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Nachdem sich meine Tränen versiegelt haben, drücke ich Jimin von mir weg. Sein Blick wirkt nachdenklich. Zögernd setze ich mich auf das schmale Bett und falte die erwärmten Hände auf meinem Schoß zusammen.

Die Stille zwischen uns fühlt sich nicht direkt unangenehm an. Es ist nur, dass ich nicht weiß was ich sagen soll. Ich weiß nicht wie ich ihm den Grund, weshalb ich geweint habe, erklären soll. Vor allem möchte ich es ihm nicht erklären.

,,Malia..."
Ich schüttle den Kopf und meide ihm in die Augen zu blicken.
Die Matratze wird durch das Gewicht Jimin's ein Stück weit geneigt. Ich betrachte das Bild seiner blassen, sehnigen Händen, die wie versteinert auf den kräftigen Oberschenkel ruhen.
Er seufzt.

,,Ich bin abgehauen.", sagt Jimin kaum hörbar.
Verwirrt ziehe ich die Brauen zusammen. Jedoch wage ich es noch nicht ihn anzusehen.
,,Ich habe alles hinter mir gelassen. Meine Freunde, die Schule,meine..meine Familie. Die verdammte Kleinstadt in der ich aufgewachsen bin. In der ich meine Kindheit, meine Vergangenheit zurück gelassen habe. Ich wollte einen Neuanfang. Ich wollte nichts mehr mit meinem alten Leben zu tun haben. Das ist auch der Grund weshalb du mich jetzt als deinen Nachbarn hast, Malia.", leicht schmunzelnd legt er seinen Kopf in den Nacken.

Ich schweige und überlasse mich meinen, sich verknüpfenden, Gedanken.
Er vertraut mir.
Ihm muss etwas furchtbares passiert sein. Warum sonst hätte er alles zurück gelassen? Ich dachte, dass mir nie wieder jemand vertrauen würde.

Verunsichert darüber, was ich von seinem Vertrauen mir gegenüber halten soll, wende ich mich Jimin zu. Er sieht mich nicht an und starrt stattdessen wie erstarrt zur Decke.
,,Danke."
Sein leichtes Zucken verrät mir, wie unerwartet mein Kommentar gewesen war. Meine ernste Miene scheint ihn zu verspannen.
,,Ich versteh nicht...", beginnt er seinen Satz, doch ich unterbreche ihn.
,,Danke, für dein Vertrauen.", ich sehe ihn an. Er nickt langsam.
,,Ich wünschte du könntest mir auch ein wenig mehr vertrauen.", erwidert er mit einem enttäuschten Unterton.

Nachdem Jimin seinen Blick auf mich richtet, erhasche ich erstmals die kleine Sorgenfalte zwischen seinen Brauen. Die mandelförmigen Augen treffen auf meine und verursachen einen angenehmen Schauder.

Er möchte, dass ich ihm vertraue.

Das unweigerliche Flattern in mir, verleiht meinem Körper ein neues Gefühl von Verlangen. Das Verlangen ihm alles zu erzählen. Ihm in jederlei Hinsicht so nahe wie nur möglich zu sein.

Und so erzähle ich ihm davon, dass ich ein Waisenkind bin. Ich erzähle ihm von dem dauernden Hin und Her. Von den dutzenden Pflegefamilien. Davon, dass ich mich mein ganzes Leben lang einsam gefühlt habe. Ich erzähle von den Alpträumen denen meistens Angstattacken und Weinausbrüche folgen.
Aber ich erzähle ihm nicht von Allie.
Das ist das einzige was ich für mich behalten möchte.

Es herrscht Stille. Nachdem ich zu Ende erzählt habe, starre ich auf den Boden und versuche dabei den Klos im Hals herrunter zu schlucken.
Habe ich ihn verschreckt? War das zu viel für ihn? Bin ich ihm jetzt zu...verdorben?

Aus Nervosität tippe ich mit der Kuppe meines Zeigefingers in einem beliebigen Rhythmus gegen mein Knie.
Wieso sagt er nichts?

Doch der Takt wird mit einem Mal unterbrochen. Jimin's Hand liegt wie eine Barriere zwischen meinem Knie und meiner Hand. Seine kalten Finger verwickeln sich mit der meinen. Mit dem Daumen streicht er über die raue Haut meiner Handfläche. Bei seiner Berührung, welche sich wie die einer Feder anfühlt, kribbelt meine Haut.

Zum ersten Mal verstehe ich die Verwendung von ,,dahinschmelzen" aus den zahlreichen Filmen und Büchern meiner Jugend. Über diese Erkenntnis schmunzelnd, wage ich es einen kurzen Blick auf Jimin zu werfen. Dabei erhasche ich seinen analysierenden Blick auf mir. Das erhitzte Blut in meinem Körper scheint zu brodeln.

Er grinst. Es ist sein typisch, neckisches Grinsen. Bin ich etwa rot?
,,W-was?", frage ich ein bisschen lauter als gewollt.
Sein Grinsen wird breiter. Auch ich lächle als das Bild der Grinsekatze aus 'Alice in Wunderland' vor meinen Augen erscheint.
Er ähnelt der Katze ein bisschen.
,,Egal. Lass uns etwas essen.", mit einem Sprung zieht mich Jimin vom Bett hoch und schleift mich durch die Küche hinaus in den Hausflur.

Etwas überrumpelt stolpre ich ihm hinterher.
,,Wo gehen wir hin?", frage ich ihn verwirrt, da ich davon ausgegangen bin, dass ich Zuhause koche. Jimin zückt seine Hausschlüssel und öffnet die Tür zu seiner Wohnung innerhalb weniger Sekunden.

Während er sein Appartement betritt, wirft er mir einen zufrieden, aussehenden Blick zu.
,,Ich habe eingekauft. Heute werde ich kochen!", entgegnet er stolz.
Ich erwidere seinen Blick mit einem eher erzwungenem und schrägen Lächeln.
Na das kann mal was werden.

-

,,Nein, nein du kannst ruhig ein bisschen mehr Salz rein tun."
Jimin, welcher gerade zum ersten Mal selbstgeschnitzeltes Gemüse anbrät, hat sich dazu bereit erklärt meine Kochtipps anzunehmen.

Die Stimmen der 90er Jahre Hits, ertönen aus dem kleinen Radio auf Jimin's Fensterbank. Ich beobachte ihn dabei, wie er das Salz vorsichtig und gleichmäßig über die Pfanne verteilt. Es ist wirklich herzerwärmend wie viel Mühe sich Jimin beim Kochen gibt.

,,Tu vielleicht noch etwas vom Oregano und Knoblauch rein.", schlage ich vor und setze mich mit einem Schwung auf die Küchenthrese neben der Herdplatte. Jimin wirft mir einen kurzen Seitenblick zu bevor er das Oregano zu dem dampfenden Gemüse streut.

Er wendet sich von der Herdplatte ab und sieht mich mit seinem Grinsekatze-Gesicht an.
,,Was?"
,,Glaubst du nicht, dass das ganze Knoblauch hier ein bisschen zu viel ist?", er deutet auf das verholzte Schneidebrett. Ich schüttle den Kopf.
,,Nop, warum sollte es? Mit Knoblauch schmeckt alles besser.", erkläre ich zuversichtlich. Das schelmische Grinsen weicht jedoch nicht von seinem Gesicht.

,,Nein, ich glaube ein Kuss schmeckt wohl eher ohne Knoblauch besser. Oder nicht?"

Ich brauche einige Sekunden um zu realisieren was er so eben von sich gegeben hat. Mit roten Wangen, funkle ich ihn an.
,,Ich denke, dass weder du noch ich heute dazu kommen jemanden zu küssen."
Jimin wendet sich mit einem gespielt, enttäuschtem Gesichtsausdruck der Pfanne zu.
,,Schade.", seufzt er theatralisch.

Mit der Messerspitze gibt Jimin nur die Hälfte des Knoblauchs zum Gemüse.
,,Naja..", er verrührt die Gewürze in das Gemüse mit ein.
,,Falls es doch dazu kommt.", erklärt er zwinkernd wodurch sich Jimin nur ein Augenrollen meinerseits ergattert.

Aufgrund der schrillen Haustürklingel, zucke ich kurz zusammen. Ich werfe Jimin einen fragenden Blick zu. Jedoch beachtet er mich nicht und steuert stattdessen nichts sagend und mit unlesbarer Miene zu Tür.
Wer ist das?

TOUCH | ᴘ.ᴊᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt