würde mir irgendwann wieder so ein Fehler unterlaufen wenn ich unachtsam war? Was wenn es vielleicht doch kein Fehler war, so wie die beiden versuchten mir klar zu machen? Ich sollte darüber nicht nachdenken. Das war doch genau das was ich vermeiden wollte. Ich würde schon noch herausfinden ob die Sache gut oder schlecht für mich ausgehen würde
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Because Things changed (boyxboy)
General FictionSeit sein damaliger bester Freund sich gegen ihre Freundschaft und für seine neue Beziehung mit einen Jungen entschieden hat, bricht Nicks vorher so unbeschwertes Leben nach und nach immer mehr ein. Während sich all seine Klassenkameraden gegen ihn...