6. Kapitel

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Ich schaute wieder hinaus auf die leuchtende Stadt und war einfach nur glücklich. Ich glaube das war der Moment, wo ich anfing, mich in ihn zu verlieben.

Wir standen bestimmt schon eine Ewigkeit nur da und sahen zum dunkelblauen Horizont, der eine Zickzacklinie bildete, auf Grund den Silhouetten der Häuserreihen. Der warme Wind wehte angenehm und lies Felix Jacke leicht an den Enden flattern. Er sah in dem Moment aus wie die typische Vorstellung von Batman, das heißt Seitenperspektive, schwarze Nacht, Umhang weht im Wind, und natürlich steht er auf einem Hochhaus. Nur das dieser Held hier weiß war. Und er hatte keine Maske. Und keinen Umhang. Und... ja auf jeden Fall hatte er gerade Ähnlichkeiten mit Bruce in seinem Kostüm. Er wendete seinen Kopf zu mir und sah, daß ich ihn beobachtete. "Worüber denkst du grad nach?" Mir schien, dass Felix sehr neugierig war. Und einen leichten Hang zur Philosophie hatte. "Über Batman.", antwortete ich und versuchte dabei, meine Stimme so seriös und normal wie möglich klingen zu lassen. Er lächelte kurz. "Darüber hab' ich auch Nachgedacht. Ich fand nämlich gerade wir haben Ähnlichkeiten mit ihm und Robin, seinem Helfer." Was für'n Zufall aber auch. "Ich weis wohl wer Robin is' duh. Ja, genau das hab ich mir auch gedacht." Das ich nur über ihn nachgedacht hatte, musste er ja nicht wissen. "Die Frage ist ja dann...", fing Felix an zu sprechen, "Wer ist Batman und wer Robin?" Also jetzt praktisch gesehen war Felix eher der Held von uns beiden. Ich reichte hier ja nicht mal als Gehilfe aus, ich war eher eine Behinderung. Wie ein amputiertes Bein oder so. "Auf jeden bist du nicht der Held. Wenn schon dann ich, von der Statue her. Du bist neben mir so'n Pilz neben ner Tanne aka mir.", sagte ich stattdessen. Dieser Vergleich war echt preisverdächtig. Nicht. Aber er erfüllte seinen Zweck. "Naja 'n Riese bist du jetzt auch nicht unbedingt. Aber vermutlich hast du da recht." Mehr sagte er nicht. Er drehte sich nur einfach um und sprang vom Rand des Hauses weg. Jetzt wollte ich mal etwas länger mit ihm reden, und dann ging er einfach. Klasse. Bleibe ich hier halt alleine am Rand stehen. Ich brauchte noch etwa 10 Sekunden bis sich das Wort "Rand" in meinem Gehirn verarbeitet wurde. Ich riss meine Augen vor Schreck weit auf. "Felix?", flüsterte ich, während ich krampfhaft nur nach vorne schaute. Anscheinend hatte er mich nicht gehört. "Felix?", wiederholte ich, diesmal etwas lauter. Doch dadurch schwankte meine Stimme und war am Ende des Wortes bestimmt eine Oktave höher. "Ja? Alles okay Basti?" Ich schüttelte langsam den Kopf. Knirschende Fußstapfen kamen auf mich zu. "Was ist denn los?" "Ich steh zu nah am Rand." Horizont. Zum Horizont sehen Sebastian. Nicht nach unten schauen. Und nicht bewegen. Bloß nicht bewegen! Ich hatte anscheinend meine Höhenangst vergessen. Eigentlich ging es sogar, mir wurde nur mulmig in Höhen über 10 Meter, aber vermutlich war die Angst in den Jahren ohne Aufregung oder ohne jeglichen Anflug von Höhe gestiegen. "Dann geh doch wieder zurück." Ich schüttelte abermals den Kopf. Zu gefährlich. Wenn ich nur eine Sekunde mit nur einem Bein dort stehen würde, wäre es zu Ende mit mir. Vor Angst drohte mein Herz aus meinem Brustkorb zu springen, und ich musste mich stark beherrschen nicht in Schnappatmung zu verfallen. "Ich kann nicht." Eigentlich wollte ich noch mehr sagen, aber das würde im Nachhinein noch behinderter klingen als ohnehin schon. "Okay, ich verstehe." Blitzmerker. Echt. Props to you, Felix. "Mach deine Augen zu, dann wird es besser. Ich zieh dich dann zurück." Ich tat sofort wie mir geheißen und schon spürte ich Felix Hände um meine Taille, die mich zurück zogen. Nach nicht mal einem Augenblick stoppte er auch schon und ich schlug meine Augen auf. Die Angst schwand direkt, als ich den Boden vor mir sah. Doch trotz dessen, und auch wegen der Aufregung und dem Adrenalin, pochte meine Herz wie wild und mein Atem war immernoch verschnellert. Meine Beine gaben direkt nach als Felix mich losließ und ich plumste mit dem Hintern auf den Kiesboden. Immernoch stur geradeaus guckend, den Schock verarbeitent, sah ich auf einmal Beine vor mir. Kurz darauf kniete sich Felix in der Hocke vor mich hin und lehnte seine Arme lässig über seine Beine ab. "Geht's wieder?", sagte er leise mit einem etwas besorgten Unterton. "Ja, ja sicher, alles gut.", antwortete ich außer Atem. Mein Herz pochte immernoch wie wild und wollte sich auch nicht normalisieren. Ohne mir was dabei zu denken nahm ich eine seiner Hände und drückte sie gegen meine Brust. "Alter, schau mal wie schnell mein Herz einfach schlägt. Hu, das is doch nicht mehr normal." Er sagte nichts. Starrte einfach nur auf seine Hand, die ich an meine linke Brust presste. Sein Gesichtsausdruck war irgendwie... verwirrt? Oder nachdenklich? Oder vielleicht doch eher perplex? Ich war nicht besonders gut im Emotionen lesen und Gefühle deuten. Während ich sein Gesicht beobachtete, verlangsamte sich mein Herzschlag. Felix sah mich an, direkt in meine Augen. Ein Blitz schoss direkt in mein Herz und lies es für einen Moment aussetzten. Sein Blick huschte höchstens für den Bruchteil einer Sekunde nach unten auf meine Lippen, bevor er seine Augen wieder auf meine fokussierte. Langsam beugte er sich nach vorne. Als ich realisierte, was er vorhatte, rannte mein Herz wieder Marathon. Er legte seine freie Hand in meinen Nacken und zog mich die letzten Zentimeter zu sich. Und küsste mich.

Über den Dächern [Rewilz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt