POV Tim
"Ich glaub nicht, dass er dich jemals gegen irgendwen ersetzen könnte.", Nicks Stimme brach unter der Wut, die er ausdrückte, während er die Worte, mit denen ich eben Finn beruhigt hatte, nachsprach: „Ach ja, kann er nicht? Mich hat er ja auch von heute auf morgen mit deinem ach so tollen kleinen Bruder ersetzt, also natürlich kann er das. Was bildet ihr euch eigentlich ein? Ihr beide habt mein Leben zerstört und du meinst ich soll mich nicht einmischen? Fick dich einfach." Sein Gesicht war fast so rot vor zurückgehaltene Aggression, wie ich meins einschätzte. Er wusste, dass er keine Chance gegen mich hatte, zumal ich nicht nur größer, sondern auch noch kräftiger als er war. Doch auch ich musste mich zurückhalten. Ich war immer noch als Begleiter hier und zu meinem Job gehörte es nicht einen meiner viel zu vielen Schützlinge k.o. zu schlagen. Auch, wenn ich es gerade nur zu gerne tun würde. Was bildete er sich eigentlich ein, so mit meinem Bruder umzugehen. Finn liebte Ben und Ben liebte ihn. Liebe war noch etwas so viel Größeres und Stärkeres als Freundschaft. Das ließ sich doch gar nicht vergleichen. Zudem wusste ich nur zu gut, dass Ben Nick in der nächsten Zeit wohl so richtig mit Niemanden ersetzten könnte. Wie auch der dunkelhaarige, sommersprössige Junge vor mir, war er gut darin seine wahren Gefühle vor fremden Augen zu verschließen, aber aus Erfahrung wusste ich, dass man nicht so einfach loslassen konnte, egal wie sehr man es doch wollte. Ben hatte ebenfalls Schmerzen und vermisste Nick an seiner Seite, da mussten wir uns nichts vormachen.
Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, drehte ich mich auf dem Absatz um und verließ zügigen Schrittes das Zimmer. Ich hätte es wissen müssen, dass das nicht funktionieren kann. Nick und ich konnten es sicher nicht länger als ein paar Minuten in einem Raum aushalten, bis es einen erneuten Grund für Streit gab. Dieser - zugegebenermaßen hübsche - Junge war für mich die reinste Provokation. Doch so sehr ich mich versuchte von ihm abzuwenden, wusste ich doch, dass ich es erneut versuchen würde ihm näher zu kommen. Er war wie eine Droge, von der man wusste, wie schädlich und gefährlich sie für einen ist, aber man trotzdem nicht von ihr loskommt. Gott, das war jetzt um einiges poetischer, als es sein sollte. Wir reden hier immer noch über den Nick, der schon wieder versucht hatte meinem Bruder mit seinen falschen und fiesen Spielchen weh zu tun und nah an den Abgrund zu treiben und dieses mal hätten weder Ben noch ich für ihn da sein können. Doch gegen meinen Willen spürte ich, wie meine eben noch so unbändige Wut verrauchte und Platz für das alt bekannte Gefühl machte, das wohl noch mein Untergang bedeuten würde: Mitleid und Schuldbewusstsein.
Ich wusste im Nachhinein, wie falsch und verletzend es gewesen sein musste, dass ich in Nicks Anwesenheit all diese Sachen zu Finn gesprochen hatte, die die tiefen Wunden in ihm gerissen hatten. Es musste verdammt weh getan haben so ins Gesicht gepresst zu bekommen, wie glücklich der Junge, den du über alles hasst mit dem ist, den du gerade erst gegen all deine Absichten verloren hast. Da ist es komplett egal, unter welchen Umständen, solch einen Schmerz hatte niemand verdient. Aber das wurde mir wie oft erst dann klar, als es schon viel zu spät war und die Flammen von Leiden und Trauer schon alles niedergebrannt hatten, bevor man sie noch löschen konnte. Oh Gott, seit wann war ich bitte so literarisch?! Ich war immer noch ein Mann, wenn auch ein schwuler mit unbestreitlichen Mutterinstinkt für den 16 jährigen Bruder.
Wie von alleine, brachten mich meine Füße zu dem Zimmer von Ben, bei dem ich schon von außen aufgeregte Stimmen hörte. Sowohl er als auch Rico schienen durcheinander zu reden und als ich an die Tür klopfte, ging es so in dem Stimmengewirr unter, dass keine Antwort ertönte. Also drückte ich einfach die Klinke hinunter und huschte in das große Gruppenzimmer.
Mein Blick wanderte durch den hellen Raum, fiel auf das verlassenen Bett in der Ecke, das einst Nick gehörte und wanderte dann zu dem auf der gegenüberliegenden Seite. Eine ganze Gruppe junger Erwachsenen hatten sich auf diesem versammelt, in der Mitte lag mein Handy, eindeutig auf Lautsprecher gestellt, da ich Finns hohes - leider immer noch etwas schniefendes - Lachen blechern zu mir rüber schallen hörte. Ich lächelte, anscheinend hatten sie ganze Arbeit geleistet und ich spürte eine Art von Rührung und Stolz in meiner Brust, als ich hörte, wie jeder einzelne der Jungen und Mädchen auf dem Bett Finn nochmal versicherte, dass Ben gar nicht mehr aufhören wollte nur über ihn zu reden und zu schwärmen, ganz zu ihrem Leiden. Danach legte Ben mit einem letzten "Ich liebe dich!" und einem beigefügten "Nur dich." von Rico auf. Ich lächelte, als Ben mir etwas peinlich berührt das Handy reichte, als alle um ihn rum anfingen zu "Aww"-en und zu sagen wie süß sein Freund doch war. Zu dem Zeitpunkt spürte ich noch nicht den nach Rache rufende Zorn, den jeden in diesem Raum füllte, nachdem Nick schon wieder versucht hatte das von allen geliebte und beneidete Pärchen auseinander zu bringen. Doch schon wenige Stunden später sollte ich erfahren, wie schnell solche Gefühle aufwallen und kippen konnten. Zusammen mit der Freizeit, die ich allen nach dem langen Abend gestern versprochen hatte.
POV Nick
Da Tim gestern Abend offenbar verkündet hatte, dass heute Freizeit angesagt war, versuchte ich so weit wie möglich allen aus dem Weg zu gehen. Mir war klar geworden, dass ich falsch gehandelt hatte, doch in meiner Wut war mir das egal gewesen. Einen Hass auf Finn hatte ich trotzdem noch, Ben wollte ich jetzt jedoch eher weniger begegnen. So langsam sind meine Wutausbrüche wirklich nicht mehr normal. Vielleicht sollte ich mal überlegen professionelle Hilfe zu suchen bevor es ganz eskaliert. Ich wollte nicht noch jemanden verletzen und eigentlich wollte ich die Beziehung mit Ben ja verbessern und nicht noch mehr ruinieren. Hat ja toll geklappt! Kopfschüttelnd stieg ich in meine Badehose (Tim war bereits vor über einer Stunde kommentarlos verschwunden), packte meine Sachen und lief zum Strand. Die Leute die bereits dort waren ignorierte ich geflissentlich, bemerkte aber dadurch auch die bedeutungsvollen Blicke nicht die sich zugeworfen wurden als ich vorüber lief. Meine Sachen ließ ich etwa 400 Meter entfernt auf den Boden fallen und lief ins Meer. Den ganzen Tag verbrachte ich dort, mal im Wasser, mal außerhalb. Ich blieb als die anderen gingen, ignorierte die Leute die durch die Gegend brüllten das es Essen gab und döste ab und zu in der angenehmen Sonne.
