Akt 30

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Meine Gelenke fühlen sich taub an, unwirklich, als würde ich hier gar nicht sitzen sondern als wäre dies alles nur ein schlechter Traum.

Ist es aber nicht.

Ich bin hier, anwesend, definitiv, auf diesem Stuhl, festgebunden und bewegungsunfähig, aber nicht nur durch diese Lederriemen.

Dunkel dämmert es mir, dass man mich betäubt hatte.
Mit was, ist mir allerdings unklar, egal wie sehr ich meinem Kopf auch anstrengte.

Um jetzt mal ganz ehrlich zu sein, hatte ich weitaus größere Sorgen als mir einen Kopf darüber zu machen, was man mir nun in die Venen gespritzt hatte.

Gut, jetzt ganz langsam:

Der Raum, in welchem ich sitze, war weiß gefliest und erinnerte mich stark an ein Krankenhaus, nur dass es hier nach Chemikalien solcher Sorte stank, mit welcher man normalerweise seine Badewanne putzte.

Ein stechender Geruch von Zitrone, welcher einfach nur ätzend ist und mir die Galle hochkommen lässt.

Der Stuhl, auf welchem ich sitze, ist aus einfachem aber stabilem Holz und erinnert mich stark an einen Folterstuhl aus der SAWN-Reihe.

Sobald ich mich weiter umsehe bemerke ich, dass es hier weder Fenster noch Türen zu geben scheint.
Es ist, als würde die Welt nur aus diesem einen Chemikalien-verseuchten weißen Raum bestehen.
Als gäbe es nur diese vier Wände, bei denen man knapp zwanzig Schritte von Wand zu Wand ablaufen könnte.
Tja, schade nur, dass ich hier immer noch genauso fest gekettet bin wie vor fünf Minuten.

Ich schließe meine Augen und versuche, den Kopf in den Nacken zu legen; soweit es eben erträglich ist und die Schmerzen oder der fehlende Raum durch den Stuhlrücken mir nicht einen Strich durch die Rechnung machen.

Ich bin also Kirai gefolgt um sie davon abzuhalten, in ihren eigenen Selbstmord zu laufen . . . warum auch immer Cookie und Brownie mich dazu angestiftet haben.

Ablehnen konnte ich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht, denn sonst hätte ich mit Sicherheit schwarz gesehen.
Aber auch als ich ihr hinterher gelaufen bin, wurde ich das Gefühl nicht los, als würde man mich ganz genau beobachten, weshalb ich einen Fluchtversuch eher unterließ.

Dann hat uns dieser Typ angefangen und als nächstes . . .
Bei der Erinnerung daran, wie ihr dieser Pfeil im Körper steckte, kniff ich fest die Augen zusammen.

Ich war zwar nicht gerade zart beseitet, was schon daran liegt, dass ich gelassen mit einem Vampir und vermutlichen Massenmörder reden konnte, aber auch bei Werwölfen noch so dreist bin und mich mit ihnen zoffe, ohne auf mögliche Konsequenzen zu achten.

Blut hatte ich aber auch schon oft gesehen, was glaubt ihr denn sonst, was wir Mädchen jeden Monat machen, huh?

. . .,definitiv keinen Mord verüben, bei denen, bei welchen es im Denkprozessor hängt.

Um ehrlich zu sein, hätte ich nie gedacht dass es mal so weit kommt, dass ich von Vampir zu Werwolf hin und her pendle.

Vlad ist ein arroganter Schnösel, welcher den lieben langen Tag auf seinem Thron hocken könnte und gerne die Kontrolle über die Situation behält.

Kirai hingegen ist eine gelassene Persönlichkeit, welche es anscheinend bevorzugt, in der Natur zu sein und dabei ellenlange Texte aus ihrem schwarzen Büchlein zu rezitieren.
Ebenfalls legt sie großen Wert auf die Mitglieder ihres Rudels . . . oder auch, wie sie es nennt, ihrer Familie.

Auch wenn mich die Werwölfe entführt haben, könnte man es so sehen, dass sie mich von meinem ursprünglichen Entführer noch einmal 'zurück' entführt haben.

Kompliziert?
Nah, nicht wirklich.

Wieder kreisen meine Gedanken um Vlad.

Was er wohl gerade macht?
Ob er nach mir sucht?
Ach was, warum sollte er überhaupt?
Hat er mir nicht schon zu genüge gezeigt, dass ich für ihn nichts weiteres als Vieh bin?
Aber was ist mit den malen, in welchen er wirklich . . ., wie soll ich sagen . . ., nett zu mir war?

Was ist mit unserer allerersten Begegnung, als er mich vor anderen Vampiren gerettet hatte?
Irgendwie ist es schwer zu glauben, dass er sich ernsthaft die Mühe gemacht hat, seine eigene Art zu schlachten, nur damit ich Lieferjunge für ihn spielen sollte.
Soll ich ihm als Blutlieferant dienen?
Das ist immer noch die logischste Möglichkeit, auch wenn er es abgestritten hatte, aber dann . . .

Unbehagen kriecht meinen Rücken entlang, weshalb ich mich schüttelte. So gut es eben ging, wenn man gefesselt auf einem Stuhl saß.

Er hatte dennoch mein Blut getrunken, somit hat er mich angelogen.

Kann ich ihm überhaupt noch glauben?

Konnte ich ihm überhaupt jemals glauben?

Gut, sobald ich hier raus bin oder hier je rauskommen sollte, muss ich mich unbedingt bei ihm erkundigen.

Hier liegt die Betonung auf 'ob' Ich hier rauskommen sollte.
Wo auch immer 'hier' genau ist.

Nachdenklich starre ich die weiß geflieste Decke an, welche genauso monoton ist, wie der Rest dieses Raumes.

Was hatte er damals nochmal gesagt?

Von diesem Tage an, gehörst du mir.

Meine Haut kribbelte wohlig warm bei dieser Erinnerung, aber selbst erklären konnte ich mir dieses empfinden nicht.

Seine Augen waren rot, so rot, wie der Wein, welchen er anscheinend immer Trank.
Das Tatoo unter seinem rechten Auge wirkte so lebendig, als wäre es ein eigenes Lebewesen und seine dunklen Haare hatten im Mondlicht scheinbar geleuchtet.

Es war etwas in seinem Blick gewesen, was ich damals, kurz, bevor ich in Ohnmacht gefallen bin, erhaschen konnte.
Dieses etwas konnte ich auch die paar Male, in welchen wir uns getroffen haben, in seinen Augen lesen.

Auch wenn er lächelte, sein übermütiges grinsen demonstrierte und mit der Sonne um die Wette scheinen wollte, verschwand diese eine Sache nie aus seinem Blick.

Bei genauerem nachdenken wird mir auch langsam bewusst, was dieses etwas gewesen sein musste:
Reue, Schmerz.
Er bereute etwas zutiefst.
Und hier schlägt wieder meine Neugier zu, wo ich unbedingt wissen will, wieso er so nostalgisch über die Blätterdächer geblickt hatte.

Wer weiß, was er schon alles erlebt und gesehen hatte.
Für ihn war ich bestimmt nur ein Augenblick, etwas vergängliches, was jedes Menschen Eigenschaft ist.

Ja, was war ich für ihn eigentlich, dass er mich zu retten brauchte?

Ich weiß es nicht, aber das wirft mir eine neue Frage auf, dessen Antwort ich selbst finden muss:

Wer ist Vlad für mich?

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Johooo Leute.
Sorry für das etwas späte Update . . . Ferien haben angefangen und so, aber ich hatte auch kurzzeitig keine Lust zum Schreiben, was sich mit diesem Kapitel wieder etwas gelegt hat~
Dieses mal wieder ein Kapitel aus Mia's Sicht, was auch langsam Zeit wurde!
Aber nya, hoffentlich hat es euch gefallen und ich konnte euch zu so später Stund' (zu welcher ich dieses Kapitel veröffentliche) angemessen unterhalten~

Rotwein und MondblumenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt