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Geschickt schließe ich mit dem Schlüssel, an welchen mein Disney-Schlüsselanhänger vor sich hin baumelt, die Haustüre auf und stoße diese mit einem leichten Hüftschwung beiseite.

Meinen Mantel werfe ich in Richtung Kleiderständer, den ich jedoch verfehle, woraufhin der Mantel auf die angehäuften Sneakers sackt. Das Missgeschick ignorierend, laufe ich in die Küche und drücke wie gewohnt den silbernen Knopf des Kaffeeautomaten. Mit knurrendem Magen starre ich auf die Digitaluhr des Radios.
16:34Uhr

Mich streckend öffne ich ein Türchen des hoch befestigtem Wandschrankes.
Wenn ich mich nicht täusche sollte ich noch etwas Schokomüsli da haben. Auf Zehenspitzen und mit gerunzelter Stirn taste ich die Ablagefläche des Schrankes ab. Als meine Finger das raue Papier der Müsliverpackung streifen, versuche ich danach zu schnappen. Doch dabei rückt dieses noch weiter weg, sodass es mir unmöglich wird mein Essen zu ergreifen.

Plötzlich erscheint eine zweite, große Hand neben meiner und greift mühelos nach der Müslipackung. Erschrocken taumle ich nach hinten. Jimin steht mir mit meinem Müsli in der Hand gegenüber.
Statt seiner Jogginghose trägt er eine dunkle Jeans und einen grauen Pullover. Auch seine Haare erscheinen weniger zerzaust als sonst. Die verblassten Augenringe verraten mir, dass er sich ein bisschen erholt hat.

,,Idiot.", sage ich wohlgemerkt mit ernster Stimme.
,,Du hast mich erschrocken! Was hast du hier zu suchen und wie bist du überhaupt in meine Wohnung gekommen?"
Er öffnet eine Wandschranktür nach der anderen bis er die Abteilung mit den Schüsseln findet und dabei zwei heraus nimmt. Grinsend betrachtet er die kleine, weiße Schüssel mit Farbspritzern und krüppligen Herzen darauf.

Allie's alte Lieblingsschüssel, welche sie im Kindergarten selbst bekünsteln durfte. Sie hatte sie mir zu meinem 15.Geburtstag geschenkt.

,,Hat das einst die kleine Malia bemalt?"
Gekränkt ignoriere ich seine Frage.
,,Wie bist du hier rein gekommen?"
,,Das war nicht sonderlich schwer. Im Internet wird man gut fündig, was das Einbrechen in anderer Wohnungen und Häuser angeht."
Ungläubig betrachte ich seine bespaßten Gesichtszüge.
,,Du bist eingebrochen?", fahre ich ihn spöttisch an.
,,Jup."

Er schüttet die gleiche Menge an Müsli in die zwei Schüsseln hinein. Den Kühlschrank öffnend, greift er nach der Tetrapackmilch. Als er den Deckel aufschraubt, rümpft sich seine Nase vom beißenden, säuerlichen Geruch der abgelaufenen Milch.

,,Wieso bist du hier?", frage ich erneut.
Die Milch entleert er in der Spüle und stellt die leere Packung daraufhin neben mir ab.
,,Ich hatte Hunger. Du warst nicht da, da hab ich auf dich gewartet, aber wie's aussieht besitzt du selbst nichts essbares."
Von der Tatsache, dass ich kein Essen da habe, schaue ich verlegen weg.

,,Damit ich eins klar stelle. Du hast kein Recht hier einfach ein zu brechen, Jimin! Nur weil du Hunger hast, heißt das noch lange nicht, dass-"
Jimin aber, kommt mir plötzlich bedrohlich nahe und lehnt sowohl die rechte als auch die linke Hand um mich an der Ablagefläche ab, sodass er mir direkt gegenübersteht und ich in den Fängen seiner Arme und der Ablage gefangen bin.
,,Jaja. Schon gut. Tut mir leid. Wollen wir etwas essen gehen?"

Von seinem Kommentar und der Nähe überrumpelt, sehe ich ihn mit glühenden Wangen und einem verdatterten Gesichtsausdruck an.
,,Du willst etwas Essen gehen? Mit mir? Woher der Sinneswandel?"
Das tiefe Raunen seiner Lache, löst ein flaumiges Gefühl in mir aus.
,,Warum nicht? Ich habe Hunger. Denk dir nichts dabei.", zwinkernd löst er sich von mir und läuft nichtssagend zur Haustür.

Was ist passiert?
Wieso ist er plötzlich so gut drauf?
Dies scheint mir ein ganz anderer Jimin als sonst zu sein.

Eilend laufe ich ihm hinterher und verlasse daraufhin das alte Gebäude.

,,Wo willst du hin?", frage ich ihn während wir den Gehweg entlang laufen.
,,Weiß nicht.", entgegnet er schulterzuckend.
,,Lass uns doch einfach sehen wohin uns der Weg führt. Wer weiß, vielleicht entdecken wir ja ein kleines, verstecktes Café?", erklärt er spielerisch flüsternd. Nachdem ich ihn augenrollend angrinse, mustere ich unsere im Takt vereinten Schritte.

Warum ist er so gut drauf?
Warum ist er so nett zu mir?
Ich bezweifle, dass das ganze hier auch nur in irgend einer Hinsicht gut für unsere Beziehung sein könnte. Ich sollte mich von ihm entfernen bevor es zu spät ist.

Bevor ich ihn mag.
Bevor ich verletzlich bin.
Bevor er mir seelisch weh tun kann.

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