Erst Abends, als die letzten schon lange wieder weg waren und das Abendessen schon vor Stunden vorbei war ging ich zurück und direkt in die Küche. Ich hatte verdammt Hunger, da ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, was in letzter Zeit viel zu oft vorkam. Ironisch vor mich hin lachend verdrehte ich die Augen. Wäre ja auch zu typisch wenn zu meinem Aggressionsproblem noch Magersucht hinzukommen würde.
Nach einem spärlichen Abendessen, da nur noch einige trockene Scheiben Brot übrig waren, machte ich mich auf den Weg zu meinem und Tims Zimmer. Unser Zimmer.. klang irgendwie komisch. Tim lag zu meinem erstaunen schon leise schnarchend auf seinem Bett und ich bemühte mich mich so leise wie möglich umzuziehen, ehe ich in die Duschen huschte um das Salz von meiner Haut zu bekommen. Nachdem ich auch die Zähne geputzt hatte, machte ich mich, immer noch nicht ganz trocken wieder auf den Weg zurück und kuschelte mich erschöpft vom Nichtstun in mein provisorisches Bett. Ich wollte eigentlich gar nicht schlafen, da ich Angst hatte ein weiteres Mal mitten in der Nacht schweißgebadet zu erwachen, doch ich konnte auch nicht nicht schlafen und das stetige atmen Tims beruhigte mich. Grade als ich die Augen schließen wollte, merkte ich einen unangenehmen Juckreiz, der sich langsam über meinen gesamten Körper ausbreitete. Hektisch riss ich mir die Bettdecke vom Leib und sprang aus dem Bett. Panisch, mit der einen Hand kratzend um den Juckreiz zu stoppen rannte ich, immer noch so leise wie möglich durchs Zimmer, lautlos fluchend und eine Taschenlampe suchend. Im Endeffekt nahm ich mir einfach Tims Handy von seinem Nachttisch und leuchtete damit in mein Bett. Ein rotes Pulver war auf dem gesamten Laken, sowie der Bettdecke verteilt. Noch einmal fluchte ich lautlos und beleidigte Mental meine Klassenkameraden die mir das offenbar angetan hatten, ehe ich einfach aus dem Zimmer und ins Bad rannte. Ohne die Unterwäsche auszuziehen drehte ich die Dusche voll auf und stellte mich darunter. Hektisch und dauerhaft „Fuck" vor mich hin murmelnd schrubbte ich so lange an meiner gereizten Haut, bis sie Krebsrot war und der Juckreiz gegen ein stetiges Brennen ausgetauscht schien.
Mit hängendem Kopf verließ ich nach etwa einer Stunde den Duschraum und trottete, spätestens jetzt unglaublich fertig wieder zurück Richtung Zimmer um mir frische Sachen anzuziehen. Ich schätze das hatte ich verdient. Als ich endlich ein frischen Pulli und neue Boxershorts anhatte, stand ich ratlos vor meinem nun unbrauchbaren Bett. Also da konnte ich jetzt nicht mehr drin schlafen. Kurz sah ich rüber zu Tim, der immer noch friedlich mit offenem Mund vor sich hin schlummerte und wunderte mich kurz wie er überhaupt nichts mitbekommen hatte, denn selbst wenn ich es versucht hatte, war ich trotzdem nicht unbedingt leise gewesen.
Seufzend ließ ich mich auf dem Holzstuhl nieder, der an dem kleinen Tisch stand. Wie konnten Möbel nur so ungemütlich sein? Grummelnd kugelte ich mich ein, die Hoffnung auf Schlaf schon verloren, doch irgendwie schaffte ich es dann doch für eine kurze Zeit weg zu nicken.
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Because Things changed (boyxboy)
Ficción GeneralSeit sein damaliger bester Freund sich gegen ihre Freundschaft und für seine neue Beziehung mit einen Jungen entschieden hat, bricht Nicks vorher so unbeschwertes Leben nach und nach immer mehr ein. Während sich all seine Klassenkameraden gegen ihn...