Entsetzt riss Charlotte die Augen auf. Aufmerksam musterte sie mich und wartete gespannt auf eine Antwort.
"Unsere Rückreise verlief ohne weitere Zwischenfälle und noch bevor wir uns versahen, waren wir wieder zurück in England."
Charlotte schien ein wenig überrascht über meine Antwort zu sein, denn sie hätte nicht damit gerechnet, dass ich ihre Frage einfach übergehen würde.
"Im Vergleich zu Italien kam mir England unglaublich grau und trist vor. Die Straßen wirkten leer und die Menschen trübsinnig. Dicke Wolken verdeckten die Sonne und ein leichter Nieselregen viel auf uns herab, während wir am Bahnhof eintrafen.
Meine Eltern waren bereits wieder auf ihren Hof zurückgekehrt. Weshalb wir nur von Georges Eltern begrüßt wurden.
Alle waren froh darüber, dass wir gesund und munter wieder aus Italien zurückgekehrt waren.
Catherine fiel uns beiden mit Tränen in den Augen um den Hals und auch Robert umarmte uns, allerdings nicht ganz so stürmisch.Sophie war wieder einmal nicht anwesend, da sie sich abermals mit besagtem Gentleman verabredet hatte. "Ob wohl bald die nächste Hochzeit ansteht" raunte George mir ins Ohr, während wir Hand in Hand das Haus betraten.
***
Den Vormittag verbrachten wir damit, unsere Sachen auszupacken und mit Georges Eltern über die Neuigkeiten in Highclere zu sprechen.
Eines der Dienstmädchen hatte seinen Dienst quittiert, um einen der Pächter des Lords zu heiraten. Und ein neues Küchenmädchen war eingestellt worden. Und ein Diener hatte uns verlassen um ein eigenes kleines Hotel im Dorf zu eröffnen.
Während George sich mit seinen Eltern unterhielt saß ich schweigend dabei und lauschte begierig auf jedes Wort. Es interessierte mich sehr zu erfahren, wie es den Dienstboten ging, wahrscheinlich, da ich selbst einmal dort unten gelebt und gearbeitet hatte und deshalb wusste wie hart es manchmal unter dem Personal zuging.
Ich wusste wie es war, wenn plötzlich weniger Leute da waren als man brauchte, wie hektisch es zuging. Und ich wusste, von all den Intrigen und Gemeinheiten, die dort unten beinahe alltäglich waren...
Doch natürlich kannte ich auch die schönen Seiten des Dienstboten Daseins. Den stolz, wenn man etwas geleistet hatte und dafür Anerkennung von den Herrschaften erhielt. Und natürlich die starken Freundschaften, die sich oftmals untereinander entwickelten...***
George beschloss am Nachmittag einen Ausritt über die Ländereien zu unternehmen. Um zu sehen, wie sich der Wald, die Felder und das Dorf verändert hatten. Und er hatte entschieden, dass ich ihn begleiten sollte.
Die Stallungen befanden sich hinter dem Haupthaus. Auf dem Hof herrschte reger Betrieb. Der Stallmeister Mr Brooms kam uns mit mürrischem Blick entgegen gestapft. Seine Stiefel waren mit einer dicken Schicht Mist verklebt, seine Kleidung war einfach und praktisch und seine Stirn war in Falten gelegt. Er war schon ein sehr alter, doch sehr erfahrener Mann, der den Umgang mit den Tieren perfekt beherrschte. Doch trotz seines hohen alters rief er den Stallburschen in harschem Tonfall Befehle zu. Verschreckt nickten die Jungen mit dem Kopf und machten sich eilig daran ihre Aufgaben zu erledigen.
Als der Stallmeister George und mich erblickte, sah er ein wenig verwundert aus. Denn normalerweise besuchte nur Robert die Stallungen, die sein ganzer Stolz waren.
"Wie kann ich ihnen helfen, Master George?" Fragte er höflich und verbeugte sich steif.
George lächelte ihm zu, "würden sie uns bitte zwei Pferde satteln? Wir würden gerne einen Ausritt machen..."
Der Mann nickte und entfernte sich mit hinkenden Schritten von uns. Um unsere Pferde persönlich zu satteln.
Er war ungewöhnlich schnell für sein Alter. Denn keine zehn Minuten später kam er uns mit einer hübschen Fuchsstute und einem großen, Rappen entgegen...
Noch nie zuvor hatte ich zwei solch schöne Tiere gesehen. Denn sie waren überhaupt nicht mit den heruntergewirtschafteten Pferden, die ich kannte zu vergleichen. Und in diesem Moment verstand ich, warum Robert so stolz auf seine Tiere war.
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Lady Bentley von Highclere Castle Teil III
Historical FictionLady Bentley ist eine reiche alte Lady, doch das war nicht immer so... Kurz vor ihrem 100.Geburtstag beginnt sie ihre Lebensgeschichte zu erzählen und findet in ihrer Enkelin Charlotte eine aufmerksame Zuhörerin. Sie berichtet von ihrem Leben als...