Die ganze Sache ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Vorallem Pattys Verschwinden und die mysteriöse Tatsache, dass die Wahrheit einfach total verschoben war.
Ich hatte den Lexikoneintrag und die gesamte Zeitung mehrmals gelesen.
Bei letzterem war ich auf einen interessanten Artikel gestoßen:
Mann vermisst
Henry Parker, 53, Besitzer einer Geisterbahn ist seit einigen Tagen spurlos verschwunden. Nach einem Einbruch in eine Villa soll er laut Zeugenaussage in einem schwarzen Mercedes vor der Polozei geflüchtet sein. Seitdem wurde er nicht mehr gesehen. Die Polizei hält an, jeden Hinweis unverzüglich zu melden.Mr. Parker.
Er soll also in eine Villa eingebrochen und mit einem Auto geflüchtet sein?
Unser Haus ist weder eine Villa, noch ist er davongefahren.
Schon wieder diese komische Erinnerung.
Mr. Parker in meinem Zimmer. Der Lichtblitz, der Schrei.
Was sollte ich davon halten?
Lag ich vielleicht einfach falsch?
Und Patty - wurde sie vielleicht doch von dieser Bande entführt?
Eines stand jedenfalls fest: ich musste auf jeden Fall mit ihrer Mutter reden!
Also machte ich mich schon bald auf den Weg in das ruhige Stadtviertel, abseits von dem ganzen Verkehrschaos.
×××
Pattys Haus war ein roher, weißer Klotz, wie so viele in dieser Gegend.
Als ich bei den Chaves klingelte, öffnete mir das unfreundliche Hausmädchen in dreckiger Kochschürze die Tür.
"Was willst du'n hier, mitten am Tag?", schnautzte sie. "Andere Leute müssen arbeiten!"
"Ist Mrs. Chave da?", fragte ich vorsichtig.
Mandy kätschte genervt auf ihrem Kaugummi herum. "Sie will momentan niemanden sehen. Was hast du denn gedacht?"
Auch sie glaubte an die Entführung.
"Ich muss aber dringend mit ihr sprechen!"
Das Hausmädchen verdrehte genervt die Augen. "MRS. CHAVE!", brüllte sie durch den Flur, sorgfältig darauf achtend, dass ihr Kaugummi nicht herausfiel und den säuberlich geputzen Parkettboden verklebte. "LIZ MUSS UNBEDINGT MIT IHNEN SPRECHEN!"
Und wieder einmal fragte ich mich, weshalb sie bei einer so pingeligen Hausherrin noch immer nicht gefeuert wurde.
"DANN LASS SIE HALT REIN!", schrie eine nicht minder kräftige Stimme zurück. "UND HÖR AUF ZU KÄTSCHEN, DASS HÖRT MAN JA BIS HIER!"
Mandy zeigte den Mittelfinger in Richtung Arbeitszimmer und spuckte die klebrige Masse gezielt in einen kleinen Mülleimer.
"Komm rein." Sie schlurfte in die Küche und knallte die Tür hinter sich zu.
"HÖR ENDLICH AUF MIT TÜREN KNALLEN, DER PUTZ KOMMT JA SCHON VON DER DECKE!"
Ja, Mrs. Chave wirkte wirklich sehr in Trauer versunken.
Ich atmete nocheinmal durch und öffnete dann vorsichtig die Tür.
Bei dem Anblick von Pattys Mutter breitete sich sogleich ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend aus.
Ja, sie war eine sehr unangenehme Person.
Mrs. Chave saß wie ein Häuflein Elend zwischen ihren Akten und massierte sich angespannt die Schläfen.
"Hallo Liz." Sie blickte auf. "Setz dich doch bitte."
Ich setzte mich auf den Stuhl ihr gegenüber, an einen kleinen runden Tisch.
Stille
"Du wolltest mit mir über meine Tochter sprechen?", ergriff sie dann mit einer plötzlich viel zittrigeren Stimme das Wort.
Ich nickte. "In der Zeitung stand, sie sei von einer Bande namens 'Shadowhunters' entführt, ic-"
Sie brach wieder in ein fürchterliches Geschniefe aus und kam dann auf die Idee, mich verwirrt anzublicken. "Ja, in der Tat ist das so. Tee?"
Ich schüttelte den Kopf.
Sie ignorierte mich.
"Nein, danke.", seufzte ich, was sie dann auch zufriedenstellte.
Mrs. Chave nippte an einer zarten Porzellantasse. "Warum fragtest du?"
"Ich... was haben denn die weiteren Untersuchungen der Polizei ergeben?"
Vielleicht wusste sie ja mehr.
Sie tupfte sich wieder die Augen "Nichts."
Draußen schlurrte Mandy an der Tür vorbei.
"VERDAMMT NOCHMAL, MANDY! WIE OFT SOLL ICH DIR NOCH SAGEN, DASS DU IN DIESEM HAUS NICHT ZU SCHLURFEN HAST? HEB GEFÄLLIGST DEINE FÜßE!"
Die Geräusche verstummten.
Ich konnte mir genau vorstellen, welche Geste sie gerade verwendete.
Jetzt setzte unangenehm lautes Trampeln ein.
Mrs. Chave lief rot an. "FÜßE HEBEN HEIßT NICHT TRAMPELN WIE EIN SCHWANGERES WALROSS!"
Erschrocken über ihren Wortgebrauch legte sie sich eine Hand an den Mund.
Wütendes Davonstapfen.
Ich erhob mich.
Pattys Mutter dachte also das Selbe und die Polizei hatte tatsächlich noch immer keine Spur.
Sie zog eine Braue hoch, nickte dann aber und stellte das Tässchen vorsichtig zurück auf das farblich exakt darauf abgestimmte Tablett. "MANDY!"
"BOAAA WAS IST DENN JETZT SCHON WIEDER?"
Wütendes Schnauben und näherkommende Schritte.
Das Hausmädchen riss die Tür auf.
"Man klopft für gewöhnlich an.", bemerkte Mrs. Chave spitz.
Mandy verdrehte die Augen, schloss die Tür und klopfte.
Nach einer langen, von der Frau neben mir sehr genossenen Pause, bat diese sie schließlich wieder herein. "Bring bitte unseren Gast an die Tür."
"Man, die fünf Meter kann sie doch selbst gehen!"
Doch nach einem drohenden Blick gab sie nach, packte mich am Arm und Zerrte mich durch den Flur.
Und da hatte ich etwas beschlossen. Ich würde auch ohne Patty weitermachen. Allein. Ich würde die Geheimnisse lüften und meine Freundin wieder finden.
Koste es, was es wolle.
Denn ihre Mutter schien sich nicht sehr zu engangieren.

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Schattenstimmen
FantasiEigentlich ist Liz alles Andere als abergläubig. Auch die komischen Ereignisse der letzten Tage lassen sich logisch erklären. Mehr oder weniger. Doch das plötzliche Verschwinden ihrer Freundin und die stark von den ihren abweichenden Erinnerungen de...