Akt 18

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»Sie schläft.«

Huh? Ich höre Stimmen . . . unbekannte Stimmen.

»Wirklich? Und das soll die Richtige sein?«

Zwei Stimmen.
Männliche Stimmen.
Jeder ihrer Schritte endete in einem rascheln.
Blätter.
Sie gingen auf trockenen Blättern.

»Natürlich! Sag bloß, dich verlässt dein Geruchssinn?«

Ein leichter Windhauch.
Etwas war seltsam.
War das ein Traum?
Der Wind, der an mir vorbei strich, fühlte sich jedoch viel zu real an.

»Als ob! Klar kann ich seine Fährte riechen . . . aber ich zweifle immer noch. Sie ist kein Vampir.«

Vampir.
Dieses Wort hallte in meinem gefühlt leeren Kopf wieder.
Jetzt erst spürte ich auch, wie ich von jemandem getragen wurde.
Moment, Ich lag nicht in meinem Bett?
Ich wurde getragen?!
Schnell schlug ich meine Augen auf und versuchte zu realisieren, was denn genau passierte und wohin ich denn getragen wurde.
Die schwarzen Punkte, welche jedoch vor meinen Augen tanzten und das damit verbundene Schwindelgefühl halfen dabei auch nicht so wirklich.

»Sie wird wach.«

»Dann beeil dich, verdammt!«

»Ich beeile mich ja schon!«

»Selbst eine Schildkröte könnte dich überholen!«

»Dann will ich mal sehen wie du läufst mit einer weiteren Person auf den Schultern!«

Ich hörte, wie die beiden sich weitere Beleidigung gegen den Kopf schlugen und keiner von ihnen auch nur ein bisschen nachgeben wollte.

»L-lass mich r-runter!«

Stotterte ich mehr als das ich es sagte, versuchte aber dennoch meine vollkommene Überzeugung in diese drei Wörter zu integrieren.

Um meine Aufforderung zu verstärken, zappelte ich auch etwas herum, worauf ich vereinzelte Flüche meines Trägers vernehmen konnte.

»Mach was!«

»Was soll ich denn machen?«

»I-ignoriert ihr mich?«

»Ach, halt doch mal für einen Moment die Fresse, Mädchen!«

»Nur w-wenn ihr mich wieder zurück bringt!«

»Wir haben Befehle.«

»Was denn bitte für Befehle?«

»Geht dich nichts an.«

»Ich glaube schon!«

»Nein!«

»Doch!«

Und das war nur ein kleiner Auszug unseres . . . 'Gesprächs'.
Ebenfalls bin ich nun dezent frustriert.
Aber nur dezent.

»Wer zur Hölle seid ihr beiden überhaupt?«

»Sagen wir nicht.«

Gut, ich muss zugeben dass es mich schon ein wenig beeindruckt, wie sie manchmal vollkommen synchron antworteten.
Aber nur ein wenig.

»Und darf ich dann wenigstens wissen, wo ihr mich hinbringt?«

Für einen kurzen Moment tauschten sie unsichere Blicke aus.

»Moment, ihr wollt mir damit nicht ernsthaft sagen, dass ihr nicht wisst wohin?«

»Klar wissen wir das, aber ich glaube das findest du ganz schnell sellbst heraus.«

»Was meint ihr schon wieder da-«

Ich wurde jäh unterbrochen, aber nicht durch Worte, sondern durch ein lautes heulen.
Das heulen eines Wolfes.
Shit.

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als wir die gigantischen steinernen Tore passierten.
Sofort richteten sich hunderte von Augenpaaren auf uns, oder wohl eher auf mich, und erfreut schienen sie über meine Anwesenheit genau so wenig zu sein wie ich.

Leicht eingeschüchtert versuchte ich die Blicke zu ignorieren und widmete mich stattdessen zum ersten mal richtig den beiden jungen Männern zu, die mich hier her gebracht hatten.

Derjenige, der mich trug, besaß Waldgrüne Augen mit vereinzelten gelben Punkten. Sein braun-blondes Haar war kurz gehalten und reichte ihm knapp bis zu den Schultern, schien jedoch wild und somit ihren komplett eigenen Willen zu haben.

Was den anderen betraf, so funkelten seine Augen in einem Grasgrünen Ton. Bei ihm zogen feine gelbe Linien durch das leuchtende Grün, was ihm seinen eigenen, irgendwie rebellischen, Charme verlieh.
Dunkelbraune Haarsträhnen fielen ihm frech ins Gesicht, aber wie auch bei meinem Träger, führte sein Haar anscheinend ein Eigenleben.

»Uhm . . .«

Ich versuchte mich dazu durch zu ringen, von den Blicken mal abgesehen, wieder so etwas wie ein Gespräch herauf zu beschwören, was jedoch gehörig schief ging, denn mir wurde der Mund zugehalten.

»Sei leise. Du kannst später nachfragen.«

Zischte mein Träger, den ich fürs erste einfach mal »Cookie« taufte.
Der andere heißt ab jetzt »Brownie«, und das wegen seiner Haarfarbe, versteht sich.

Jedenfalls, Cookie hielt mir ja jetzt seine Hand vor dem Mund.

Etwas angenervt stöhnte ich auf und ließ es sein mit dem herum gezappel.
Ich kann meine Energie auch produktiver nutzen.
Wahrscheinlich würde ich auch alle meine Nerven benötigen, um später eine Art Nervenzusammenbruch zu erleiden.

Seht ihr, ich denke voraus.
Und falls nötig, kann ich die Situation auch einfach ins lächerliche ziehen.
Ist ja eh schon ein Witz, was hier gerade abgeht.

Na ja, Cookie trug mich weiter an vielen Häusern vorbei, die zum Teil Höhlen ähnelten, bis wir langsam die etwas eleganteren Wohnbereiche passierten.

Wenn ich meinem Orientierungssinn glauben schenken kann, dann bewegten wir uns hier auf das Zentrum dieser . . . sagen wir mal, Stadt, zu.

Ich brauchte auch nicht lange um das Waldartige Gebiet vor uns zu erkennen, welches für den Herbst ziemlich grün geblieben war.

Nein, wirklich. Überall war grüner, dichter Wald.
Und wir bewegten uns gerade durch diesen hindurch.

Hin und wieder sah man rote Augen aus den Schatten hervor blitzen.

Auch wenn sich die Augenfarben grundlegend unterschiedlich von Rot, über Grün bis hin zum eisigen Blau waren, so ähnelten sie sich alle in einer Sache:
Das waren die Augen von Tieren.

Und diese kannten das Wort 'schonen' nicht.

Nach geschätzt weiteren fünf Minuten konnte ich die ersten Umrisse eines Schlosses sehen, denn anders konnte man dieses gigantische aus Stein bestehende Bauwerk nicht bezeichnen.

Mir blieb fast der Mund offen stehen, als ich die vielen Personen im Hof sah, welche sich größtenteils in imposanter Rüstung mit glänzenden Schwertern duellierten.

Ich fühlte mich wie ins Mittelalter zurück versetzt, und das wortwörtlich.

Ich meine, wo gibt es bitt' schön Ritter im 21 Jahrhundert?

. . .

Na gut, es gibt auch Vampire.

. . .

Ich habe nichts gesagt.

Das Tor ins Innere des Schlosses öffnete sich schwungvoll vor uns und ließ uns passieren, weshalb ich nun einen mit einem roten Teppich gepflasterten Weg entlang getragen wurde.

Auf meine Faulheit bezogen, so war ich schon irgendwie froh, getragen zu werden.
Schließlich sahen Cookie und Brownie auch nicht so schlecht aus.
. . .
Moment, genieße ich es gerade, entführt worden zu sein?

Gut, ich bin schuldig im Sinne der Anklage.

Als sich jedoch weitere Türen zu einer Art Thronsaal öffneten, blieb mir ein Klos im Hals stecken.

Ach nö, nicht schon wieder.

Rotwein und MondblumenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt