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F A Y E

Der weg nach Hause kam mir viel länger vor, als der weg zum Flughafen, wo ich Tyler erst in zwei Jahren wiedersehen werde.

Zwei Jahre.

Das muss man sich mal vorstellen. Zwei mal Weihnachten ohne ihn. Zwei Geburtstage ohne ihn. Zwei Silvester ohne ihn. Wenn er wieder kommt, ist er 22. Wer weiß, wie er dann aussehen wird?

Wenn er wiederkommt, bin ich 19 und Erwachsen. Wer weiß, was bis dahin alles passieren wird? Bis dahin habe ich voraussichtlich meinen Abschluss. Ohne das er dabei war. Bis dahin habe ich vielleicht, auch wenn ich es bezweifelte, einen festen Freund. Oder er eine Freundin.

Was ist, wenn er dort ein Mädchen kennenlernt? Das er vielleicht so sehr lieben würde, dass er womöglich gar nicht zurück möchte? Was würde ich dann machen?

Vielleicht würde ich mir auch einen Studienplatz in den USA suchen. Aber eigentlich möchte ich meine Eltern nicht auch noch alleine lassen. Sie haben Tyler schon verloren. Zumindestens für zwei Jahre. Und meine Freunde will ich auch nicht zurücklassen.

Ob sein Flug wohl schon losgeflogen ist? Wahrscheinlich. Ob er uns genauso vermisst, wie wir ihn? Vielleicht. Ob seine Entscheidung wohl bereut? Nein.

"Faye?"

Die Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken und ich hob fragend den Kopf von der Fensterscheibe und sah sie an.

"Ich weiß, dass du sehr traurig über die Entscheidung von Tyler bist. Das sind wir auch. Aber du weißt, dass wir trotzdem immer für dich da sind, okay? Du kannst mit uns über alles reden. Ich weiß, dass dir die jetzige Situation schwer zusetzt. Aber denk daran: Lass nicht denn Kopf hängen.
Wir sind für dich da. Wir halten zusammen und wir schaffen das."

Meine Mum lächelte mir aufmunternd zu. Trotzdem konnte sie vor mir nicht das Traurige in ihrer Stimme verbergen. Meine Mundwinkel schafften es sich für einen kurzen Augenblick ein Stück nach oben zu ziehen, was wohl eher wie eine Grimasse aussah, weswegen ich es schnell wieder nachließ.

Kurz räusperte ich mich, denn ich hatte das Gefühl, dass meine Stimme sonst sehr heiser klingen würde.

"Ich weiß Mum."

Daraufhin seufzte meine Mum und sah wieder nach vorne aus dem Fenster. Ich tat es ihr gleich, lehnte meinen Kopf wie zuvor wieder an die Fensterscheibe und sah weiter der schnell vorbeirasenden Umgebung zu.

Danach sagte keiner mehr was und der Rest der Fahrt zog sich dahin. Als ich endlich wieder die vertraute Umgebung von Chelmsford erblickte, dauerte es nicht mehr lange, bis der Wagen endlich zum Stehen kam und wir Zuhause angekommen waren.

Als ich beim Aussteigen einen kurzen Blick auf die Uhr meines Handys erhaschte, stellte ich fest, dass es nur noch ungefähr eine Stunde bis zum Treffen mit Lynn war.

Ich beschloss jetzt schon in den Park zu gehen, da ich Zuhause sowieso nichts hätte anfangen können und ich ein bisschen frische Luft schnappen wollte. Doch vorher wollte ich mir noch meine Jacke rausholen, da ich sie gerade eben nicht mithatte.

Geduldig wartete ich hinter meinem Vater, der gerade die Haustür aufschloss. Als sie offen war, betrat ich hinter ihm den Flur, ging geradewegs zur Garderobe, schnappte mir meine Jacke und war wieder auf den Weg nach draußen.

"Wo willst du denn jetzt hin?"
Meine Mutter betrachtete mich verwirrt, als ich an ihr vorbei ging.

"Ich treffe mich gleich noch mit Lynn im Park, wenn das für euch in Ordnung ist?"
Ich kaute wartend auf die Erlaubnis meiner Eltern auf meiner Unterlippe. Eine schreckliche Angewohnheit, die ich mir schnellstens abgewöhnen sollte.

Danger ↣ l.tWo Geschichten leben. Entdecke jetzt