Akt 16

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Eine lange Zeit gingen wir einfach schweigend nebeneinander her.

Na gut, Ich hielt einen kleinen Anstand zu ihm.
Wollte eben ganz sicher gehen, dass er mich nicht anfällt.
Wobei, da fällt mir ein dass er schon lange nicht mehr meine Gedanken gelesen hat.

*Oder er schweigt einfach darüber.*

Auch möglich.

Aber lass mich bitte in dem Glauben, dass ich noch so etwas wie einen Funken Privatsphäre besitze.

»Sag mal . . . was machst du eigentlich in deiner Freizeit?«

Etwas small-talk kann ja nicht schaden.
Ist mir auch um einiges lieber als dieses ewige Schweigen.
Ich hasse Stille.

»Ich lese Bücher, mache Spaziergänge durch den Wald, quäle Gefangene . . .«

Bitte, was?

»Gefangene . . . quälen?«

Er nickte leicht.

»Du hast im Anwesen da Gefangene?«

»Ja. Man könnte uns mit der Polizei vergleichen, oder wie sie heutzutage auch heißen mögen.«

Irgendwie kamen bei mir so meine Zweifel auf, ob das was er tat wirklich den polizeilichen Rechtlinien entsprach.

»Du und Polizist? Das will irgendwie nicht so richtig zusammen passen.«

Damals hatte er die Verfolger im Wald getötet . . . und er hat gesagt dass er Leute in seiner Freizeit quält.
Das hat so ziemlich nichts mit dem altbekannten Ordnungshüter zu tun.

»Denkst du? Ich hätte nichts gegen eine Uniform.«

»Geht es dir nur um die Uniform?«

»Ist das ein Problem? Ich wollte schon immer mal eine anprobieren.«

»Und warum hast du das nicht schon gemacht?«

Er legte leicht den Kopf schief und schien selbst nicht ganz so sicher über das 'warum' zu sein.

»Bin wohl noch nie dazu gekommen.«

Zum Ende seines Satzes wurde seine Stimme leiser.

Auf einmal blieb er ohne Vorwarnung stehen, weshalb ich volle Kanne in ihn rein lief.

Murrend fasste ich mir an die Nase.

»Was soll das?«

Genervt sah ich zu ihm, suchte seinen Blick, aber dieser war hochkonzentriert in die Ferne gerichtet.

»Vlad?«

Als würde er aus einer Trance erwachen, blickte er mich irritiert und leicht perplex an, bevor er sich wieder einigermaßen fing und versuchte, alles mit einem schiefen grinsen zu überspielen.

»Ah, sorry. War für einen Moment abgelenkt.«

Ich hob fragend die Augenbrauen und sah ihm direkt in die Augen.
Er jedoch dachte nicht einmal daran, mir irgendetwas weiter in der Richtung zu erzählen.
Um genau zu sein, wäre es sogar weit lukrativer gewesen, einfach ins Nichts zu starren; denn seine Augen glichen einem schwarzen Loch: saugt jedes Licht ein und verschlingt es, gibt jedoch nichts wieder und scheint endlos.

Rotwein und MondblumenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt