Tag 17 - Jemand aus meiner Kindheit

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Hallo Fine,

Du warst meine erste beste Freundin. Und das jahrelang. Ich glaube, wir lernten uns im Kindergarten kennen. So ganz sicher bin ich mir dessen jedoch nicht mehr. Kindergartenzeit ist für uns beide ja auch schon etwas her.

Wir haben uns eigentlich jedes Wochenende getroffen. Wir haben Höhlen in deinem Zimmer gebaut, uns darin versteckt; wir haben euren Bachlauf bestimmt hunderte Male anders gestaltet, die Steine darin jedes Mal irgendwie anders hingelegt; wir haben beide unsere Flummi- und Murmelsammlungen gehabt und den einzelnen Murmeln Namen gegeben; wir haben Stöcker gesammelt und fasziniert beobachtet, wie verschieden sie ins Wasser eintauchen; wir haben unsere tausende Murmeln die Bahnen runterjagen lassen; wir haben so viele Frösche gefangen, dass ich sie nicht zählen könnte; wir haben Nacktschnecken gesucht, weil du die Idee hattest, diese zu braten, um auch mal Nacktschnecken zu probieren; wir haben unsere schwimmenden Flummis den Bachlauf entlangtreiben lassen, hatten dort vorher für unsere Flummis „schwerere Stellen“ eingebaut,  sodass diese dort schlecht passieren konnten oder immer schneller wurden; wir haben deine Hühner bespaßt, obwohl diese bestimmt nicht ganz so viel Spaß hatten wie wir; wir haben selbst Holundermarmelade gemacht, die sogar mir geschmeckt hat.

Man, wir haben echt verdammt viel gemacht. Wir waren dabei in unserer eigenen kleinen Welt. Ich weiß gar nicht, wie und warum wir nicht mehr unsere eigene Welt haben. Ich glaube, es lag viel an mir. Ich hab mich verändert, ging auf eine andere Schule - ja, die Regionalschule hat mich damals viel zu sehr verändert – aber du bliebst noch länger Kind. Ich kam in die fünfte Klasse und wurde mit ganz anderen Problemen konfrontiert als die, die uns beschäftigt hatten. Jetzt waren Beziehungen im Vordergrund. Gott, das war für uns noch nie Thema gewesen. Das waren die Probleme der Großen. Und ich wurde damit dann in ihre Mitte gezogen. Ich musste mich ihnen anpassen. Ich hätte noch weniger da hineingepasst, wenn sich mein Leben weiterhin um Flummis, Murmeln und Frösche keschern gedreht hätte.

Aber du bist auf deiner Schule geblieben. Privatschule halt. Du wurdest nicht ins kalte Wasser geschubst und musstest so schnell wie möglich anpassen. Dadurch konntest du länger Kind bleiben. Ich wünschte, ich hätte es auch etwas länger bleiben können.

Naja, ich veränderte mich, du dich nicht. Und dadurch passte es nicht mehr mit uns. Schade eigentlich.

Ich werde dich nie vergessen.

Marike

30 Briefe an 30 Tagen .. und FortsetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt