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Ohne auf eine Reaktion seinerseits zu warten, ergreif ich die Initiative und schlängele mich durch die Tür an ihm vorbei. Ich steure gradewegs auf die Küche zu, als ich noch das Einrasten des Türschlosses höre.

Kritisch schaue ich mich im Chaos des Wohnzimmers um.
,,Hast du vor das alles noch auf zu räumen?", mein Blick schweift zu Jimin, welcher das Zimmer nun ebenfalls betritt. Den Scherben ausweichend stelle ich den Topf auf die Herdplatte der Küche. Schulter zuckend sieht er sich im Raum um. Sein Gesichtsausdruck strahlt wie immer pure Gleichgültigkeit aus.
,,Kann dir doch egal sein.", erklärt er und trottet danach zurück in das Schlafzimmer, welches man genauso gut als dunkle Kammer bezeichnen könnte.

Von seiner desinteressierten Reaktion genervt, portioniere ich die noch warme Nudelsuppe in zwei hellblau-gestreifte Schüsseln, die ich zuvor in seinem Wandschrank entdeckt habe. Mit den Suppenschüsseln und zwei Löffeln in der Hand mache ich mich auf den Weg zu Jimin, der sich wieder in das Doppelbett gekrochen hatte.

Absichtlich grob, stelle ich sein Essen auf den Nachttisch. Ich selber setze mich auf den Schreibtisch-Stuhl neben seinem Pult.
,,Iss bevor es kalt wird.", ist das letzte was ich zu ihm sage, bevor ich anfange meine mit Liebe gemachte Suppe zu schlürfen.

Nach einer Weile erhasche ich vom Augenwinkel, wie sich Jimin langsam aufrichtet und nichts-sagend nach der Schüssel voll Nudelsuppe greift. Zufrieden schmunzelnd löffle ich meine Suppe bis schließlich nichts weiteres als Reste des klein geschnittenem Schnittlauchs übrig bleiben. Ich stelle die Schüssel auf die Tischplatte ab und drehe mich daraufhin mit dem Bürostuhl spaßeshalber im Kreis.

Bevor mir übel werden könnte, bremse ich mich mit dem Fuß ab. Dabei fällt mir das Handy auf dem Tisch, welches sich neben dem Zettel mit meiner Nummer befindet, auf. Mit gerunzelter Stirn näher ich mich dem Pult an und greife nach dem Zettel.

,,Jimin?"
Als Erwiderung gibt er ein Grummeln von sich, wobei er sich einen weiteren Löffel voll Suppe in den Mund stopft.
,,Bist du derjenige der mich Heute angerufen hat?", frage ich und halte ihm dabei den Zettel entgegen. Er legt den Löffel beiseite und wendet seinen Blick auf mich.

,,N-Nein.", entgegnet er schnell. Schmunzelnd zieh ich mein Bein ein und lege mein Kinn auf das Knie.
,,Ach nein? Dir muss das nicht peinlich sein."
Er schüttelt den Kopf.
,,Lüg nicht, Jimin. Du warst es.", erwidere ich Augenbrauen wackelnd.
,,Wie willst du das beweisen?", faucht er zurück und wendet sich daraufhin wieder seinem Essen zu.

Die Chance nutzend, schnell ich zu seinem Handy. Doch er scheint mein Handeln durchschaut zu haben und steht, so schnell es mit seinen Verletzungen möglich ist, auf und hechtet zu mir rüber. Wir beide greifen fast gleichzeitig nach dem Handy, wobei ich ihn mit der Schulter wegdrücke und schließlich diejenige mit dem Handy in der Hand bin.

Triumphierend lächelnd schalte ich das Handy ein. Da glücklicherweise kein Entsperrungscode benötigt wird, ist es nur eine Leichtigkeit den Verlauf auf zu rufen.

,,Siehe da...", sage ich grinsend und halte ihm den Bildschirm mit meiner Nummer vor die Nase. Mit beleidigter Miene nimmt er mir das Handy ab und trottet zurück zu seinem Bett.
,,Na und? Dann hab ich dich eben angerufen. Bild dir nichts drauf ein. Ich wollte nur was zu Essen haben. Aber gut zu Wissen, dass du auch ohne, dass ich dich darum bitten müsste, mir etwas zu Essen bringst.", während des letzten Satzes, bilden Jimins Lippen ein schelmisches Lächeln.

Mit glühenden Wangen seh ich ertappt weg.
,,Bild du dir nichts drauf ein! Ich hatte zu viel von der Suppe gemacht und da war es mir eben zu schade etwas weg werfen zu müssen.", lügend verschränke ich meine Arme.
,,Wenn du meinst.", entgegnet er lachend.

Als er sich zurück in sein Bett legen möchte, erhasch ich ein Zucken in seinem Gesicht. Mit gerunzelter Stirn näher ich mich ihm an.
,,Wie geht es dir?", frage ich nun ein wenig besorgt.
,,Gut.", brummt er zurück.
,,Und du willst sicherlich nicht nochmal zum Arzt gehen? Jimin, ich bin nicht dafür qualifiziert jemanden zu verarzten. Wer weiß ob du Rippenbrüche hast?"
Ich setze mich neben ihm auf das Bett.
,,Mir geht es gut.", wiederholt Jimin sich. Nickend seh ich weg.

,,Arbeitest du eigentlich noch im Supermarkt?", lenke ich gezwungenermaßen ab.
,,Ja. Ich habe mir frei genommen, bis es mir wieder besser geht."
,,In welcher Hinsicht 'besser'?", frage ich bewusst provozierend. Ich weiß, dass ihn etwas beschäftigt und unglücklich macht. Meiner Meinung nach habe ich es verdient die Wahrheit zu erfahren.

,,Physisch.", erwidert er schroff.
,,Du willst mir immernoch nicht sagen was vorgefallen ist, stimmt's?", ich sehe ihn abwartend an.
,,Nein, Malia.", seufzend fährt er sich mit der Hand durch die strubbligen, braunen Haaren.
,,Und du willst mir deine Geschichte wohl auch nicht erzählen?", ich folge seinem Blick zum kleinen Fenster.

Zu erkennen sind nur die Wohnungen gegenüber der unserer. Der Regen lässt aufgrund der Nässe, die Backsteinfarben der Häuser dunkler erscheinen.

,,Warum sollte ich?"
Nickend wendet er sich mir wieder zu.
,,Und warum sollte ich?"
Ich schüttle den Kopf.
,,Das ist nicht das selbe. Ich habe dir geholfen. Du bist mir die Wahrheit quasi schuldig."

Ungläubig lachend setzt sich Jimin auf.
,,Müssen wir das etwa nocheinmal aus diskutieren? Erinnre dich. Ich habe dich um nichts gebeten. Du hast das alles aus freiem Stücke für mich getan. Was mich immer noch interessieren würde...ist weshalb du das getan hast. Sag es mir. Du hattest mir keine gescheite Antwort gegeben."
Nachdenklich starr ich auf meinen Schoß, auf dem ich versuche meine Hände mit kreisenden Knetbewegungen auf zu wärmen.

,,Ganz ehrlich?", lächelnd fahre ich mir über den Daumen.
,,Ich weiß es nicht."

Still schweigend lauschen wir dem prasselnden Regen.

Ich bin mir wirklich unsicher weshalb ich Jimin helfe. Anfangs dachte ich, ich helfe ihm nur kurzzeitig, indem ich ein Krankenwagen rufe. Doch er ließ das nicht zu, weshalb ich mich dazu verpflichtet gefühlt habe ihm zu helfen.

Aber warum? War es nur Mitleid? Ich hätte genauso gut gehen können oder gegen seinen Willen die Polizei und einen Rettungsdienst rufen können. Aber eine Stimme in mir meinte, das sei nicht richtig.

Etwas an ihm weckt in mir ein brodelndes Interesse.
Ist es der Fakt, dass Jimin etwas vor mir verbirgt? Was womöglich auch der Grund dafür ist, dass er so ausgerastet ist und niemanden mehr um sich hat? Oder teile ich schlichtweg Sympathie mit meinem neuen Nachbern, da er wie ich einsam ist und scheinbar eine schwerliegende Vergangenheit hinter sich hat?

Ich weiß es nicht.

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