24. Kapitel

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Ich saß wieder auf meinen Sofa und wusste abermals nichts mit mir anzufangen. Felix schlief wieder im Nebenzimmer, nachdem ich ihn fertig "veraztet" hatte. Ich hatte darauf bestanden, dass er sich erst ausruhen sollte, nachdem er meinte mir alles beantworten würde. Meine Begründung war, dass so seine ganzen Prellungen, etc. besser heilen würden. Doch eigentlich wollte ich die ganze Wahrheit nicht hören. Obwohl, das stimmte nicht ganz. Ich hatte eher Angst vor den Antworten.

Ich glaube es lag daran, dass ein wichtiger Bestandteil von Felix eben dieses geheimnisvolle war. Diese Mysteriöse Ausstrahlung um ihn herum, die sein Wesen aus Fäden von Fragen webte. Und wenn es diese Fragen nicht mehr gibt... gibt es vielleicht Felix nicht mehr? Diese Vorstellung machte mir wirklich sorgen, denn ich wollte ihn nicht verlieren, nicht diesen Felix. Oder auch, ich wollte Rotpilz nicht verlieren. Wie behindert das auch klang. "Rotpilz". So ein Quatsch.

Ich war mir inzwischen mehr als bewusst, dass ich mächtig in Felix verschossen war. Ich hatte drüber nachgedacht. An unsere erste, von meiner Seite aus unfreiwillige, Begegnung. Ich glaube, schon da zog mich Felix auf eine untypische Art und Weise an. Nach seinem Kuss das tagelange Kribbeln auf meinen Lippen. Die Motorradfahrt, das Lagerfeuer auf der Lichtung. All diese intensiven Gefühle mit ihm. Und möglicher Weise war dramatisch gesagt das alles nur eine Illusion die verpuffte, wenn ich endlich alles über Felix wüsste. . Das wollte ich auf keinen Fall.

Wiederum wollte ich alles wissen. Felix wirklich kennen, ihn verstehen, mich nicht mehr klein und unwissend ihm gegenüber fühlen.
Ich kramte mein Handy aus meiner Hosentasche und öffnete die Notizen. Ich scrollte alle Unklarheiten durch, die sich in Laufe unserer Erlebnisse angesammelt hatten und ich darauf aufgeschrieb. Es war nicht gerade wenig.
Ich frage mich, ob Felix das gleiche über mich denkt. Das er nicht aus mir schlau wird, genauso wie ich nicht aus ihm. Ich hoffte das würde sich bald ergeben. Und ob ich danach noch das gleiche für ihn fühlen würde, oder komplett anders, egal ob gut oder schlecht.
Irgendwann machte sich der wenige Schlaf, die Aufregung und all die Sorgen bemerkbar und mir vielen die Augen zu. Ich glaube mich vage daran erinnern zu können, dass meine Träume sehr dunkel waren. Immer nur Schemen von Erinnerungen, Hoffnungen, Enttäuschungen. Und mitten drin Felix, umwabert von samtweicher Dunkelheit.
Ha, ich merke schon ich werde während des Aufschreibens immer theatralischer. Aber in Erinnerungen schwelgen ist immer etwas theatralisch. Ich vermisse diese Erinnerungen. Ich wünschte sie wären noch keine. Ich wünschte, es würde alles jetzt gerade passieren. Ich wünschte, wünschte... Ich will endlich nicht mehr wünschen, Felix. Ich will weiter mit dir Erinnerungen sammeln, die noch keine sind. Felix, ich denke nur an dich, die ganze Zeit über, seid du weg bist. Ich würde gerne hier weg, nochmal auf unser Dach klettern, ein Feuer auf unserer Lichtung anzünden. So viel würde ich gerne wiederholen. Aber dazu bin ich wohl nicht mehr in der Lage. Ich schaffe es ja nicht mal mehr selber was zu essen, haha. Ich glaube jetzt kann ich wirklich nachempfinden, wie du dich damals gefühlt haben musst. Ich hoffe ich werde schneller erlöst, als du, mein lieber Felix.

Ich entschuldige mich für meine Unterbrechung. Aber da niemand diese Aufzeichnungen jemals lesen wird, ist es eh egal, was ich schreibe. Nur ich mag den Gedanken, das Felix gerade mit liest. Sieht wie ich alles gesehen habe. Wie sehr er mir fehlt. Aber nun will ich zu einem der wichtigsten Ereignisse in unserem Leben kommen. Dem Gespräch auf meinem kleinen Balkon. Wo theoretisch der zweite Teil unserer Geschichte anfing.

Es fing an mit dem eindringlichen Piepen meiner Waschmaschine. Ich rieb mit meinen Handballen meine Augen und schüttelte meinen Kopf, um den Nebel aufzulösen. Ich hiefte mich hoch und musste mich erst einmal an dem kleinen Holztisch festhalten. Als der Schwindel verflog, ging ich genervt ins Badezimmer und stellte das nervtötende Piepen ab. Ich schleuderte fast die ganzen feuchten Klamotten heraus, bis ich auf Felix Jacke stieß. Ich hielt sie in meinen Händen und begutachtete sie kritisch von allen Seiten. Sie schien wieder recht sauber zu sein, bis auf einen kleinen braunen Fleck auf dem Linken Ärmel. Getrocknetes Blut ging auch leider nicht so gut raus. Den restlichen nassen Kleiderhaufen nicht beachtend, verschwand ich wieder aus dem kleinen Raum.

Über den Dächern [Rewilz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt