Akt 1

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Mit jedem Schritt den ich setzte fühlte ich, wie meine Beine immer schwerer wurden und ich langsam aber sicher zu Boden gehen würde.

Mein Atem ging schnell und flach, als ich immer weiter aus dem Wald floh.

Nur noch ein Stück.
Bald geht die Sonne auf und ich bin gerettet.

Diese Gedanken trieben mich weiter, gaben mir die Kraft zu rennen, diesen hungrigen Bestien, denen jede Menschlichkeit fehlte, zu entfliehen.

Unter meinen Füßen knarrten Äste, ein kühler Wind trug trockene Blätter an mir vorbei, meine blonden Haare peitschten mir hin und wieder ins Gesicht und die Kälte des Spätherbstes zerrte an meinen Kraftreserven.

Ich musste es schaffen.
Ich musste raus aus diesem Wald.
Weg von diesen Monstren, die nach meinem Blut dürsteten, mich mit Haut und Haaren verschlingen wollten.

Ich wählte die Abkürzung zurück ins Dorf.
Die Abkürzung, welche durch dichtes Geäst führte und mir somit entweder Zeit stehlen oder verschaffen konnte.

Innerlich betete ich, dass sie mich niemals einholen sollten.
Aber was von Beginn an ein zweischneidiges Schwert ist, schneidet bekanntlich auch ins eigene Fleisch.

Ich stolperte über eine Wurzel am Boden.

Um den Fall zu bremsen, stützte ich mich instinktiv mit den Händen ab, wobei ich einen Dornenbusch streifte.
Den brennenden Schmerz ignorierend, als die Dornen meine Haut aufrissen, versuchte ich mich wieder aufzurichten.
Und dann waren da sie.

»Wohin des Weges, junge Schönheit?«

Erschrocken hob ich den Kopf und sah über meine Schulter zu meinen Verfolgern.

Da standen sie.
Nur ein paar Meter von mir entfernt.
Und sie kamen immer näher.

Mein ganzer Körper zitterte.
Ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken, die Angst, die sich in meinem Körper ausbreitete und schrie: Renn!, zu ignorieren.
Doch mein Körper gehorchte mir nicht mehr.

Ich wurde von diesen Blutroten Augen gefangen genommen, jeglicher Kontrolle beraubt.

Doch in genau diesem Moment säuselte mir der Wind: Sag, willst du leben?

Meine Kehle war ausgetrocknet, selbst wenn ich wollte, könnte ich nichts sagen, aber nun, da ich nichts mehr zu verlieren hatte, war ich bereit zu schreien, aber kein einziges Wort verließ meinen Mund.
Gedanklich rief ich um Hilfe.
Immer wieder.
So wollte ich nicht enden.

Ja, ich will leben.

Dann kniff ich meine Augen fest zusammen und wartete auf mein Ende.
Ich wartete auf meinen eigenen Tod.

Meine ganze Hoffnung war so gut wie erloschen, ich hatte alles aufgegeben.
Nun brauchte ich nur noch die spitzen Fänge der Bestien in meinem Hals zu spüren, aber das einzige was meine Wangen berührte, war eine warme Flüssigkeit.

Sehr wohl.

Langsam öffnete ich meine Augen wieder, vorsichtig, nicht wissend was mich erwartete.

Und dann stand er da.

Seine ganze Gestalt wurde von den Strahlen des Mondes in glänzendes Silber getaucht.
Seine fast schwarzen Haare wehten im Takt des Windes, der ihn schützend umgab.
Und sein Gesicht, welches durch die Blätter der Bäume spärlich erhellt war, brachte das Blut auf seinem Gesicht zum leuchten.

Meine Augen weiteten sich vor Schreck, als er sich langsam zu mir drehte und mich mit denselben roten Augen fixierte.
Sein Mund war zu einem übermütigen grinsen verzogen.

Der Wind trug die letzten Reste der Asche seiner Opfer hinfort, dabei sprach er die Worte, die ich nie wieder vergessen sollte.

»Von diesem Tage an, gehörst du mir.«

Dann begannen seine Augen zu glühen und mich übermannte eine Müdigkeit, die meine Sicht verschwimmen ließ.
Als ich schließlich zur Seite umfiel, fühlte ich wie mich zwei starke Arme auf fingen.

»Vampir . . .«
War das letzte Wort, das über meine Lippen kam bevor ich Ohnmächtig wurde.






Rotwein und MondblumenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt