Akt 13

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Wie versprochen kam ich nach ein paar Tagen um den fertigen Wein bei Nils abzuholen.

Er hatte mir die Flasche ohne weitere Worte überlassen und selbst als ich ihm die Münzen hinlegen wollte, die ich von diesem Psycho-Butler erhalten hatte, lehnte er eine Bezahlung für seine Hilfe strikt ab.

Jetzt war ich mit dem Wein in den Händen also auf dem Weg zurück zum Anwesen, auch wenn ich den Weg dorthin bereits komplett vergessen hatte, weshalb ich einfach durch den Wald irrte und hoffte, irgendwie mein Ziel zu erreichen.

Ich hatte schon mal bessere Ideen gehabt, um ehrlich zu sein.
Aber an etwas anderes konnte ich momentan auch nicht denken.

Außerdem war es hellichter Tag, mir sollte also nichts passieren, oder?

In den Baumwipfeln hörte man Krähen krächzen, ab und an raschelten Büsche und bei fast jedem Schritt den ich tat, knarrten Äste zu meinen Füßen.

Ich muss wahnsinnig geworden sein, wieso versuchte ich auch in die Höhle des Löwen zurück zu kehren?

*Weil wenn du nicht zurück kehrst, wird er dich jagen.*

Danke für die Erinnerung, meine innere Stimme. Das hebt meine Stimmung ja so gewaltig.

Ich seufzte resigniert, schließlich irrte ich schon mehrere Stunden durch diesen verfluchten Wald, wobei ich nicht mehr in der Lage war zu unterscheiden wo nun vorne und wo hinten ist.

Überall nur dichtes Geäst soweit das Auge sieht, und das hier auch noch mehrere Leute verschwunden sein sollen trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei.

Es ist lächerlich, wie oft ich schon die Worte »irren« und »Wald« in der ganzen Zeit benutzt hatte, aber versucht mal an was anderes zu denken wenn ihr durch einen ganzen Ozean von Blättern stapft.

Eine ziemlich lahme Rechtfertigung für deinen wiederholten Wortgebrauch.

Dich hat keiner gefragt.

. . . Moment mal.

Ich hielt in meiner Bewegung inne und blickte um mich.

Du bist wahrlich unverbesserlich.

Jetzt spitzte ich meine Ohren und versuchte zu bestimmen, ob ein Geräusch ähnlich den Schritten eines menschenähnlichen Wesens näher kam.

Hinter dir, du Dussel.

Mein Kopf schnellte nach hinten und ich blickte direkt in die blutroten Augen von Vlad, welcher nur wenige Zentimeter von mir entfernt schwebte.

Ja, er schwebte über dem Boden.

Ich taumelte einen Schritt zurück und verlor für den Bruchteil einer Sekunde das Gleichgewicht, jedoch bevor ich der Länge nach hinfliegen konnte, hatte Vlad meine rechte Hand gepackt und hielt mich scheinbar mühelos fest.

»Pass doch auf. Der arme Wein.«

Ich schnaubte.

»Vielen dank dass du dich so sehr um mein Wohlergehen sorgst.«

Er hob eine Augenbrauen und musterte mich fast schon amüsiert.

»Immer wieder gerne, Kleine.«

Ohne eine Vorwarnung zog er mich zu sich und im Braut-stil auf seine Arme, was mir ein überraschtes quieken entlockte.

»Schon mal geflogen?«

Fragte er mit einem unheilvollen Lächeln auf den Lippen.

»Wehe du heckst gerade irgendetwas aus, ich habe nämlich Höhena- «

Weiter kam ich nicht, denn schon flogen wir mit einer für meinen Geschmack etwas zu großen Geschwindigkeit dem Himmel entgegen.

Ich krallte mich in seinem Shirt fest und presste fest die Augen zusammen, um nichts sehen zu müssen.

Gute fünf Minuten später forderte er mich auf, meine Augen zu öffnen, was ich nur zögerlich tat.

Heilige Scheiße.

Der Ausblick der sich mir bot war atemberaubend, und der Fakt dass ich hier mehrere Meter über dem Boden schwebte war wegen diesem einen Moment komplett vergessen.

Die Blätter der Bäume waren in den verschiedensten Farben, von Gelb über Orange und Braun bis hin zu Rot gab es alles, was der Herbst zu bieten hatte.

»Wow . . . «

Hauchte ich etwas außer Atem, denn meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Schauspiel von Farben.

»Ich weiß, was du meinst.«

Kam es leise von Vlad, weswegen ich mich erstmals vom Anblick der Blätter los riss und zu ihm sah.

Sein Blick war verträumt auf den Horizont gerichtet, wo die Farben kein Ende nehmen wollten.
Vielleicht kam es mir nur so vor, aber ich glaubte tiefe Trauer in seinen Augen aufblitzen zu sehen.

So schnell wie sie kam, war der Funke allerdings auch schon verschwunden und Vlad sah wieder mit seinem üblichen, hochmütigen Lächeln zu mir.

Meine Missgunst über Vlads überstürztes Handeln bahnte sich wieder seinen Weg hinauf und ich stellte ihm die Frage, die mir momentan am meisten auf der Zunge brannte.

»Warum zur Hölle kannst du fliegen?«

»Nun . . ., ich bin in der Lage, den Wind zu kontrollieren. Ob man das als fliegen bezeichnen kann ist zwar fragwürdig, aber wenn es dann für dich so leichter zu verstehen ist . . . «

Ich schenkte ihm auf seine Erklärung nur einen ungläubigen Blick, was er mit einem tiefen Lachen quittierte.

»Ich hasse dich.«

»Awee, ich hab dich auch lieb, Kleine.«

Ich schwöre, wenn ich nicht so damit beschäftigt wäre, mich festzuhalten, hätte ich ihm mit dem größten Vergnügen eine Übergebraten.

»Vlad?«

»Hm?«

»Warum zerfällst du eigentlich nicht zu Asche? Es ist Tag und die Sonne scheint. Ein Vampir sollte die Sonne doch eigentlich meiden.«

Er schwieg erstmals über meine Frage, dann jedoch machte sich ein übermütiges grinsen auf seinem Gesicht breit.

»Da hast du etwas falsch verstanden, Kleine.«

Begann er seine Rede.

»Ich fürchte die Sonne nicht. Vampire halten sich nicht vor Angst im Schatten auf, sondern sie warten.
Ich knie ungern vor jemandem oder etwas nieder, viel eher lasse ich andere vor mir nieder knien. Denn es ist um einiges amüsanter zu beobachten, wie sich andere in Sicherheit wiegen, nicht wissend, was sie erwartet.«

Er machte eine kurze Pause.

»Die Sonne ist nur eine Ausrede, um nicht in ewiger Angst leben zu müssen.«

Langsam senkten wir uns wieder auf den Boden zu.

»Vergleiche mich nicht mit einer Unterklasse.«

Dann landeten wir auf dem Boden, er hielt mich jedoch immer noch fest in seinen Armen.

»Was wäre ich für ein König, wenn ich mich von so etwas simplen nieder zwingen lasse?«

Dabei sah er mich an, als würde er auf eine Antwort meinerseits warten.
Ich konnte mich jedoch nicht dazu durchringen, ihm zu antworten.

Er schüttelte nun den Kopf, fast, als wäre er enttäuscht.

»Es bringt wohl nichts, es dir zu erklären. Wisse einfach dass die Sonne, die du als rettenden Anker sahst, dich nicht vor mir beschützen kann.«

Rotwein und MondblumenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt