Akt 11

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Wenn man sich öffnete, den Klängen der Nacht lauschte, hört man alles, was einem sonst entgangen wäre.
Jedoch gibt es die Ausnahme, wenn man sich anspannt, etwas erwartet, denn dann ist man nicht mehr so alleine wie man es lieber wäre.

Zum ersten mal seit langem fühlte ich mich in meinen eigenen vier Wänden nicht mehr so wohl und geborgen, wie ich eigentlich sollte.

Ich meinte jedes mal, wenn ich aus dem Fenster blickte, einen Schatten im spärlichen Licht der Laternen vorbeihuschen zu sehen.

Ich hasste es, meiner Angst zu unterliegen, aber was konnte ich groß tun?
Die Tatsache, dass meine Eltern dachten ich wäre die zwei Tage in Abwesenheit bei Freunden gewesen, beunruhigte mich zutiefst.

Das wegen drei wesentlichen Gründen:

Ich habe keine Freunde außer Nils, von dem sie nichts wissen.

Von selbst aus hätten mich meine Eltern nirgendwo hin gelassen, egal, welche Wichtigkeit es auch hätte.

Ich hatte mich in den letzten zwei Tagen kein einziges mal gemeldet.

Es war klar, dass Vlad etwas damit zu tun hatte.
Er wusste somit wahrscheinlich auch wo ich wohnte.

Verdammt.

Sich jedoch jetzt darüber aufzuregen würde nichts bringen, es wäre am meisten geholfen wenn ich endlich schlafen gehe.

Leichter gesagt als getan, aber das Gefühl, förmlich angestarrt zu werden, hinderte mich mit Bravour daran.

Ich schüttelte den Kopf, was war ich auch für eine Memme.

Reiß dich zusammen!
Zeig, dass dir das nichts ausmacht!

Trotzig erhob ich mich also von meinem Bett und stapfte zu meinem Schreibtisch.
Ich konnte mich nun mal am besten entspannen, wenn ich zeichnete.

Gut, ich war zwar keine super-tolle Künstlerin und meine Bilder waren dementsprechend eher mittelmäßig, aber es war Fakt dass ich dabei eben am entspanntesten war.

Ebenfalls war es eine sehr gute Ablenkung, also genug des Misstrauens.

Ich setzte mich auf meinen Drehstuhl, nahm einen Stift und Papier zur Hand und begann wahllos darauf herum zu kritzeln.

Ein Strich hier, ein Strich da, langsam nahm die Zeichnung Gestalt an.

Als der letzte Strich gesetzt wurde, erschrak ich fast selbst vor dem Ergebnis.
Ich hatte beim zeichnen eigentlich nichts direktes im Sinn gehabt, aber jetzt sah ich auf etwas humanoides herab, was jedoch keineswegs menschlich war.

Die 'Narbe' im Gesicht des Wesens, wenn man es überhaupt als Gesicht identifizieren konnte, kam mir nur allzu bekannt vor.
Wo hatte ich es schon mal gesehen?
Ach ja . . .
Es war Vlads Zeichen, was er unter dem rechten Auge trug.

Scheiße.

Scheiße Scheiße Scheiße Scheiße.

Was sollte das?
Ja gut, insgeheim konnte ich es mir denken.
Ich hatte ihn so gezeichnet, wie ich ihn sah.

Als Monster.

In menschlicher Gestalt.

Etwas erschöpft zerknüllte ich das Blatt Papier und schmiss es in den Mülleimer neben meinem Tisch.

Ich wollte mich ablenken und dann kam so etwas dabei raus.
Na ganz toll.

Jetzt hatte ich einfach nur die Nase voll und schlug meinen Kopf gegen den Tisch.
Es schmerzte deswegen zwar meine Stirn und eigentlich auch mein ganzes Gesicht ein wenig, aber wenigstens hatte ich mich wieder sammeln können . . . irgendwie.

Rotwein und MondblumenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt