Kapitel 24

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Ich trat einen weiteren Schritt zurück.

Noch einen.

Benjamin war doch komplett irre! Ich hatte es hier mit einem... Verrückten zu tun!

Oder?

Ich selbst hatte ja vor ein paar Tagen erst diese Schatten gesehen.

Und Pattys Verschwinden war sicher kein Hirngespinst gewesen.

Das Gefühl zu platzen breitete sich bis in meinen Kopf aus.

Was war wahr, was war falsch, was nur Einbildung?

Die Welt belog mich!

Sie verbarg sich.

Ich schien durch Watte zu blicken.

Nichts zur gänze wahrzunehmen.

STOP

Ich würde jetzt einfach aus dieser Gasse verschwinden. Unter Menschen würde er mich in Ruhe lassen. Er musste!

Doch die Wand dachte anders. Als ich mit dem Rücken an den kalten Stein stieß, schien sie sich zwischen mich und die Welt zu schieben. Schien, mir den Weg versperren zu wollen.

"Hier geht es nicht weiter.", flüsterten die Ziegel.

"Bleib hier!", säuselte der Wind in den Fensterläden.

War ich jetzt auch verrückt geworden? Nein! Nein, nein, nein! Ich schlug mit der Faust gegen den Stein.

Als würde er sich davon in Bewegung setzen.

Als ob.

"Liz."

Ich blickte auf.

Stille.

Kein Flüstern, kein Säuseln. Auch Benjamin hatte sich nicht weiter bewegt.

Er stand einfach nur da, reglos. Als hätte er alle Zeit der Welt. Als hätte ich alle Zeit der Welt.

Er blickte mich an und wartete, bis ich mich beruhigt hatte. Ließ mich durchatmen.

Doch den Gefallen würde ich ihm nicht tun!

"Liz, bitte!"

Ich funkelte ihn finster an, stieß mich von der Wand ab und trat einen Schritt auf ihn zu.

"Beweise es mir oder VERSCHWINDE!". Es war nur ein Hauch. Mit der ganzen Schärfe, die ich wagte hineinzulegen.

Und das war viel.

Benjamin schien kurz zusammenzuschrumpfen, baute sich aber sofort wieder zu seiner vollen Größe auf und hielt mich mit seinem Blick gefangen.

Dann schloss er kurz die Augen, schien sich zu sammeln.

Seine Iris befreite sich vom Braun, entblößte ein sattes Grün.

Es wirkte, als fiele eine Hülle, eine Fassade von ihm ab. Seine Pupillen verengten sich zu schlitzen, seine Fingernägel wurden spitzer und seine Arme kräftiger.

Dennoch blieb er oberflächlich betrachtet ein Junge. Trotz scharfen Zähnen, leicht rötlich gefärbter Haut und spitzeren Ohren konnte ich einen Schrei gerade noch unterdrücken.

Besser gesagt, es gelang mir einfach nicht. Ich öffnete den Mund, doch aus meiner Kehle drang nur ein jämmerlich leiser Laut.

Er streckte mir seine Hand entgegen.

"Ich bringe dich nach Kondar. Das sollte Beweis genug sein."

Zögerlich ergriff ich sie. Und wenn es alles kosten würde - ich würde Patty zurückholen!

SchattenstimmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt