30 Briefe an 30 Tagen .. und Fortsetzung

Tag 18 - Jemand, dem ich eine zweite Chance geben würde

Hallo Johannes, 

unglaublich, es ist schon zwei Jahre her. Du musst mittlerweile 20 sein. Krass. Aber ich muss sagen, du siehst gut aus. Besser als damals. Ja, ich geb’s zu, ich stalke dich manchmal auf Facebook.

Warum hast du dich nach Kneese nicht gemeldet? Das habe ich nicht verstanden. Ich dachte, wir würden gut klarkommen. Das kann doch nicht nur einseitig gewesen sein, oder? Ich hatte mir wahrscheinlich sowieso zu viel erhofft, aber die Freundschaftsanfrage auf Facebook hättest du ja wohl annehmen können. 

Ich erinner mich immer wieder daran, wie wir die gebastelten Trommeln aus dem Zirkuszelt in das Haus retteten. Im strömenden Regen liefen wir hin und her. Ich glaube, jetzt, im Nachhinein, kommt mir die Situation viel schöner vor, als sie vor zwei Jahren wirklich war. Naja, und dann hast du mich irgendwann angeguckt und gesagt, jetzt wäre ich dran. Ich wusste nicht, was du meinst. Und dann hast du mich einfach Huckepack genommen und liefst mit mir auf dem Rücken durch den Regen. Es war wundervoll. Ich lächel immer noch, wenn ich daran denke. Das ist meine mit Abstand schönste Erinnerung an Kneese 2012. 

Ich habe nach Kneese so oft an dich gedacht. Hab sogar mal von dir geträumt. Richtig daran erinnern kann ich mich nicht mehr. Ist ja auch schon etwas her. 

Ich wünschte, wir hätten uns letztes Jahr beim Kirchentag gesehen. Warum warst du nicht dabei? Ich hab doch deinen Namen auf der Liste der Teilnehmenden gesehen. Oh man, was für ein komisches Gefühl das war, deinen Namen dort niedergeschrieben zu sehen. Ich kann gar nicht beschreiben, was da alles in mir abgelaufen ist. Ich hatte ein komisches Kribbeln im Bauch. Vielleicht Angst, vielleicht Vorfreude. Ich weiß es nicht genau. Und dann stand ich am Bahnhof, als es losgehen sollte, und habe nur nach dir geguckt. Ich hab alle anderen nur halbherzig begrüßt, obwohl Leute dabei waren, die ich auch schon lange nicht mehr gesehen hatte, die ich mindestens genau so gern wiedergesehen hätte wie dich und die wenigstens etwas Kontakt mit mir hatten. Aber du kamst einfach nicht. Warum? Ich hatte mich doch irgendwie auf dich gefreut. 

Wenn wir uns doch beim Kirchentag gesehen hätten, wäre ich dir wahrscheinlich um den Hals gefallen. Ich hätte für einen Blick in deine Augen vergessen, dass du toter Mann gespielt hast. Tja, aber - da! -  schon wieder der Konjunktiv. 

Aber man sieht sich immer zwei Mal im Leben. Oder? 

Marike