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Schweißgebadet setze ich mich auf. Ich schiebe das dünne Laken von meinen nackten Beinen und fahre mir durch die Haare. Erneut habe ich davon geträumt.

Es geschah als ich bei meiner vorletzten Pflegefamilie wohnte. Die Donovans lebten in einem kleinen Stadtteil nahe Cumbria. Sie waren weder wohlhabend noch reich, was wohl auch der Grund für meine Aufnahme war. Sie brauchten das vom Staat finanzierte Geld für Eigenleistungen.

Mr. Donovan war ein kräftiger Mann Mitte 40. Wie die meisten Männer aus der Gegend trug er ein rot-schwarz kariertes Hemd und alte, verwaschene Jeans. Von seinem Beruf als Bauarbeiter, hat er eine etwa 5cm lange Narbe auf seiner stets von Schweissperlen besetzte Halbglatze bekommen.
Wenn er seine Sorgen wieder in der nahegelegenen Bar weggesoffen hat und beschwipst wieder kam, prahlte er mit der dicken Narbe, als hätte er sich für das Wohl des Staates geopfert.
Doch auch wenn ich mich am Liebsten in meinem Zimmer eingeschlossen hätte, blieb ich bei ihm und heuchelte Interesse und Erstaunen vor.

Mrs. Donovan war Hausfrau und kümmerte sich mehr oder weniger um das kleine zweistöckige Haus. Doch sie verbrachte mehr Zeit auf der kleinen Holzveranda, wo sie mit ihren Schwestern oder Freundinnen telefonierte, als beim Putzen oder Kochen im Haus. Sie war groß, schlank und ihr Wiedererkennungswert lag darin, dass sie nach einer Mischung aus Zigaretten und süßem Rosenparfüm roch.

Sie bemängelte oft meinen Kleidungsstil und Auftreten. Selber trug sie gerne enge, figurbetonende Kleidung und Hochsteckfrisuren mit rein gemachten Locken. Ihre Jugendlichkeit versuchte sie stets durch einer dicken Schminkschicht und blond-gefärbten Haaren zu erhalten.

Als sie eines Tages mal wieder zu viel vom billigen Rotwein getrunken hat, kam sie in mein Zimmer und setzte sich zu mir aufs Bett. Statt mich wie üblich zu ignorieren, legte sie ihre Hand auf meine Schulter und fing an zu weinen.

,,Weißt du Malia. Du bist wie die Tochter, die ich nie hatte.",als ich den Geruch von Zigaretten und billigem Parfüm war nahm, zwang ich mich dazu aus dem Mund zu atmen, um nicht selber in Tränen aus zu brechen.
,,Du erinnerst mich immer an das hässliche Entlein. Nur, dass aus dir wahrscheinlich nie ein schöner Schwan werden wird.", erklärte sie mir seufzend. Sie schluchzte erneut. Mit einem aufgesetzten Lächeln nahm ich ihre knochige Hand in meine.
,,Sie haben doch Allison. Sie ist wunderschön.", und das stimmte.

Allie ist bezaubernd.
Mrs. Donovan nickte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
,,Stimmt. Allison... Aber das ist nicht das selbe. Sie ist noch ein Kind."

Allie war die vierjährige Tochter der Donovans. Manchmal glaubte ich, dass Mrs. Donovan auf ihre eigene Tochter eifersüchtig war. Allie verzauberte jeden mit ihren großen, blau leuchtenden Augen, langen hellbraunen Locken und dem entzückenden Charme.

Das nervige Piepen meines Weckers reißt mich aus meinen Erinnerungen. Mit einem festen Schlag, schalte ich diesen ab.
Es ist 7:00Uhr.

Um 8:00Uhr muss ich bei der Agentur sein, die mich und 11 weitere Lehrlinge aufgenommen hat. Wir müssen eine Arbeit über das Thema ,,Reporter im Ausland - Die richtige Vorgehensweise" abgeben. Stundenlang saß ich an meinem Schreibtisch um den Bericht zu verfassen. Zugegeben; ich bin ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis.

Ich rapple mich auf und suche mir eine helle Jeans und ein enges, weißes Oberteil raus, dessen Ärmel mir bis zu den Ellbogen gehen.
Im schwach beleuchteten Bad, mache ich mich frisch und versuche mir die Müdigkeit mit etwas Make-up aus dem Gesicht zu zaubern.
Während ich mir Kaffee und etwas zu Essen mache, binde ich mir meine Haare zu einem flüchtigen Dutt. An meiner Tasse nippend, lehn ich mich an die Küchenthrese und starre aus dem kleinen Fenster.

TOUCH | ᴘ.ᴊᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt