Hallo Tim,
auch diesen Brief wirst du (irgendwann) lesen. Vielleicht leite ich ihn dir weiter, wenn du mich das nächste Mal so anschaust. Oder mich ignorierst. Vielleicht schickt jemand von meinen anderen Lesern, die uns beide kennen, dir diese Zeilen.
Vor gut anderthalb Jahren hast du mich noch durch die Luft geschleudert, als wir uns wiedergesehen haben. Andere waren sich sicher, dass wir zusammen waren. Man muss uns angesehen haben, wie wichtig wir uns waren.
Und jetzt?
Jetzt gehst du, sobald ich irgendwo auftauche. Gut, es war nur zwei Mal so. Jaja, Termine. Meinst du echt, dass ich dir so eine blöde Ausrede abnehme? Wenn du mir wenigstens beim Taizé-Gottesdienst vernünftig hallo gesagt hättest, würde ich dir das vielleicht noch glauben. Aber doch nicht, wenn ich förmlich drum betteln muss, damit du mich umarmst. Bitte, das hab ich nicht nötig.
Bei der Osternacht ist mir einiges klar geworden, aber das erklär ich dir lieber später, sonst ließt du bestimmt nicht weiter.
In Neu Sammit. Da war ich alles außer freundlich zu dir. Ganz ehrlich, jedes Mal, wenn dein Gesicht in mein Blickfeld kam, sobald du ein Wort gesagt hast, als dein Name erwähnt wurde, steig mein Aggressionspegel bis ins Unermessliche. Und weil das Wochenende sowieso scheiß stressig war, musste ich irgendwo Dampf ablassen. War nicht korrekt von mir, dass ich dich als Opfer dafür auserkoren habe. Aber leid tut es mir nicht. Du hattest es doch irgendwie verdient. Denn auch da wolltest du mich nicht richtig begrüßen. Wir haben nicht zusammen getrunken, wie wir es immer taten. Du hast mich nicht deinem neuen besten Freund Richard vorgestellt (ist vielleicht auch ganz gut so, er ist mir tierisch unsympathisch). Und dein schockierter Gesichtsausdruck, jedes Mal, als ich dich angegriffen habe und du genau bemerkt hast, dass ich es ernst meine. Worte können ganz schön schmerzen, was? Ja, ich weiß. Und gerade das sollten sie auch.
Okay, und jetzt zur Osternacht. Für mich sah es so aus, als wolltest du mich mit Lisa eifersüchtig machen. Ich muss sagen, das hat genau so gut geklappt, wie jedes andere Mal auch. Gar nicht, mein Freund, gar nicht. Ich war noch nie eifersüchtig auf deine Weibchen. Aber du wolltest es erreichen, sonst hättest du nicht mit ihr unter deinem Schlafsack rumgefummelt. Und mich dabei angestarrt. Als Rache dafür, dass ich mit Jonatan rumhing? Denn das hat dir gestunken. Du magst ihn sowieso nicht, aber wenn ich dann die ganze Zeit an ihm klebe und meine kalten Hände unter sein T-Shirt schiebe, wird die Abneigung zu Hass. Und Eifersucht. Aber weißt du, wenn du mit mir umgegangen wärst, wie sonst auch immer, hättest du das Glück gehabt, unter meinen eiskalten Händen leiden zu dürfen. Denn mir war eigentlich egal, an wem ich meine Hände wärme.
Ich hab immer wieder gespürt, dass du mich so anders anguckst. Ich kann gar nicht genau sagen, was in deinem Blick lag. Wut, weil ich bei Jonatan war? Eifersucht, weil ich nicht dich berühre? Sehnsucht, weil es Lisa war, die neben dir lag und nicht ich? Erinnerungen an die zwei Nächte, die ziemlich genau ein Jahr zurücklagen? Aber vor allem sah ich, dass du dich in mich verliebt hast.
Ich habe sowas in der Richtung schon länger vermutet. Erinner dich an den Heilig Abend, als du gefragt hast, ob wir zusammen sein wollen. Jede Geschichte über deine Weiber. Jede Frage, warum meine Ex-Kerle schlecht im Bett waren. An jede Nachricht, in der du fragtest, wann ich wieder nach Meck Pomm komme. Jede Frage, wie die männliche Gießener Bevölkerung ist. An die Osternacht vor einem Jahr. An meinen 19. Geburtstag, als wir uns küssten. An die vielen Diskussionen über Freundschaft Plus.
Kurzzeitig habe ich auch überlegt, ob ich dich mehr mag als nur freundschaftlich. Ich dachte, die Leute sagen nicht umsonst, dass wir zusammen gehören. Oder schon zusammen sind. Aber .. Nein. Klar, habe ich mich jedes Mal gefreut, als ich dich gesehen habe. Aber es hätte nie für eine Verliebtheit gereicht. Vielleicht, irgendwann, wenn wir beide älter sind. Jedoch, wenn du so weitermachst, werden wir uns bald nicht mehr wirklich kennen. Ich werde dich meiden (oder vielleicht noch mehr provozieren, weil es mir gefällt) und dann wird aus dem 'Vielleicht, irgendwann' ein 'Niemals'. Und du bist auf dem besten Weg dahin.
Entweder du lernst, mit deinen Gefühlen umzugehen, redest mal mit mir darüber (reden, nicht schreiben), oder behandelst mich wieder wie einen Menschen, mit dem du befreundet bist. Und wenn nicht, tja, das kann ich dir auch nicht sagen. Dann werde ich wohl viele Möglichkeiten finden, dir auf den Sack zu gehen. Bis du dich irgendwie änderst, weil du nicht mehr anders kannst.
Marike
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30 Briefe an 30 Tagen .. und Fortsetzung
RandomHallo :) Auch ich fange jetzt mit den Briefen an. Ich sah das hier und fand die Idee anfangs ziemlich dumm. Und doch dachte ich dann darüber nach und mach das kleine Projekt jetzt doch mit. Ich hoffe, ich ziehe es auch durch in diesen 30 Tagen. Di...