Tag 6 - Fremder

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Hallo du,

Ich hoffe, dass ich dich duze ist okay, und wenn nicht, ist es mir auch egal. Ich bin Marike, 18 Jahre alt und liege gerade in meinem Bett und schreibe dir. Mein Bett ist ziemlich zugemölt, hunderte von Kabeln scheinen hier zu liegen; Lappi und Handy brauchen halt etwas Strom. Und dann läuft noch das neongrüne Kabel der Kopfhörer hier entlang. Aus den Stöpseln davon tönt mir gerade ein Lied von Stilbruch entgegen. Kennst du wahrscheinlich nicht, oder? Hör sie sie dir an, tolle Band. Ich hab die schon live gesehen, in einer Hamburger Kirche. Unglaubliche Akustik. Die Band besteht nur aus 3 Leuten, ein Geiger, einer mit ´nem Schlagzeug und einer mit .. ich glaube, das war n Chello, aber ich hab davon nicht viel Ahnung. Klingt zusammen aber wirklich schön.

Okay, das reicht jetzt an Musik.

Was hast du so an Hobbys? Irgendetwas Spektakuläres? Ich hab da nicht so viel zu erzählen. Ich lese gerne, höre viel Musik. Ja, das war es eigentlich auch schon. Eins vielleicht noch: Ich engagiere mich ehrenamtlich in der Evangelischen Kirche. Jaja, klingt ultralangweilig und religiös. Und nein, wir beten nicht den ganzen Tag. Da geht es ehrlich gesagt, schlimmer ab, als man denkt. Damals, als ich noch Teilnehmerin war, habe ich das erste Mal bei einem Kirchencamp Alkohol bekommen. Und da war ich definitiv noch viel zu jung dafür. Nicht umsonst sagen wir Teamer aus Spaß immer „Evangelische Jugend – Wir versauen Ihre Kinder“. Naja, so schlimm sind wir eigentlich doch nicht, aber so ganz unschuldig sind wir halt auch nicht.

Okay, ich habe keine Lust mehr, mein lieber Fremder. Tschüss.

30 Briefe an 30 Tagen .. und FortsetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt