Akt 2

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Mein Kopf dröhnte, als ich langsam wieder zur Besinnung kam.
Was war bloß geschehen?
Diese Frage blieb jedoch nicht lange unbeantwortet, denn schon spielten sich Fetzten der letzten Nacht vor meinem inneren Auge ab.

Wald.
Nacht.
Verfolger.
Retter.
Vampir.

Ich fuhr schockiert hoch und bereute sogleich mein unüberlegtes Handeln, als meine stechende Schmerzen drohten, meinen Kopf zu sprengen.

Zischend fasste ich mir an die Schläfen und begann diese zu massieren, in der Hoffnung, damit das pochen etwas eindämmen zu können.

Dabei hatte ich Zeit, mich umzusehen.

Ich lag in einem Bett, was keineswegs mein eigenes war. Die Decke war genauso wie die Wände in einem tiefen blau gestrichen und strahlten somit Macht und Dominanz aus; was diesem Raum jedoch fehlte waren Fenster, welche durch einen weißen Kronleuchter ersetzt wurden.

Es gab nur eine einzige Tür, die aus diesem Zimmer führte, und wenn man dem Klischee treu geblieben war, dann müsste ebendiese Tür fest verschlossen sein.

Ich atmete tief durch, senkte meine Hände und bemerkte dabei, dass jemand meine Verletzung ordnungsgemäß verbunden hatte.
Diese Geste war zwar sehr zuvorkommend, aber in diesem Moment hätte ich eine Kopfschmerztablette mehr geschätzt als alles andere.

Reiß dich zusammen, Mia.
Darüber meckern kannst du, sobald du sicher wieder Zuhause bist.

Und wo meine innere Stimme Recht hatte, hatte sie Recht.

Etwas wankend erhob ich mich von dem komfortablen Bett und schritt, mich an der Wand abstützend, auf die Tür zu.
Probieren geht eben über studieren.
Mit etwas Glück hatte vielleicht ein Idiot vergessen, abzusperren.

Langsam wanderte meine Hand zum Türgriff und umklammerte diesen fest. Dabei konnte ich nicht aufhören, unkontrolliert zu zittern.

Dann drückte ich diesen herunter.
Komplett gegen meine Erwartungen schwang die Tür mit Leichtigkeit auf, wodurch ich mein Gleichgewicht verlor, in den Gang stolperte und schließlich fiel.

Ich muss ja echt ein Händchen für unkontrollierte Fall-Künste haben, wenn mir das schon das zweite mal in so kurzer Zeit passierte.

Moment.

Welche Uhrzeit haben wir eigentlich?

Ich stellte mich vorsichtig wieder auf die Beine, dabei ließ ich meinen Blick schweifen.
Es war ein einziger großer Gang, der nur nach vorne führte.
Meine jetzigen Optionen waren eindeutig:
Zurück ins Zimmer gehen oder nach vorne.
Und so dumm wie ich war, wählte ich einfach, vorwärts zu schreiten.

Hätte ich gewusst was mich gleich erwarten würde, so hätte ich mich einfach in diesem Zimmer eingeschlossen und boykottiert.

Aber nein, meine Neugier siegte und so ging ich weiter, auf diese großen, schwer wirkenden Tore zu, wobei ich mich durchgehend an der Wand stützte.

Augen zu und durch.

Ich legte meine Hände auf dem glatten Holz ab und stemmte mich mit meinem gesamten Körpergewicht dagegen.

Langsam aber sicher lernte ich, dass man Türen niemals trauen sollte.
Zumindest nicht in diesem Anwesen.

Denn wie meine Tür zuvor auch, schwangen diese Exemplare mit einem leisen knarzen auf und offenbarten den Blick auf einen riesigen Saal, an dessen Ende ein prunkvoller Thron residierte.

Zu Beginn war ich viel zu beschäftigt damit, mich wieder aufzusetzen als dass ich den Blick, der auf mir lag, Beachtung schenken konnte.

Als ich meine blonden Haare aus meinem Gesicht streichen wollte, riss mich ein räuspern zurück in die Realität und ich blickte wieder in diese roten Augen, die mich vor meinem sicheren Tod bewahrt hatten.

So selbstsicher wie er dort saß wirkte es, als wäre er ein Teil dieses Ganzen.
Als wäre genau dies der Ort, an den er hingehörte.
Er stützte seinen Kopf lässig mit seiner, von mir aus gesehen, linken Hand ab, wobei ihm vereinzelte rot-schwarze Strähnen vor die Augen fielen.

Wie zuvor auch hatte er dieses übermütige grinsen im Gesicht, aber auch eine Art Tatoo, welches unter seinem linken Auge anfing und dann in einer konkreten, roten Linie über seinen Hals folgend, unter der Kleidung verschwand.

Er musterte mich beinahe amüsiert, und erst da bemerkte ich, dass ich nicht mehr meine Kleidung von gestern trug, sondern nur ein lockeres Nachthemd, welches bis knapp über meinen Hintern reichte.

Peinlich berührt versuchte ich sofort, mich weiter zu verdecken.
Oder zumindest das nötigste, was ihm ein dunkles lachen entlockte.

»Mach dir keine Sorgen darum. Es gibt nichts, was ich von dir nicht gesehen hätte.«

Sofort stieg mir die Röte ins Gesicht und ich zählte eins und eins zusammen.
Er hatte mich umgezogen, als ich Ohnmächtig war.
Und er hatte mich wahrscheinlich auch her gebracht und meinen Arm verbunden.

»Die Menschen und ihr Schamgefühl sind wirklich amüsant.«

Mit diesen Worten erhob er sich von seinem Thron und schritt gemächlich auf mich zu.

Ich versuchte zurück zu weichen, aber die Tore hinter meinem Rücken versperrten mir jeglichen Fluchtweg.

Ich konnte also nichts weiter tun, als wie ein verängstigtes Tier zu ihm auf zu blicken.

Er sah direkt in meine blauen Augen, was sich aber eher anfühlte als würde er mir bis tief in die Seele blicken.

Er kniete sich schließlich zu mir hin und umfasste mit seiner rechten Hand mein Kinn, um mich wider meines Willens näher zu sich zu ziehen, sodass unsere Lippen sich fast berührten.

Sein warmer Atem streifte meine Haut und die Anziehungskraft, die jeder Vampir anscheinend besaß, zeigte sich bei ihm auch nicht zu kurz.
Er hatte Lippen, die wie zum Küssen gemacht zu sein schienen und seine Haare wirkten so unglaublich weich, dass ich mich stark beherrschen musste, um nicht mit meinen Fingern durch ebendiese zu fahren.

»Ich hoffe du hast gut geschlafen, Dornröschen.«

Sprach er, während er mit seinem Daumen sanft über mein Kinn fuhr.

»Denn es wird langsam Zeit dass du mir meinen Gefallen, dein Leben gerettet zu haben, zurückzahlst.«



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