Kapitel 1

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Scheppernd stellte Lisa das Geschirr auf die Theke, das sie gerade von den Tischen abgeräumt hatte. Erleichtert darüber, dass ihre Schicht vorbei war, blickte sie zur Eingangstür, durch die soeben, ihre drei besten Freundinnen Betty, Katy und Mel eintraten. Kichernd nahmen die Mädchen auf einem der vorderen Sitzgruppen, des Cafés platz, in welchem Lisa vorübergehend servierte. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und legte sie anschließend zu Seite, dann setzte sie sich zu ihren Freundinnen.

„Warum tust du dir das immer noch an?", fragte Mel, „Dein Buch verkauft sich gut und du hast genug verdient, um diese scheiß Jobs endlich hinter dir zu lassen." Seitdem Lisa, Kev und Vanessa gemeinsam in ihrem Bett erwischt hatte, hatte sich einiges verändert. Zu aller erst hatte sie Kev vor die Tür gesetzt und die Scheidung eingereicht, woraufhin er sang und klanglos zurück nach Pittsburgh gereist war und sie deshalb, immer noch, mit ihm verheiratet war. Immer wenn sie versuchte ihm die Scheidungspapiere zuzusenden, kam der Umschlag ungeöffnet zurück. Selten meldete er sich trotzdem bei ihr, um mit seinem Sohn zu sprechen. Jedes Mal wenn Lisa seine Stimme wahrnahm, brach ihr Herz noch ein bisschen mehr. Doch sie wusste, dass sie Luca die Chance geben musste, eine richtige Beziehung zu seinem Vater aufzubauen.

Das war jedoch nicht so einfach, denn Luca sprach viel besser Deutsch als Englisch und diese Tatsache verkomplizierte das Verhältnis der Beiden schrecklich. Inzwischen rief Kev nur noch an, um ihr mitzuteilen, dass er seinen Sohn endlich einige Zeit zu sich nach Pittsburgh holen wollte. Bei dem Gedanken daran, stellten sich Lisa die Nackenhaare auf. Sie wusste nicht, wie sie es schaffen würde, ihren nun dreijährigen Sohn, allein mit seinem verlogenen Vater, auf einem anderen Kontinent zu lassen. Doch sie durfte nicht so egoistisch sein. Das war auch einer der Gründe, warum sie immer noch in diesem Café arbeitete. Glücklicherweise hatte sie ein kleines Vermögen verdient, mit dem Buch, das sie kürzlich veröffentlicht hatte. Doch zu frisch waren die Erinnerungen daran, wie es war, vollkommen mittellos zu sein. Deshalb wollte sie sich keinesfalls auf diesem Erfolg ausruhen.

Nachdem die Affäre ihres Mannes aufgeflogen war, konnte sie nicht mehr mit der Frau zusammenarbeiten, die er ihr vorgezogen hatte. Deswegen kündigte sie ihren geliebten Job. Auch das Apartment, welches ihr so ans Herz gewachsen war, hatte sie kurzerhand verkauft. Ständig waren ihr die Bilder durch den Kopf gegangen, die sie an diesem verhängnisvollen Tag zu sehen bekommen hatte und somit konnte sie dort einfach nicht mehr wohnen. Vorübergehend war sie mit ihrem Sohn zu ihrer Freundin Betty gezogen. Doch sie wusste von vornherein, dass das keine Lösung für die Ewigkeit war. Jeden Tag, wenn Luca bereits schlief, setzte sich Lisa an ihren Schreibtisch und begann zu schreiben. Jede einzelne ihrer Emotionen brachte sie auf Papier. Erzählte davon, wie sie betrogen wurde und welche Auswirkungen das auf ihr Leben hatte. Wie sie nur deswegen nicht auf der Straße saß, weil Betty sie und ihren Sohn aufgenommen hatte. Außerdem schrieb sie bis ins kleinste Detail auf, wie es ihr Ex schaffte, nicht einen Cent an Unterhalt für seinen Sohn zu bezahlen.

Irgendwann war der beachtliche Schmöker, Betty in die Arme gefallen und ihre Freundinnen hatten es doch ernsthaft geschafft, sie davon zu überzeugen, das Manuskript an einen Verlag zu schicken. Lisa hatte des Öfteren gelesen, dass es Autoren jahrelanger Suche bedurfte, um ein Buch verlegen zu lassen und so hatte sie zugestimmt. Denn sie hatte keinerlei Hoffnung gehegt, dass es eine positive Resonanz von dem einzigen Verlag geben würde, welchen sie ihr Buch zukommen hat lassen. So konnte man sich täuschen. Viel schneller als ihr lieb war, wurde ihre Geschichte verlegt und mittlerweile gab es auch Gespräche darüber, ihr Buch ins Englische übersetzen zu lassen. Doch sie wollte den Aushilfsjob in diesem Café auf keinen Fall aufgeben. Die Zeit hatte ihre Wunden noch nicht geheilt. Immer noch war ihr schmerzlich bewusst, wie es war, plötzlich mit nichts dazustehen und gemeinsam mit einem kleinen Sohn, den es galt zu ernähren, nochmals ganz von vorne anzufangen.

Bilingual Love (Jennings Inc. Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt