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,,Alles Okay?''

,,Hmm?'', zurück in der Realität, wende ich meinen Kopf vom verschmierten Fenster ab. Ich sehe in die besorgten Augen Jimin's.
,,Ja, ja. Ich habe mich nur an etwas zurück erinnert.'', ich setze mir ein Lächeln auf und nehme dann einen weiteren Schluck vom Kaffee. An seinen Gesichtszügen erkenn ich, dass er sich mit der Antwort nicht zufrieden gibt.

,,Willst du über vorhin reden?'', frage ich ihn bevor er etwas erwidern kann.
,,Nein, eigentlich nicht.''
,,Sollten wir aber.'', Jimin ignoriert meine Bemerkung und starrt stattdessen in seine Tasse.
,,Was willst du jetzt tun?'', versuche ich es erneut. Seufzend lehnt er sich zurück.
,,Ich weiß es doch selber nicht, Malia. Wieso muss nur alles so kompliziert sein?'', mit dem Ellbogen auf den Tisch, stützt er sein Gesicht auf seine Handfläche ab und mustert mich dabei nachdenklich.
,,Ist es nicht. Du machst es dir nur so kompliziert.'', ich tue ihm die Geste nach.
Minutenlang verharren wir in dieser Position und sehen uns dabei in Gedanken versunken an.

Wieso erzählt er mir nicht von seiner Vergangenheit? Wieso quält er sich da alleine hindurch?

Ich sehe doch wie du leidest, Jimin.

,,Jimin...wieso erzählst du mir nicht was passiert ist?", er schüttelt den Kopf.
,,Weil-", er wendet seinen Blick von mir ab.
,,-ich deinen Eindruck von mir bei behalten möchte. Ich möchte nicht, dass du von mir schlecht denkst."

Ich nicke. Aus dem selben Grund möchte ich es dir nicht erzählen.

,,Und was machst du jetzt wegen den Jungs?", hacke ich weiter nach. Jimin sieht mich ein wenig irritiert an.
,,Ich meine...deine Freunde?"
Er verrührt unnötigerweise seinen Kaffee.
,,Ich bleibe hier. Ich will hier bleiben.", sein Blick trifft den meinen. Merkwürdigerweise entspanne ich mich ein wenig.

,,Ich will nicht zurück in...diese Höllenstadt."
,,Aber warum? Nur wegen deiner Vergangenheit? Dich hält hier doch nichts fest. Deine ganzen Freunde leben...dort.", ich wage es nicht seine Familie zu erwähnen, da er darauf noch nie gut zu sprechen war.

Jimins Augen scheinen mich zu durchbohren.
,,Doch, da gibt es etwas."
Glühend wende ich meinen Blick von ihm ab und werde das Gefühl nicht los, dass er mich damit meinte.

,,Und deine Freunde? Willst du sie für immer abweisen?", sage ich leicht stotternd. Er schüttelt den Kopf.
,,Nein. Sie sind mir wichtig. Das habe ich gemerkt als ich Yoongi wieder gesehen habe. Ich habe mir gewünscht, dass-"
,,- ,dass die Anderen auch da wären.", beende ich seinen Satz und schmunzle leicht. Jimin nickt.

,,Dann...ist doch alles in Ordnung? Oder? Dann hält dich ja nichts davon zurück sie hin und wieder zu treffen."
Jimin erwidert meinen Blick. Ein wenig nervös tippt er mit seinen Fingerkuppen gegen die schwarze Tischplatte.
,,Es ist nur...immer wenn ich sie sehe, erinnert mich jeder einzelne von ihnen an die Lügen, die ich ihnen auftischen musste. Sie erinnern mich an all den Schmerz, den ich vor ihnen verborgen habe. Und vor allen Dingen-", ich erkenne die typische Sorgenfalte zwischen seinen Brauen.
,,-erinnern sie mich an meine Tat und mein vorheriges Leben."

Schwer schluckend erwidere ich seinen Blick.
,,Jimin, dir wird es ohne ihnen auch nicht besser gehen."

,,Ich weiß."

-

Im Bett wälzend, versuche ich einzuschlafen.
Vergebens. Ich denke einfach zu viel nach.
Über Jimin.
Über mich. Über seine, meine, unsere Zukunft.
Über Allie.

Jimin liegt im Wohnzimmer auf meiner Couch. Nachdem wir vom Café zurück gekehrt sind, sahen wir uns noch gemeinsam eine schlechte Komödie an. Als ich ihm erklärte, dass ich schlafen gehen möchte, fragte er mich ob es mir was ausmachen würde, wenn er diese Nacht über hier schläft.

Natürlich nicht, sagte ich.

Aber jetzt merke ich, dass es mir sehr wohl etwas ausmacht. Der alleinige Gedanke daran, das er sich nun im Nebenzimmer befindet, scheint mich aus der Fassung zu bringen.

Nachdem ich es nicht schaffe einzuschlafen, stehe ich schnaufend auf. Ich streife mir eine Strickjacke über und tapse dann am Wohnzimmer vorbei in die Küche. Dort schnappe ich mir ein Glas und die Wasserflasche aus dem Kühlschrank.

Das Räuspern lässt mich kurz aufzucken und ich richte mich zum zentralgelegenen Sofa.
Jimin sitzt aufrecht dran und scheint mich trotz der Dunkelheit zu bemustern.
,,Kannst du auch nicht schlafen?", höre ich ihn sagen. Ich nicke. Auch wenn er es vermutlich nicht sehen kann.

Ich laufe zu ihm hinüber mit keinerlei Anstalt, das Licht anzuschalten. Nur die Beleuchtung des Nachthimmels erlaubt uns, die Silhouetten des jeweils anderen zu erkennen.

Ich hocke mich neben ihm hin und lehne meinen Kopf nach hinten, sodass mein Nacken das kühle Leder des Sofas streift. Jimin's Kopf senkt sich bis er ihn schließlich auf meinen Schoß nieder lässt. Ich spüre seinen Blick auf mir harrend. Langsam wende auch ich meinen Blick nach unten bis ich auf den Jimin's treffe.
Trotz der Dunkelheit erkenne ich die Weichen Konturen seines Gesichtes. Vorsichtig streife ich sie nach.

,,Malia?"
,,Hmm?"
,,Was ist mit Allie passiert?"

Ich halte kurz inne aber fahre anschließend mit meiner kleinen Geste fort.
,,Wie schon gesagt, war sie die Tochter meiner Pflegeeltern. Die Donovans.
Sie waren die letzte Pflegefamilie in der ich geschickt worden bin. Ich habe jede freie Minute mit Allie verbracht. Ich fühlte mich wie ihre große Schwester, fast schon wie eine Mutter. Die Donovans waren miserable Eltern.
Wie auch immer...", ich räuspere mich kurz und fahre dann flüsternd fort.

,,Ich habe neben der Schule in einer kleinen Imbissbude gejobbt. Deswegen hatte ich nach der Schule oft keine Zeit gehabt, mich um Allie zu kümmern.
Sie bestand immer darauf, mit zu kommen. Doch ich habe mich immer geweigert ein kleines Kind mit auf die Arbeit zu nehmen. Ihr wäre nur langweilig gewesen. Aber...an diesem Tag, habe ich schließlich nach gegeben und ihr versprochen, sie mit zu nehmen.", ich hole tief Luft und spüre daraufhin Jimin's Händedruck an meinem Handgelenk.

,,Ihr war ganz und garnicht langweilig gewesen. Ihr machte es überraschenderweise viel Spaß, mir bei der Arbeit zu zu sehen. Wahrscheinlich war ihr alles lieber gewesen, als alleine die Zeit tot zu schlagen...
Als ich dann kurz vor Feierabend, den Müll raus bringen wollte, war...war da dieser Mann. Ich erkannte ihn. Er war einer unserer Stammkunden gewesen. Er kam mir plötzlich so nahe und ha-hat mich dann belästigt u-und-", ich spüre wie sich Jimin unter mir verspannt.
,,-er wollte mich - du weißt schon.", schwer schluckend versuche ich die Tränen, die meine Wange hinab auf Jimin fallen, zu ignorieren.

,,Doch bevor es dazu kommen konnte, kam Allie um die Ecke. Sie rief meinen Namen u-und sie wollte mir zu Hilfe kommen...
Er erschrak und griff nach seiner Pistole.
Er schoss und traf mit nur einem Schuss ihren kleinen, zerbrechlichen Körper.
Und, oh Gott. Ihr Blick. Jimin, ihr Blick war das womöglich Schlimmste.", ich schluchze kurz auf, doch unterdrücke weiteres.

,,N-nach dem Schuss, rannte er weg. Er ließ mich mit einem engelsgleichen, sterbenden Mädchen zurück.
Ich weiß nicht was ab da an geschah. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern.
Wahrscheinlich habe ich geweint.
Wahrscheinlich habe ich mich einfach neben sie gesetzt und sie angeschrien, sie solle doch aufstehen. Ich weiß es nicht.", ich schüttle den Kopf.

,,Was ich jedoch weiß ist, dass sie nichts dergleichen verdient hat. Allie starb weil sie mir helfen wollte. Sie starb weil ich nachgegeben und sie mitgenommen habe.
Es ist meine Schuld."

TOUCH | ᴘ.ᴊᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt